Durchbruchsversuch an der mazedonischen Grenze: Nur noch Syrer und Iraker dürfen vereinzelt passieren. Der Rest sitzt fest. (Foto: Imago/Zuma Press)
Mazedonische Grenze

Wieviel Schuld hat die EU?

Der Ansturm von Flüchtlingen auf die griechisch-mazedonische Grenze und die Reaktion der Behörden vor Ort sorgen europaweit für erhitzte Debatten. Es ist eine Eskalation, die zwar schockierende Bilder produziert, aber nicht überraschend kommt. Mazedoniens Präsident jedenfalls verteidigt das Vorgehen der Polizei - und gibt der EU die Schuld an der Misere.

Die Situation an der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien eskaliert zusehends. Seit Montag versuchen hunderte Migranten immer wieder, den Zaun an der Grenze zu stürmen und in das Nachbarland durchzubrechen, um ihren Weg nach Mitteleuropa auf der sogenannten Balkanroute fortzusetzen.

Zwischen den beiden Grenzstädten Idomeni und Gevgelija rissen die Flüchtlinge mit einfachen Werkzeugen Teile des von Mazedonien errichteten Grenzzauns nieder – eine Öffnung des Tores gelang ihnen aber nicht. Die mazedonischen Grenzpolizisten setzten in großem Ausmaß Tränengas gegen die Flüchtlinge ein, die sich daraufhin teils in Panik auf griechischem Territorium zurückzogen. Augenzeugen zufolge schleuderten junge Migranten Steine über den Zaun auf die mazedonische Polizei und beschimpften die Beamten.

Unterdessen gibt es Berichte, wonach Schleuserbanden in der Grenzregion wieder aktiver werden. Offenbar versprechen sie den Flüchtlingen, sie auf anderen Routen – etwa über Albanien – nach Mitteleuropa zu bringen.

Falschinformation als Auslöser

Auslöser des versuchten Durchbruchs war dann nach Medienberichten ein Gerücht, wonach Mazedonien angeblich seine Grenze wieder für alle Migranten geöffnet habe. „Frei, frei, wir können rüber“, schrie ein Flüchtling im griechischen Fernsehen – eine schwerwiegende Fehlinformation.

Athen rechnet mit 100.000 Menschen an mazedonischer Grenze

So schockierend die Bilder von in Panik davonlaufenden Menschen ist – die Entwicklung kommt nicht ganz überraschend. Vergangene Woche hatten sich die Länder an der Balkanroute – Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien – unter Führung Österreichs darauf verständigt, täglich nur noch bis zu 580 Migranten nach Norden durchzulassen. Da der Zustrom der Menschen aus der Türkei nach Griechenland anhält, sitzen nach Medienberichten dort schätzungsweise 25.000 Menschen fest – mit steigender Tendenz. Die Regierung in Athen rechnet sogar damit, dass – sollte sich an der Haltung der Balkanländer nichts ändern – in wenigen Tagen bis zu 100.000 Migranten an der Grenze zu Mazedonien festsitzen könnten.

Athen fordert Hilfspaket von Brüssel

Um diese Herausforderung finanziell stemmen zu können, hat die griechische Regierung bei der EU ein Hilfspaket in Höhe von 470 Millionen Euro beantragt. Mit dem Geld sollen 50.000 Menschen in neu errichteten Aufnahmelagern, weitere 50.000 in angemieteten Hotels untergebracht werden. Zusätzlich sollen zusätzliche Polizisten und zivile Mitarbeiter eingestellt werden. Glaubt man den Kommentatoren in den griechischen Zeitungen, sieht die Regierung in Athen ganz klar Brüssel am Zug. Besonders nach dem Treffen Österreichs mit den Balkanstaaten, zu dem Griechenland nicht eingeladen worden war, fühlt sich die Regierung Tsipras bei der Bewältigung des Flüchtlingsstroms alleingelassen.

Mazedonien gibt EU die Schuld

Und auch die mazedonische Politik deutet mit dem Finger gen Europa. Der Präsident des Landes, Djordje Ivanov, hat das Vorgehen seines Landes am Grenzzaun verteidigt. „Wir haben unsere eigenen Entscheidungen getroffen. In Zeiten der Krise muss jedes Land seine eigenen Lösungen finden“, sagte Ivanov Spiegel Online. Wenn sein Land auf EU-Vorgaben gewartet hätte, „wäre Mazedonien mit Flüchtlingen überschwemmt worden“, stellte er klar.

Die Entwicklungen sind ein weiterer Tiefschlag für die besonders von Bundeskanzlerin Merkel favorisierte europäische Lösung der Flüchtlingskrise. Die Uneinigkeit der EU-Staaten sorgt für eine Lähmung, die in Deutschland besonders von der CSU kritisiert wird. Die Vorfälle an der mazedonischen Grenze sind daher ein weiteres Argument für nationale Maßnahmen der einzelnen EU-Staaten.