Kinderkrippe im Mehrgenerationenhaus in Kronach. (Bild: BRK Kronach)
Demographie

Willkommen zurück!

Junge Leute, die ihre Heimat einst verlassen haben, kommen gerne zurück – im Gepäck haben sie oft erste Berufserfahrungen. Aber die Bedingungen müssen passen, damit Oberfranken die Trendwende beim demografischen Wandel wirklich schafft.

Marietta Petschauer spielte als Kind im nahen Wald, malte ungestört mit Kreide auf der Straße ihrer Heimatstadt Wunsiedel im Fichtelgebirge – bis sie in die Welt hinauszog. Über Bamberg, Heidelberg und Amerika führte ihr Weg sie nach München. Doch nach sieben Jahren in der Landeshauptstadt plagte sie das Heimweh. Die freie Stelle in der Verwaltung einer Jugendhilfeeinrichtung brachte die 35-Jährige schließlich zurück nach Wunsiedel. „Ich habe bis heute keine Sekunde bereut, dass ich von München weggegangen bin. Hier habe ich meine Freunde und vor allem die Nähe zu meiner Familie ist mir wichtig“, sagt sie.

Ich habe bis heute keine Sekunde bereut, dass ich von München weggegangen bin.

Marietta Petschauer, Heimkehrerin

Das soziale Umfeld und die geringeren Lebenshaltungskosten sind für immer mehr Leute Gründe, in ländliche Regionen zu ziehen. So nahm die Bevölkerung in Oberfranken zum ersten Mal seit 2001 wieder zu, laut aktuellem Heimatbericht. Doch für die kommenden 20 Jahre sagen Experten für den Regierungsbezirk einen Bevölkerungsrückgang von fünf Prozent voraus. Vor allem an der jungen Generation wird es fehlen. Im Landkreis Kronach leben 2035 laut Prognosen voraussichtlich 42 Prozent weniger Jugendliche.

Individuelle Betreuung statt Vermittlung

Einer derer, die aber auch Chancen im demographischen Wandel sehen, ist Roland Beierwaltes. Die Herausforderung hat aus dem Kreisgeschäftsführer des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) in Kronach einen Netzwerker gemacht.

Seit sechs Jahren knüpft er Kontakte zwischen Rückkehrern, Daheimgebliebenen und Unternehmern verschiedener Branchen. 20 Partner gehören inzwischen dazu, von der Sparkasse, dem Industriebetrieb bis zur Universität oder Pflegeeinrichtung. Entscheidend sei dabei nicht die Anzahl, sondern Mix und Größe der Betriebe für ein breites Angebot, sagt Beierwaltes. „Wir verstehen unser Netzwerk als ganzheitliches betriebliches Gesundheits- und Familienmanagement. Damit nehmen wir die Last von den Schultern, die Mitarbeiter aus der Familie mit in das Unternehmen bringen“, sagt er. Mit der „Last“ meint Beierwaltes die Schwierigkeit, Familie und Beruf zu vereinbaren.

Der Oberfranke setzt dabei auf individuelle Betreuung. Mitglieder des Netzwerkes erhalten dazu die sogenannte LQG-Karte (Lebensqualität für Generationen) für ihre Mitarbeiter. Auf der Karte steht die Telefonnummer von Antje Angles. Sie ist als Koordinatorin für das Betreuungsmanagement verantwortlich. Wer auf Jobsuche ist, dringend einen Platz in einem Seniorenheim benötigt oder kurzfristig jemanden braucht, der auf das erkrankte Kind aufpasst, ruft bei ihr an. Angles gibt nicht nur Kontakte weiter, sondern kümmert sich selbst darum, eine Lösung zu finden. Im vergangenen Jahr erreichten sie über 600 Anfragen.

Rückkehrer vernetzen

Der BRK-Chef sieht sich zudem in der Rolle des Rückholers. Denn er hat vor allem diejenigen im Blick, die ihre Wurzeln in Oberfranken haben, doch nach der Schule weggezogen sind.

Um sie und Unternehmer zusammenzubringen, veranstaltet der Landkreis Kronach zweimal im Jahr Reunion-Partys. Eine kurz vor Weihnachten und eine im Sommer zum Schützenfest, wenn viele junge Leute in der Heimat ihre Familien besuchen. Rund 800 Interessierte kamen beim letzten Mal und tauschten sich nicht nur mit alten Schulfreunden, sondern auch mit potentiellen Arbeitgebern aus.

Allein mit Job- und Familienmanagement gibt sich Beierwaltes nicht zufrieden. „Wenn wir attraktiv sein wollen, muss auch das Thema Schule, Gesundheitsversorgung, Kultur und Wohnen funktionieren“, sagt er. Er baut dabei auf die Zusammenarbeit mit den Kommunen und die Angebote des Mehrgenerationenhauses in Kronach.

Blick nach Lichtenfels

Kronach ist aber nicht der einzige Landkreis, in dem Initiatoren im demographischen Wandel Perspektiven sehen. In Bayerns bevölkerungsärmsten Landkreis Lichtenfels mit knapp 66.700 Einwohnern stellt Landrat Christian Meißner (CSU) die Weichen.

Er selbst lebte 13 Jahre in München und kehrte dann in die Heimat zurück. „Es gibt nicht den ganz großen Wurf, sondern viele einzelne Schritte. Aber ich kann sagen: Das Lebensgefühl hier stimmt“, sagt Meißner. Damit das so bleibt, will Meißner in verschiedene Projekte investieren: Feste Fahrpläne mit Rufbussen, den Berg Kordigast zum Ausflugsziel machen, eine Geoportal-App entwickeln.

Es gibt nicht den ganz großen Wurf, sondern viele einzelne Schritte.

Christian Meißner, Landrat in Lichtenfels

Der Ausbau der Infrastruktur steht an erster Stelle. In den kommenden Jahren werden hunderte neue Fachkräfte in der Region erwartet. So investiert das Unternehmen Concept Laser 100 Millionen Euro in einen 3D-Campus am Standort Lichtenfels – die Mitarbeiterzahl wird in den kommenden Jahren von derzeit 300 auf circa 800 wachsen. Aber auch andere Firmen wie Automotive werben um neue Mitarbeiter. „Die große Herausforderung ist, es Fachkräften schmackhaft zu machen, nach Lichtenfels zu ziehen“, sagt Meißner. Es muss also nicht nur die Infrastruktur, allen voran Betreuungsangebote, ausgebaut werden. Es stellt sich auch die Frage, wie die Zuzügler leben möchten. „Wir fragen derzeit ab, ob sie komfortable Wohnungen oder Häuser bevorzugen, denn wir müssen jetzt beginnen, Baugebiete auszuweisen“, sagt der Landrat. Als einen entscheidenden Vorteil nennt Meißner die vergleichsweise geringen Kosten fürs Wohnen. So liegt der Grundstückspreis in Lichtenfels derzeit bei rund 70 Euro pro Quadratmeter, während er im benachbarten Bamberg bei 370 Euro und in München bei 1680 Euro liegt.

Rahmenbedingungen sind das eine, Gefühl das andere. „Meine Kindheit war schon ein Traum, es ist einfach schön hier. Viele meiner Freunde, die nach München gezogen sind, überlegen irgendwann zurück zu kommen, wenn sich in Sachen Job etwas ergibt“, sagt Rückkehrerin Marietta Petschauer. Wer weiß: vielleicht kann Antje Angles erfolgreich vermitteln.

(Mitarbeit: Heike Hampel)