Athen ruft um Hilfe
Über zehntausend Flüchtlinge warten inzwischen an der griechisch-mazedonischen Grenze. Österreich sieht Berlin in der Pflicht, Migranten von der dortigen Grenze nach Deutschland zu bringen. Merkel hingegen setzt auf Lösungen vor Ort. Die EU will jetzt Staaten wie Griechenland in den nächsten drei Jahren bis zu 700 Millionen Euro für die Bewältigung der Flüchtlingskrise bereitstellen.
Flüchtlingsdrama in Ägäis

Athen ruft um Hilfe

Über zehntausend Flüchtlinge warten inzwischen an der griechisch-mazedonischen Grenze. Österreich sieht Berlin in der Pflicht, Migranten von der dortigen Grenze nach Deutschland zu bringen. Merkel hingegen setzt auf Lösungen vor Ort. Die EU will jetzt Staaten wie Griechenland in den nächsten drei Jahren bis zu 700 Millionen Euro für die Bewältigung der Flüchtlingskrise bereitstellen.

Kein Ende des Flüchtlingszustroms in der Ägäis: In der griechischen Hafenstadt Piräus sind wieder mehr als 1000 Migranten von den Ägäis-Inseln angekommen. Sie hatten in den vergangenen Tagen von der türkischen Küste auf die griechischen Inseln im Osten der Ägäis übergesetzt. An der griechisch-mazedonischen Grenze bei Idomeni warten mittlerweile mehr als 10.000 Migranten auf der griechischen Seite. Sie hoffen, dass Mazedonien doch noch seinen Zaun öffnet. Athen rechnet damit, dass in Kürze mehr als 100.000 Migranten im Land festsitzen könnten. Nachdem das Land bisher entgegen des Dublin-Abkommens alle Flüchtlinge einfach nach Norden Richtung Deutschland oder Schweden weiter transportierte und nicht mal wie vorgeschrieben registrierte, bekommt es nun selbst zu spüren, wie es ist, von anderen EU-Ländern im Stich gelassen zu werden. Mitleid mit Griechenland ist also nicht angebracht.

Finanzielle Hilfen für Griechenland

Staaten wie Griechenland sollen in den nächsten drei Jahren bis zu 700 Millionen Euro für die Bewältigung der Flüchtlingskrise bekommen. Die ersten 300 Millionen sollen im laufenden Jahr fließen. Athen erhält zwar schon Unterstützung von der EU, doch die aktuellen Instrumente lassen sich laut EU-Kommission nicht schnell genug einsetzen. Bei der Verwendung der neuen Mittel etwa für Unterbringung oder Nahrung will Brüssel zum Beispiel mit den Vereinten Nationen zusammenarbeiten. Neben den Geldmitteln für Griechenland hat EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) die Unterstützung von Unterkünften außerhalb Europas gefordert. Es brauche Milliarden pro Jahr, um in bestehenden Flüchtlingslagern „endlich Menschenwürde zu finanzieren“, sagte Oettinger im ZDF.

Tsipras droht mit Blockade

Angesichts der immer dramatischeren Lage pocht Regierungschef Alexis Tsipras auf die zugesagte Verteilung von Flüchtlingen in ganz Europa. Sollte dies nicht endlich umgesetzt werden, drohte er, die Beschlüsse des EU-Türkei-Gipfels am 7. März in Brüssel zu blockieren. Tsipras kritisierte die Grenzblockade Mazedoniens: „Diese Alleingänge sind inakzeptabel. Die Flüchtlingskrise kann nicht ein Land allein bewältigen“, sagte er in einem Interview des ZDF-Magazins Frontal 21.

Wenn wir es nicht schaffen, eine gemeinsame Lösung zu finden, dann wird das nicht nur ein Problem für Griechenland, es wird unsere gemeinsame Zukunft in Europa gefährden.

