Bayerns Finanzminister Markus Söder will die Bürger entlasten. (Foto: Astrid Schmidhuber/imago)
Finanzpolitik

Mehr Geld für die Bürger oder für den Staat?

Die Steuerpolitik könnte eines der zentralen Themen im Bundestagswahlkampf werden. CSU und CDU wollen in der kommenden Legislaturperiode die Bürger entlasten - auch um die Folgen der Niedrigzinspolitik für Sparer zu bekämpfen. SPD und Grüne planen wie bereits 2013 massive Steuererhöhungen.

Noch brüten die Parteistrategen über den Plänen und Programmen, mit denen sie im kommenden Jahr den Bundestagswahlkampf bestreiten wollen. So wollen CSU und CDU auf einer Strategie-Klausur Ende Juni gemeinsame Inhalte definieren. Ein Thema zeichnet sich allerdings bereits jetzt ab. Ähnlich wie im Wahljahr 2013 dürfte die Steuerpolitik eines der zentralen Felder der politischen Auseinandersetzung werden. Nach einem Bericht der Bild-Zeitung überlegt die CDU, Steuersenkungen zu einem ihrer Wahlkampfschwerpunkte zu machen. SPD und Grüne wollen dagegen kräftig an der Steuerschraube drehen.

Prüfen wolle die CDU unter anderem eine Kürzung des Solidaritätszuschlags und eine Senkung der Steuertarife, schreibt Bild. „Die Union tritt für steuerliche Entlastung kleinerer und mittlerer Einkommen ein. Wir wollen weitere Schritte beim Abbau der kalten Progression und der steuerlichen Entlastung von Familien gehen“, sagte der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Eckhard Rehberg.

Schäuble für Entlastungen nach 2017

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat sich ebenfalls für Steuerentlastungen nach 2017 ausgesprochen. Natürlich könne in den nächsten Jahren der Spielraum genutzt werden, um etwa die zu hohe Besteuerung insbesondere der mittleren Einkommen zusammen mit den Sozialabgaben zu senken. Das sagte Schäuble am Rande des G7-Finanzministertreffens im japanischen Sendai. International werde oft die relativ hohe Steuerrate in Deutschland kritisiert. „Das kann man korrigieren. Wir haben ja den Spielraum für die nächsten Jahre“, so Schäuble weiter. „Das sollten wir auch tun, um die gute Lage, die wir jetzt am Arbeitsmarkt haben, auch dauerhaft zu sichern.“

Auch der Chef der Mittelstandsvereinigung der Union (MIT), Carsten Linnemann, fordert Steuersenkungen in der kommenden Legislaturperiode. „Eine Steuerentlastung muss eines der zentralen Themen sein“, sagte der MIT-Vorsitzende der Nachrichtenagentur Reuters. Er kündigte ein eigenes Steuerkonzept an und verlangte eine dreifache Entlastung. „Zum einen soll der Spitzensteuersatz künftig erst später greifen“, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete und verwies darauf, dass derzeit bereits Einkommen ab 53.600 Euro jährlich betroffen seien. Zudem forderte er eine steuerliche Entlastung der Mittelschicht. Drittens müsse die Kalte Progression alle zwei Jahre überprüft werden. Darunter verstehen Fachleute eine Art schleichende Steuererhöhung, die eintritt, wenn Arbeitnehmer bei Lohnerhöhungen automatisch in einen höheren Steuersatz rutschen und womöglich mehr Steuern zahlen, obwohl die Lohnerhöhung von der allgemeinen Inflation aufgezehrt wird.

Steuereinahmen steigen stetig

Die Debatte über eine finanzielle Entlastung der Bürger erhält derzeit Auftrieb durch die stark gestiegenen Steuereinnahmen. Im April nahmen Bund, Länder und Kommunen 6,6 Prozent mehr Steuern ein als im Vorjahresmonat. Das geht aus dem Monatsbericht des Bundesfinanzministeriums hervor. Der Bund allein kassierte in den ersten vier Monaten rund 100 Milliarden Euro an Steuern – das ist ein Plus gegenüber dem Vorjahreszeitraum von 11,1 Prozent. Der Staat kann laut der Steuerschätzung auch in den nächsten Jahren mit höheren Einnahmen planen.

CSU arbeitet an eigenem Konzept

Bereits vor einigen Wochen hat die CSU ein Konzept zur steuerlichen Entlastung der Bürger angekündigt. Er habe von Parteichef und Ministerpräsident Horst Seehofer den Auftrag dazu bekommen, sagte Bayerns Finanzminister Markus Söder. Er kündigte einen „grundlegenderen Entwurf“ noch vor der Sommerpause an, der den „Steuerstillstand“ beenden solle. Bayerns Ministerpräsident Seehofer hatte die Steuerpolitik als eines der Felder definiert, die sein Kabinett im Rahmen einer „Themenoffensive“ für die zweite Hälfte der Legislaturperiode bearbeiten soll.

Es geht darum, den Bürgern etwas zurückzugeben.

