Vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt: "Wir müssen die vergleichsweise günstige Hebesatzsituation in Bayern als Standortvorteil unbedingt wahren." (Bild: Anja Schuchardt)
vbw-Studie: Gewerbesteuer

Weniger ist mehr – jedenfalls bei der Gewerbesteuer

Kommunen, die leichtfertig an der Gewerbesteuerschraube drehen, gewinnen nicht, sondern verlieren. Das ist das Ergebnis einer deutschlandweiten Analyse der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. Dank kluger Politik stehen Bayerns Kommunen gut da: Mit niedrigen Hebesätzen haben sie in den vergangenen fünfzehn Jahren ihr Steueraufkommen mehr als verdoppelt. Dabei muss es bleiben.

Weniger kann mehr sein. Linkspolitiker hören es nicht gerne, aber die Devise gilt besonders für Finanzminister: Wer die Steuerschraube über Gebühr anzieht, der läuft Gefahr, beim Steueraufkommen nicht zuzulegen, sondern zu verlieren. Besonders deutlich gilt die eben nur auf den ersten Blick paradoxe Regel auf der untersten staatlichen Ebene, der lokalen, für die Gewerbesteuer. Die Gewerbesteuer ist ein entscheidender Standortfaktor. Denn anders als normale Steuerpflichtige können sich Unternehmen einer Gewerbesteuer, die ihnen zu hoch ist, entziehen – durch Umzug oder indem sie sich gar nicht erst ansiedeln. Den Schaden hat dann die Kommune. Sie gewinnt nicht an Steueraufkommen, sondern sie verliert. Und wenn ein Unternehmen sich wegen zu hoher Gewerbesteuer für die Ansiedlung im benachbarten Ausland entscheidet, was unter den Bedingungen des gemeinsamen EU-Marktes leicht passieren kann, dann hat den Schaden das ganze Land.

Positiv-Beispiel Bayern

Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V. (vbw) hat jetzt für die letzten 15 Jahre die Entwicklung der Gewerbesteuern und des Gewerbesteueraufkommens in Deutschland und in Bayern untersucht – und dabei die fiskalische Lebensregel des „weniger ist mehr“ klar bestätigt gefunden: Bundesländer, deren Kommunen eine maßvolle Gewerbesteuerpolitik betreiben, legen beim Steueraufkommen überdurchschnittlich zu. Bundesländer, deren Kommunen ihren Unternehmen hohe Gewerbesteuerhebesätze auferlegen, legen nicht nur beim Steueraufkommen wenig zu, sondern versinken gleichzeitig immer tiefer im Schuldenmorast.

Prognose für Bayerns Kommunen, wenn sie bei ihrer klugen Gewerbesteuerpolitik bleiben: Sie werden weiter gewinnen − an Standortattraktivität und beim Gewerbesteueraufkommen.

Für ganz Deutschland ist seit 2003 das Gewerbesteueraufkommen um 90 Prozent von 24 auf 46 Milliarden Euro gestiegen. Für Bayern fiel die Steigerung noch besser aus: Mit einer Steigerung von 3,9 auf 8,8 Milliarden Euro hat sich das Gewerbesteueraufkommen bayerischer Kommunen mehr als verdoppelt. Obwohl, und hier wird es spannend, Bayerns Kommunen mit einem durchschnittlichen Gewerbesteuerhebesatz von 377 Punkten bundesweit im unteren günstigen Bereich liegen und in den vergangenen 15 Jahren auch kaum zugelegt haben. Prognose für Bayerns Kommunen, wenn sie bei ihrer klugen Politik bleiben: Sie werden weiter gewinnen – an Standortattraktivität und beim Gewerbesteueraufkommen.

Negativ-Beispiel Nordrhein-Westfalen

Ganz anders das hochverschuldete Nordrhein-Westfalen: Das Gewerbesteueraufkommen seiner Kommunen ist seit 2000 nur um etwa 50 Prozent gestiegen – obwohl die NRW-Städte unter den deutschen Flächenländern mit einem durchschnittlichen Hebesatz von 446 Punkten ihre Unternehmen am höchsten besteuern und seit 2001 den Gewerbesteuersatz auch am sichtbarsten erhöht haben.

Die Kommunen im Hochsteuer-Bundesland NRW sind auch besonders hoch verschuldet.

Mehr ist weniger – jedenfalls wenn es um den Zusammenhang zwischen Gewerbesteuersatz und Steueraufkommen etwa in NRW geht. Erschreckend deutlich wird das auf einer vbw-Grafik, die deutschlandweit Gewerbesteuersätze und Schuldenstände sichtbar macht. Der Dreh an der Steuerschraube bessert die Haushaltslage nicht – im Gegenteil: Die Kommunen im Hochsteuer-Bundesland NRW sind auch besonders hoch verschuldet. Das ist die Folge einer Abwärtsspirale: Um ihre Haushaltslage zu verbessern, schrauben verschuldete Kommunen die Gewerbesteuern in die Höhe, verlieren dadurch erst an Standortattraktivität und dann an Steueraufkommen – und fühlen sich dann gezwungen gleich wieder an der Steuerschraube zu drehen. Prognose für Nordrhein-Westfalen, wenn seine Bürgermeister und Wähler nicht klüger werden: Die NRW-Kommunen werden weiter verlieren − an Standortattraktivität und beim Wachstum des Gewerbesteueraufkommens.

