Junge Leute lieben unter anderem die Landschaft des Landkreises Freyung-Grafenau. (Bild: FDGI)
Demografie

Freyung: Mehr als erwartet

Ist es das "Wir-Gefühl" oder sind es die günstigen Grundstücke? Ein hochwertiger Arbeitsplatz ist für den Umzug aufs Land oft entscheidend. Was das niederbayerische Freyung zu bieten hat, dafür wirbt derzeit das Regionalmanagement des Landkreises.

Michael Miedl studierte in München und arbeitete anschließend in Südafrika. Der 36-jährige Wirtschaftsingenieur hat den Reiz des Großstadtlebens kennengelernt. Aber dann zog es ihn doch wieder zurück in die niederbayerische Heimatregion, den Landkreis Freyung-Grafenau. „Für meine Frau und mich war es wichtig, dass unsere Tochter auf dem Land aufwachsen kann“, sagt er. Voraussetzung für einen Umzug aufs Land war für Miedl allerdings ein passendes Jobangebot. 2012 fand er eine Stelle als kaufmännischer Leiter bei der Thomas Krenn AG in Freyung. Auch der gebürtige Freyunger Martin Wagner lebt seit April 2016 wieder in der Heimat. „Als Geschäftsführer des Kreisjugendrings erfahre ich hier viel Hilfsbereitschaft unter den Leuten. Mir ist wichtig, dass es in der Region nicht so anonym ist“, sagt Wagner.

Familie Tump aus Amsterdam hat sich mit einer Almberghütte in Mitterfirmiansreut ihren Lebenstraum verwirklicht. Begeisterung für den Landkreis Freyung-Grafenau keimte während des Skiurlaubs 2009 auf. „Es ist wirklich ein Zufall, dass wir hier gelandet sind. Warum wir hier bleiben möchten, ist aber die Gemütlichkeit. Es erinnert mich an Amsterdam vor zwanzig Jahren“, erklärt Loesje Tump ihre Entscheidung.

Imagekampagne gegen Landflucht

Miedl, Wagner und Tump gehören zu einer neuen Spezies: junge Menschen, die sich bewusst gegen die Großstadt und für das Leben und Arbeiten auf dem Land entscheiden. Gründe nennen sie viele: die Nähe zu Familie und Freunde, günstige Immobilien, kein Stau zum Arbeitsplatz, Landschaften mit eigenen Klimazonen und einem ganz eigenen Menschenschlag. Trotzdem schrumpft die Einwohnerzahl des Landkreises. „Wir wissen, dass bei uns bis 2035 die Altersgruppe der 18-Jährigen um 20 Prozent abnehmen wird“, sagt Stefan Schuster, Regionalmanager im Freyunger Landratsamt. Denn der Nachwuchs zieht zum Studium in die Großstädte Regensburg, Passau, Deggendorf oder ins 230 Kilometer entfernte München. Das soll sich ändern. Unter dem Hashtag #mehralsduerwartest hat das Regionalmanagement eine bayernweite Imagekampagne gestartet, die nicht nur die Interessen das Landkreises, sondern auch der regionalen Wirtschaft zusammenbringt. „Ich darf Menschen davon überzeugen, dass Leben und Arbeiten in Freyung-Grafenau eine mehr als gute Option ist“, meint Schuster. Er selbst ist gebürtiger Augsburger, in Straubing aufgewachsen, hat über die Stationen München und Passau den Weg in die Region gefunden – und blieb.

Auch Wirtschaftsreferent Ralph Heinrich ist ein gutes Beispiel für die Stimmung, die durch die Kampagne vermittelt werden soll. Der gebürtige Franke konnte sich vor seinem Umzug nach Niederbayern ein Leben im Bayerischen Wald nur sehr schwer vorstellen. Inzwischen haben ihn die Stärken der Region und vor allem auch der Umgang mit den Menschen hier zu einem echten „Waidler“ gemacht: „Wenn ich unterwegs bin, höre ich oft, dass die Menschen in FRG zuverlässig, ehrlich, bodenständig und empathisch sind. Das kann ich nach so vielen Jahren in der Region nur unterstreichen.“ FRG – Nummernschild und Kürzel des Kreises Freyung-Grafenau.

