Welthandel im Sinne der Europäer
TTIP-Vorentscheidung des Europäischen Parlaments: Das Schiedsgerichtsystem wird reformiert, in der kommunalen Daseinsvorsorge ist Zwang zur Privatisierung ausgeschlossen. EU-Parlamentarier Markus Ferber (CSU): „Wir haben unsere roten Linien festgelegt, die in den Verhandlungen beachtet werden müssen.“
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Welthandel im Sinne der Europäer

TTIP-Vorentscheidung des Europäischen Parlaments: Das Schiedsgerichtsystem wird reformiert, in der kommunalen Daseinsvorsorge ist Zwang zur Privatisierung ausgeschlossen. EU-Parlamentarier Markus Ferber (CSU): „Wir haben unsere roten Linien festgelegt, die in den Verhandlungen beachtet werden müssen.“

Das Thema Schiedsgerichte war eines der größten Hindernisse auf dem Weg zum transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP. Der Handelsausschuss des Europäischen Parlaments dürfte es nun bewältigt haben. Denn die EU-Parlamentarier votierten am gestrigen Donnerstag für ein neues System zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Unternehmen und Staaten aus. Der Handelsausschuss stimmte damit einem ausgewogenen Investorenschutz zu, auf der Basis jüngster Vorschläge der EU-Kommission.

EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström hatte kürzlich ein Papier vorgelegt, das im Wesentlichen vier europäische Forderungen fixiert: Im Schiedsgerichtssystem soll es künftig eine Berufungsinstanz geben, was bislang nicht vorgesehen war. Die Schiedsgerichtsverfahren sollen zudem wesentlich mehr Transparenz erhalten. Die Kommission fordert außerdem, dass die Schiedsrichter eine bestimmte Qualifikation wie etwa ein nationales Richteramt oder ähnliches vorweisen können. Die Schiedsrichter sollen dann von Listen, die die beteiligten Staaten aufstellen, ausgewählt oder gar ausgelost werden. Langfristig zielt die EU-Kommission schließlich darauf, einen multilateralen Schiedsgerichtshof für Investor-Staat-Streitigkeiten zu etablieren.

Schiedsverfahren: Für europäische und deutsche Firmen steht viel auf dem Spiel

Die Sache ist wichtig, besonders für Deutschland, wie Zahlen der Neuen Zürcher Zeitung belegen. Im Jahr 2011 hatten deutsche Firmen über 1,1 Billionen Euro im Ausland investiert, 22 Prozent davon in den USA. Solche Investitionen müssen geschützt werden. Die EU-Staaten haben denn auch mit anderen Ländern nicht weniger als 1228 Investitionsschutzverträge abgeschlossen, die in aller Regel Schiedsgerichte vorsehen. Die Exportnation Deutschland hat 139 solcher Verträge unterzeichnet. Aufschlussreich sind auch diese NZZ-Zahlen: „Von weltweit 514 Schiedsverfahren zur Schlichtung von Streitigkeiten stammten 244 Klagen – also fast die Hälfte – von EU-Firmen.“ Soll heißen: Für europäische und vor allem deutsche Firmen  steht viel auf dem Spiel.

TTIP wäre ohne Investorenschutz nur ein zahnloser Tiger

Markus Ferber

Ohne Investorenschutz stünde der Freihandel nur auf dem Papier. „TTIP wäre ohne Investorenschutz nur ein zahnloser Tiger“, warnt denn auch der Europaabgeordnete und Vorsitzende der CSU Schwaben Markus Ferber: „Investitionsschutzabkommen haben sich in der Vergangenheit bewährt, aber wir fordern eine Modernisierung.“ Die werden EU-Kommission und Europaparlament jetzt in das TTIP-Abkommen einbringen. Im Juni muss noch das Parlamentsplenum das Votum des Ausschusses bestätigen. Ferber: „Wir haben unsere roten Linien festgelegt, die in den Verhandlungen beachtet werden müssen.“

Markus Ferber

Markus Ferber: „Unsere roten Linien müssen beachtet werden.“

Ausgeschlossen bleiben von den TTIP-Verhandlungen soll nach dem Votum des Parlamentsausschusses auch das ebenfalls heikle Thema Daseinsvorsorge. Gemeinden und Kommunen werden auch künftig frei entscheiden können, Rekommunalisierung ist weiterhin möglich. „Wer also weiterhin behauptet, mit TTIP wird es einen Zwang zur Privatisierung geben, sagt die Unwahrheit“, betont Ferber: „Mit dem Ausschuss-Votum nehmen wir all denen, die einen Stopp der Verhandlungen fordern, deutlich den Wind aus den Segeln.“

Die größte Freihandelszone der Welt kann Umwelt- und Sozialstandards durchsetzen

Bei TTIP geht es eben nicht darum, europäische Standards zu verwässern, sondern ihnen weltweite Geltung zu verschaffen, betonen Ferber und etwa SPD-Wirtschaftsminister Siegmar Gabriel immer wieder. Die Zahlen geben ihnen recht: Mit TTIP entstünde ein 800 Millionen Verbraucher großer Wirtschaftsraum. Die europäisch-nordamerikanische Freihandelszone wäre die größte der Welt und würde rund ein Drittel des globalen Güter- und Dienstleistungsaustausches abwickeln. Als die beiden im Welthandel dominanten Regionen hätten EU und USA die Möglichkeit Regeln, Normen und Standards in ihrem Sinne festzulegen. „Eine Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen der EU und den USA ist eine einmalige Chance“, kommentiert denn auch die Neue Zürcher Zeitung. Im Handels-Wettbewerb mit aufstrebenden Mächten wie etwa China oder Indien brauchen die EU und die USA einander, um Akzente setzen zu können, „gerade wenn es um Umwelt- oder Sozialstandards geht“, argumentiert auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung.  TTIP, heißt das, kann die Zukunft des Welthandels bestimmen – im Sinne der Europäer.

Profiteur Deutschland

Einer der größten Profiteure wäre die Exportnation Deutschland: Zwischen Ostsee und Alpen hängt jeder vierte Arbeitsplatz vom Export ab. Nicht nur für die Großkonzerne, sondern für die große Zahl mittelständischer deutscher Weltmarktführer, von denen oft als „hidden champions“ die Rede ist, würde der Markt größer und der Export leichter und billiger. Das Münchner Institut für Wirtschaftsforschung Ifo erwartet sich von TTIP ein Wachstum des globalen Pro-Kopf-Einkommens um etwa 3,3 Prozent. Das ist verheißungsvoll für Europa. Denn wenn es etwas gibt, wovon gerade jetzt alle hochverschuldeten Euro-Krisen-Länder träumen, dann ist das: Wachstum.