Kommunaler Dreh an der Steuerschraube: wenig zu gewinnen, viel zu verlieren

Der Dreh an der Gewerbesteuerschraube ist doppelt törichte Politik. Denn die Gewerbesteuern machen im Schnitt der bundesdeutschen Flächenländer zwar gut 40 Prozent des kommunalen Steueraufkommens aus – aber nur gut neun Prozent der kommunalen Einnahmen. Das meiste Geld der Kommunen kommt von Bund und Ländern. Viel ist mit dem Dreh an der Gewerbesteuerschraube also nicht einmal theoretisch zu gewinnen. Trotzdem ist die Versuchung groß: Denn die Gewerbesteuer ist halt eine der wenigen Steuerschrauben, an denen ein Bürgermeister überhaupt drehen kann.

Soviel zum linken Hass auf Großkonzerne: Gerade mal 0,8 Prozent der Unternehmen zahlen über 70 Prozent des gesamten Gewerbesteueraufkommens in ganz Deutschland.

Es gibt nicht viel zu gewinnen, aber umso mehr zu verlieren: Denn gerade mal 0,8 Prozent der Unternehmen zahlen über 70 Prozent des gesamten Gewerbesteueraufkommens in ganz Deutschland – soviel zum linken Hass auf „die Großkonzerne“. 62 Prozent der Unternehmen sind zu klein, um überhaupt Gewerbesteuern zu zahlen. Die Gewerbesteuern betreffen also vor allem Großbetriebe oder Tochterunternehmen ausländischer Konzerne, die für ihre Standorte eben besonders wichtig sind. Umgekehrt sind für genau solche Unternehmen die Gewerbesteuern sehr bedeutsame Standortfaktoren. Vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt: „Eine Hochsteuerpolitik in der Gewerbesteuer ist unvernünftig und wirft uns im internationalen Steuerwettbewerb zurück.“

München leistet sich den höchsten Hebesatz in ganz Süddeutschland

Bayern steht, was den Standortfaktor Gewerbesteuer angeht, gut da. Aber auch im Freistaat ist nicht alles eitel Sonnenschein. Der bundesweite Trend zu immer höheren Hebesätzen zeigt sich auch in einzelnen bayerischen Kommunen. Als auffälliges Beispiel nennt der vbw etwa Augsburg, das seinen Hebesatz von 435 auf 470 erhöhte – einer der höchsten Hebesätze in Süddeutschland. Augsburg liegt damit gleichauf mit dem Durchschnitt des Stadtstaats Hamburg und überraschend nah an der Landeshauptstadt München, die ihrerseits mit einem Hebesatz von 490 weit über dem Stuttgarter Satz von 420 liegt. Ist Augsburg tatsächlich ein genauso attraktiver Standort wie Hamburg und soviel attraktiver als Stuttgart, dass es sich das leisten kann? Vielleicht, die Schwaben-Metropole hat ihre unbestreitbaren Reize. Aber mit Blick auf den gesamten Standort Bayern ist der Trend, den der vbw auch im Freistaat wahrnimmt, bedenklich. Brossardt: „Wir müssen die vergleichsweise günstige Hebesatzsituation in Bayern als Standortvorteil unbedingt wahren. Denn der Vergleichsmaßstab der Unternehmen im Freistaat ist nicht der deutsche Schnitt oder ein anderes Land in Deutschland: Er ist international. Und hier werden wir nur mit günstigen Hebesätzen als attraktiv wahrgenommen.”

Am erfolgreichsten sind die Kommunen, die ihren Hebesatz gesenkt oder zumindest nicht geändert haben. Dort haben sich die Einnahmen am besten entwickelt.

vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt

Skeptisch macht auch der nähere Blick der vbw auf 2056 Kommunen in Bayern und deren Hebesatzentwicklung von 2003 bis 2014: 90 dieser Kommunen haben den Hebesatz gesenkt, 1169 haben ihn unverändert gelassen, 797 haben ihn angehoben. Brossardts Zusammenfassung der vbw-Analyse: „Am erfolgreichsten sind die Kommunen, die ihren Hebesatz gesenkt oder zumindest nicht geändert haben. Dort haben sich die Einnahmen am besten entwickelt.“