Markus Söder

Die CSU sieht Handlungsbedarf, weil der Bund angesichts der eigenen Schuldenlast von den seit langem niedrigen Zinsen profitiere – während Sparer mit niedrigen und mittleren Einkommen darunter litten. „Es geht darum, den Bürgern etwas zurückzugeben“, sagte Söder. Es gehe also nicht um „Steuergeschenke“, betonte er, sondern um einen Ausgleich für Verluste der Bürger. Wie die Politik auf die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank und deren Folgen für Spargutheben und Altersversorgung reagieren kann, zählt ebenfalls zu den von Seehofer angestoßenen Themen.

Derjenige, der den Betrieb fortführt, macht etwas Sinnvolles. Wenn Arbeitsplätze erhalten werden, dann muss dies steuerfrei sein.

Horst Seehofer

Auch bei der derzeit debattierten Neugestaltung der Erbschaftssteuer dringt die CSU auf Entlastungen. Partei-Chef-Seehofer: „Die vorliegenden Pläne sind im Kern die Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Dem können wir nicht zustimmen. Das ist nicht unsere Politik.“ Zwei Punkte seien ihm bei der Erbschaftssteuer besonders wichtig. Zum einen dürfe der Staat bei vererbtem, selbstgenutzten Wohneigentum keine Steuer erheben. Zum anderen sollen Firmeninhaber, die bei einem vererbten Betrieb die Arbeitsplätze erhalten, steuerlich nicht belangt werden: „Denn derjenige, der den Betrieb fortführt, macht etwas Sinnvolles. Wenn Arbeitsplätze erhalten werden, dann muss dies steuerfrei sein.“

Grüne planen massive Erhöhungen

Ganz anders positionieren sich die Grünen. Sie untermauern erneut ihren Ruf als Deutschlands Umverteiler Nummer eins. Wie schon im Wahlkampf 2013 wollen sie die Steuern deutlich erhöhen. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, hat jetzt gefordert, eine Vermögenssteuer einzuführen. Hofreiter schlägt vor, Privatvermögen ab einer Million Euro und Betriebsvermögen ab fünf Millionen Euro mit einem Prozent jährlich zu besteuern. Er erhofft sich davon zusätzliche Einnahmen bis zu 15 Milliarden Euro. Ähnliche Pläne verfolgt die grüne Parteivorsitzende Simone Peter. Sie erklärte vor wenigen Tagen: „Klar ist: Vermögensbesteuerung wird in der einen oder anderen Form in unserem Wahlprogramm vorkommen.“ Peter sagte zudem, sie könne sich „eine stärkere Differenzierung des Spitzensteuersatzes vorstellen, im Sinne einer Reichenbesteuerung“. Auch der schleswig-holsteinische Energieminister Robert Habeck, der sich um die Spitzenkandidatur der Grünen für die Bundestagswahl bewirbt, plädiert für Steuererhöhungen. „Sehr hohe Vermögen sollten einen fairen Anteil an den Staatsfinanzen haben“, so Habeck.

Die Pläne der Grünen erinnern stark an das Wahlprogramm der Partei aus dem Jahr 2013. Damals waren die Grünen mit einer wahren Steuererhöhungs-Orgie angetreten. Sie wollten die Einkommensteuer von 45 auf 49 Prozent anheben, die Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge von 25 Prozent abschaffen, eine Vermögensabgabe einführen, das Aufkommen aus der Erbschaftsteuer verdoppeln, Mehrwertsteuerermäßigungen streichen und die Gewerbesteuer (siehe Beitrag hier) ausweiten. Zudem sollte ein höherer Spitzensteuersatz bereits ab einem Jahreseinkommen von 60.000 Euro greifen.

SPD will bei Erbschaften und Schenkungen kassieren

Die SPD verfolgte damals übrigens ganz ähnliche Pläne. Bis weit hinein in die Mittelschicht wollten auch die Sozialdemokraten die Steuerlast steigern. Ein Programm, das die SPD wohl auch 2017 wieder aufleben lassen dürfte. Schließlich will sie sich in Sachen „Umverteilung“ nicht von den Grünen abhängen lassen: „Wir werden ganz sicherlich in verteilungspolitischen Fragen den Konflikt mit der Union suchen“, kündigte der stellvertretende SPD-Parteichef Thorsten Schäfer-Gümbel an. Dazu passend verständigten sich jüngst die SPD-Fraktionen aus Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein auf Eckpunkte für den Wahlkampf. Demnach soll die Vermögenssteuer wieder eingeführt werden. Auch Einkünfte aus Vermögen, zum Beispiel Zinsen und Dividenden, sollen wie normales Einkommen versteuert werden. Doch die SPD-Pläne gehen noch weiter: Auch bei Erbschaften und Schenkungen wollen die Sozialdemokraten deutlich stärker abkassieren. Hier soll künftig ebenfalls der Einkommenssteuer-Tarif gelten. Und der reicht derzeit bis 45 Prozent.

Für die Bürger hat das Steuerthema einen Vorteil: Zumindest in dieser Frage haben sie im kommenden Jahr eine eindeutige Wahl.