Alexis Tsipras, Ministerpräsident Griechenland

Mazedoniens Außenminister Nikola Poposki verteidigte die Grenzschließung. Mit dem Grenzzaun werde „die Flut von illegalen Migranten“ gestoppt. Laut Poposki handele es sich überwiegend um Wirtschaftsmigranten und nicht um Kriegsflüchtlinge.

Merkel will Lösung vor Ort

Kanzlerin Angela Merkel drängt darauf, die Krise an der Grenze zwischen Mazedonien und Griechenland vor Ort zu lösen. Es gelte, eine Politik des Durchwinkens zu beenden, sagte Merkel nach einem Gespräch mit dem kroatischen Regierungschef Tihomir Orešković in Berlin. „Es gibt Übernachtungsmöglichkeiten und Aufenthaltsmöglichkeiten auch in Griechenland. Die müssten auch von den Flüchtlingen genutzt werden.“ Es gebe „eben nicht ein Recht, dass ein Flüchtling sagen kann, ich will in einem bestimmten Land der Europäischen Union Asyl bekommen.“ Die Kanzlerin betonte zugleich, dass die EU Griechenland zur Seite stehen müsse. Die Situation zeige, dass einseitiges Vorgehen nicht weiterhelfe.

Machen Sie mal 1000 Inseln dicht; das geht physisch gar nicht.

Hans-Werner Sinn

Auf Griechenland zu setzen hält der scheidende Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn für „illusorisch“. Das Land werde es nicht schaffen, seine Grenzen zum Mittelmeer, über das die Flüchtlinge in das Schengenland kommen, zu schließen. „Machen Sie mal 1000 Inseln dicht; das geht physisch gar nicht“, sagte Sinn während einer Vorlesung am Ifo-Institut in München. „Griechenland ist außerdem ein ‚failed state‘, das funktioniert überhaupt nicht.“

Österreich: Deutschland soll Flüchtlinge aus Griechenland aufnehmen

Um zu verhindern, dass Österreich zur Verteilstelle wird, will das Land Durchreise-Zertifikate einführen. Außerdem fordert Bundeskanzler Werner Faymann Deutschland zur direkten Übernahme von Flüchtlingen aus Griechenland oder Nachbarstaaten Syriens auf. „Es sollte eine Tagesquote festlegen – und nach dieser Flüchtlinge direkt von Griechenland, der Türkei oder Jordanien nach Deutschland bringen“, sagte er der österreichischen Zeitung Kurier. Es sei nicht länger tragbar, „dass täglich mehrere tausend Menschen durchgewunken werden, andererseits lässt uns Deutschland wissen, dass es heute nur 1000 oder 2000 oder einen ins Land lässt“. Merkel kritisierte das „einseitige Vorgehen“ Österreichs in der Flüchtlingskrise. „Wer die nationalen Grenzen schließt, bewirkt damit nichts gegen die Ursachen der Flüchtlingsbewegung. Er riskiert obendrein auf Dauer einen Schaden für unsere Wirtschaft“, sagte sie der Volksstimme.

Über 122.000 Menschen flüchteten 2015 nach Griechenland

Die griechische Küstenwache und die Besatzungen der Patrouillenboote der europäischen Grenzagentur Frontex retteten binnen 48 Stunden 1272 Migranten aus den Fluten der Ägäis. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks sind in diesem Jahr bis Ende Februar bereits 122.637 Migranten aus der Türkei nach Griechenland gekommen. Athen arbeitet derzeit mit Hochdruck daran, neue und größere Migranten-Aufnahmelager zu bauen. Um die Lage bei Idomeni am Grenzübergang nach Mazedonien zu entschärfen, werden sieben neue Lager für mehr als 20.000 Menschen südlich der Grenze gebaut. Um diese Herausforderung finanziell stemmen zu können, hat die griechische Regierung bei der EU ein Hilfspaket in Höhe von 470 Millionen Euro beantragt (der BAYERNKURIER berichtete). Mit dem Geld sollen 50.000 Menschen in neu errichteten Aufnahmelagern, weitere 50.000 in angemieteten Hotels untergebracht werden.

(Quelle: dpa/AS)