Dringende vbw-Empfehlung: Hebesatzpolitik mit Maß und Verstand

Als Schlussfolgerung aus ihrem scharfen Blick auf Bayerns Gewerbesteuersituation rät die vbw dringend zu einer „Hebesatzpolitik mit Maß und Verstand“. Ein Erfolgsrezept ist laut vbw eine „strategische Verständigung zwischen Kommune und ansässigen Unternehmen über lokale und regionale Gewerbestrategien“. Sehr kleine Kommunen, rät die vbw, sollen ihre Standortqualitäten „gemeinsam auf das erforderliche Niveau weiterentwickeln“ – etwa in „freiwilligen Gewerbesteuer-Verbünden“. Nachdrücklich wird Brossardt bei einem anderen Punkt: Gewerbesteuern auf Finanzierungskosten für Unternehmen, die sich ansiedeln wollen – also Kreditzinsen, Mieten, Pachten, Leasing- und Lizenzgebühren – sollten „ersatzlos abgeschafft werden“.

Denn eines ist klar: Bis gute Steuerpolitik auf das Steueraufkommen durchschlägt, vergeht Zeit. Gefragt ist ein langer Atem.

Bertram Brossardt

Ein vbw-Wunsch an Kommunen und Bürgermeister: Sie sollen ihre „kommunale Wirtschaftsfreundlichkeit strategisch entwickeln“ und den Zusammenhang zwischen Gewerbesteuern und Standortattraktivität stets bedenken. Was offenbar nicht alle Bürgermeister tun, wie eine deutschlandweite Städte-Umfrage des Berliner Instituts für Finanzen und Steuern ans Licht brachte: Entscheidendes Motiv für kommunale Steuererhöhungen ist praktisch ausschließlich eine schlechte Haushaltslage. Die Wirkung auf die Standortattraktivität und die langfristigen wirtschaftlichen Folgen werden dagegen selten erwogen. Die Gewerbesteuer bleibt für viele Kommunen „ein unterschätzter Standortfaktor”, so Brossardt: „Möglicherweise hängt diese Sichtweise mit dem Denken in Wahlperioden zusammen.“ Problem: Unternehmen denken und planen eben in ganz anderen, viel längeren Zeiträumen. Das müssen darum auch Bürgermeister tun, wenn sie den Erfolg ihrer Kommunen im Blick haben wollen, rät Brossardt: „Denn eines ist klar: Bis gute Steuerpolitik auf das Steueraufkommen durchschlägt, vergeht Zeit. Gefragt ist ein langer Atem.“

Monheim am Rhein

Die vbw-These wird auch im Hochsteuerland Nordrhein-Westfalen belegt: Monheim am Rhein liegt zwischen Köln und Düsseldorf, hat 43.000 Einwohner, null Schulden und die niedrigste Gewerbesteuer in ganz NRW. Am 1. Januar 2016 senkte die Stadt den Satz nochmal von 285 auf nur noch 265. Das soll Unternehmen anlocken und die Einnahmen steigen lassen. Dieser seit Jahren verfolgte Plan des seit 2009 amtierenden Bürgermeisters Daniel Zimmermann ging auf: Neue Firmen kamen und die Steuereinnahmen stiegen. Und das so erfolgreich, dass der einstige NRW-Ministerpräsident und SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück 2013 über Monheims Bürgermeister jammerte, der habe mitten in NRW eine Steueroase geschaffen und halte Unternehmen „die goldene Mohrrübe“ vor. Zimmermann, der mit nur 27 Jahren Bürgermeister wurde, ließ sich vom alten und falschen Klagelied der SPD nicht beirren. Er kann das auch gut erklären: „Wir konkurrieren nicht mit den Nachbarorten, sondern befinden uns in einem internationalen Steuerwettbewerb.“ Wer wie Steinbrück Monheim als Steueroase bezeichne, habe „keine Ahnung“ von der Höhe der Unternehmensbesteuerung im internationalen Vergleich, sagte Zimmermann dem WDR. Da liege Monheim nämlich gerade einmal im Mittelfeld. „In 18 Mitgliedstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD zahlen Unternehmen weniger Steuern als in Monheim am Rhein. Nur in 15 Staaten sind die Steuern höher“, so der Bürgermeister.

Auch das bundesweit mit am höchsten verschuldete Oberhausen belegt die vbw-These: Die Stadt hat den höchsten Gewerbesteuer-Satz im Land mit 550 Punkten. Das rot-grün regierte NRW beharrt aber lieber auf der SPD-eigenen und leistungsfeindlichen Umverteilungsidee. 2013 führte SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft den „Kommunalsoli“ ein, eine Umlage, über die wenige reiche Städte die zahlreichen verarmten Städte im Land alimentieren – ähnlich dem Länderfinanzausgleich. Monheim steht bei den Zahler-Kommunen ganz oben auf der Liste. Wer gut wirtschaftet, der wird bestraft, das kommt Bayern doch bekannt vor. (avd)