Früher Holz, heute Hochtechnologie

Dabei ist ein hochwertiger Arbeitsplatz eines der wichtigsten Kriterien für die Entscheidung, wo jemand leben möchte. Innerhalb der vergangenen Jahre hat sich in Freyung-Grafenau viel getan.

Aus einer Gegend, die vor allem für Holz, Glas und Stein bekannt war, ist inzwischen ein Standort für Hochtechnologie und andere wichtige Branchen geworden. Ob der Systemlieferant Dittrich & Greipl, das Modehaus Garhammer, Wagner Metalltechnik oder die Waidla Landhotels – 16 Firmen präsentieren sich im Rahmen der Kampagne im Netz unter „mehralsduerwartest.de“ und veröffentlichen dort ihre Stellenanzeigen. Bewerber können derzeit zwischen 120 Einträgen wählen.

Blick in den Landkreis per VR-Brille

Das Netzwerk mit aufgebaut hat Christoph Fritz, Geschäftsführer der Werbeagentur „Freunde der guten Idee“. Er steht mit dem Telefon am Ohr neben seinem Schreibtisch und blickt aus dem Fenster. „Wenn ich aus meinem Büro in der Altstadt von Freyung blicke, sehe ich den Technologie-Campus, die Volksmusikakademie, das Bundeswehrgelände, die Brauerei Lang Bräu, den Hausberg Lusen und ich kann sogar mein neu gebautes Haus sehen – das ist für mich Lebensqualität“, sagt der 29-Jährige. Vor sieben Jahren machte sich der gebürtige Freyunger mit einer Werbeagentur selbstständig. Jetzt leitet er die bayernweite Imagekampagne #mehralsduerwartest.

„Mein Team und ich stecken unser ganzes Herzblut in den Job und werben voller Überzeugung mit den Vorteilen unserer Region“, sagt er. Nicht nur im Netz und per Infobroschüre, sondern auch im direkten Gespräch. Dazu fährt Fritz in die Städte, zieht seine Baseballkappe mit der Aufschrift „Made in FRG“ an und spricht Interessierte an, eine Einladung zu einem kostenlosen Kennenlern-Wochenende in Freyung inklusive. Rund 150 Gespräche führten Fritz und sein Team am vergangenen Wochenende in München. „Etwa die Hälfte der Menschen, mit denen wir geredet haben, waren dankbar für unsere Angebote und Infos. Die andere Hälfte war zumindest neugierig, einen Blick in den Landkreis zu werfen“, sagt Fritz. Das klappte sogar im wahrsten Sinne des Wortes. Per VR-Brille zeigte Fritz ihnen ein dreiminütiges 360Grad-Video von einem beispielhaften Tag in Freyung-Grafenau.

Ländlicher Raum wird attraktiver

Dass der ländliche Raum in Bayern immer mehr an Attraktivität gewinnt, beweist auch der aktuelle Heimatbericht über die Bevölkerungsentwicklung in Bayern. Das vierte Jahr in Folge steigt die Zahl der Geburten und nur noch in sieben der 96 Landkreise und kreisfreien Städte in Bayern ist die Bevölkerungszahl weiter rückläufig. Demnach konnte der Rückgang im Landkreis Freyung-Grafenau zwar gestoppt werden. Allerdings verzeichnet der Landkreis mit 0,25 Prozent das geringste Wachstum in Niederbayern. Fritz will mit seiner Kampagne dazu beitragen, dass sich das ändert. „Wir haben bei uns coole Geschichten, coole Arbeitgeber und wenn immer mehr junge Leute in den Bayerischen Wald ziehen, löst das eine Kettenreaktion aus“, schätzt Fritz. Beispiele von glücklichen Heimkehrern und zufriedenen Zugezogenen gibt es bereits einige.

Unterwegs in Oberfranken

Junge Leute, die ihre Heimat einst verlassen haben, kommen gerne zurück – im Gepäck haben sie oft erste Berufserfahrungen. Aber die Bedingungen müssen passen, damit Oberfranken die Trendwende beim demografischen Wandel wirklich schafft. Der BAYERNKURIER hat auf einer Reise durch Oberfranken verschiedene Akteure getroffen. Sie begreifen den demographischen Wandel sogar als Chance. Lesen Sie hier mehr dazu: Willkommen zurück!