Zuletzt ging es vor den Jobcentern in Deutschland recht beschaulich zu. Die Zahl der Arbeitslosen sank kontinuierlich. Die Zuwanderung dürfte den Agenturen demnächst aber deutlich mehr Arbeit bescheren. Bild: Imago/Martin Höfer
Arbeitsmarkt

Arbeitslosenzahl rekordverdächtig niedrig

Bevor es ernst wird, darf noch einmal gejubelt werden: Deutschland hat derzeit so wenige Arbeitslose wie seit 1991 nicht mehr. Erstmals seit knapp einem Vierteljahrhundert sind weniger als 2,7 Millionen Menschen ohne Job. Bei der Quote bleibt Bayern wie gewohnt Spitzenreiter. Die vielen Flüchtlinge dürften sich demnächst aber nicht nur in den Statistiken der Job-Center bemerkbar machen.

Deutschlandweit waren im Oktober sechs Prozent der Erwerbsfähigen arbeitslos gemeldet, in Bayern sank die Quote von 3,4 auf 3,3 Prozent. In absoluten Zahlen sind das bundesweit 2,649 Millionen Arbeitslose, in Bayern 232.300.

Wir erleben einen goldenen Herbst auf dem bayerischen Arbeitsmarkt, der weiterhin allen Altersgruppen beste Beschäftigungschancen bietet.

vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt

„Wir erleben einen goldenen Herbst auf dem bayerischen Arbeitsmarkt, der weiterhin allen Altersgruppen beste Beschäftigungschancen bietet“, kommentierte Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw), die Zahlen. Die vbw verwies aber darauf, dass ein robuster Arbeitsmarkt kein Selbstläufer sei: „Er ist auch Ausdruck der starken Stellung der bayerischen Unternehmen im internationalen Wettbewerb“, betonte Brossardt: Bayern sei mit seinen 5,2 Millionen sozialversicherungspflichtigen Jobs und Vollbeschäftigung in rund der Hälfte der Städte und Landkreise mit einer Arbeitslosenquote von unter drei Prozent „Zugpferd unter den Ländern“.

Höhepunkt des Jobaufbaus ist erreicht

Doch wie viele andere Experten befürchtet auch der vbw-Chef, dass der Höhepunkt des Jobaufbaus erreicht ist: Brossardt verweist auf „einige Risiken“, die die Unternehmen für die Zukunft sehen. Die Firmen würden sich in einem weltpolitisch sowie wirtschaftlich „volatilen Umfeld“ bewegen. „Viele Unternehmen spüren die nachlassende Konjunktur in China“, weiß der Hauptgeschäftsführer. Hinzu kommen seinen Angaben nach die aktuellen geopolitischen Krisen in Russland und im Nahen Osten, „die zu einer Verunsicherung führen“ und natürlich „die Herausforderung der Integration vieler Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt“.

Bundesarbeitsministerium stochert im Nebel

Beim derzeitigen täglichen Chaos in den Grenzgebieten und in überfüllten Asylbewerber-Unterkünften ist noch gar nicht absehbar, was noch alles auf die Job-Center zukommt und wie viel Geld die Regierung für die Bewältigung der Flüchtlingskrise in die Hand nehmen muss. Auch das Bundesarbeitsministerium stochert noch im Nebel. Bislang hatte es Mehrausgaben von etwa drei Milliarden Euro veranschlagt, die Rechnung beruht aber auf Schätzungen aus dem August. Damals war das Innenministerium davon ausgegangen, dass in diesem Jahr bis zu 800.000 Flüchtlinge registriert werden. Der Zustrom hat seitdem aber bekanntlich dramatisch zugenommen.

Zuwanderer schließen Fachkräftelücke nicht

Die Hoffnung, dass die Flüchtlinge in naher Zukunft die Fachkräftelücke in Deutschland schließen werden, zerschlägt sich auch immer mehr. So hat etwa der Bayerische Industrie- und Handelskammertag (BIHK) zuletzt von „Ernüchterung“ gesprochen. Bestenfalls 20 Prozent der Zuwanderer hätten eine auf dem deutschen Arbeitsmarkt nachgefragte Qualifikation. Wolle man sie möglichst schnell in den Arbeitsmarkt integrieren, müssten sie die deutsche Sprache lernen und in der Regel auch zusätzlich qualifiziert werden, heißt es. Bei der Masse der Asylbewerber, die in diesen Tagen über die Grenzen strömen, gleicht das einer Herkulesaufgabe.

Nahles verteidigt Mindestlohn

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) versucht dennoch, das Positive herauszukehren: „Wenn wir es schaffen, die Flüchtlinge zu integrieren, kann das die demografische Debatte nachhaltig positiv verändern“, ließ sie heute wissen. Von ihrem politischen Kurs weicht die Arbeitsministerin dabei keinen Millimeter ab: So komme ein Absenken des gerade eingeführten Mindestlohns, um mehr Flüchtlinge in Arbeit zu bringen, nicht in Frage. Es brauche Fachkräfte, keine Billigkräfte, ließ sie wissen und betonte, dass darüber großes Einvernehmen in Wirtschaft und Politik herrsche.

Viele der ankommenden Flüchtlinge sind unter 25 Jahre und haben keine Ausbildung. Wir müssen die richtigen Anreize setzen, um sie in Ausbildung zu bringen.

BIHK-Hauptgeschäftsführer Peter Driessen

Dabei übersieht die SPD-Politikerin dass der Mindestlohn nicht nur bei deutschen Jugendlichen, sondern auch bei jungen Migranten falsche Anreize setzt. Darauf weist auch die IHK in Bayern hin. „Kurzfristig ist es für Jugendliche attraktiver, eine mit Mindestlohn bezahlte Stelle anzutreten als eine Ausbildung zu beginnen“, sagt Peter Driessen, Chef des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages (BIHK). Er plädiert dafür, dass die im Mindestlohngesetz verankerte Ausnahmeregelung für Jugendliche bis 18 Jahre ohne Ausbildungsabschluss auf 25 Jahre erweitert werden sollte. „Viele der ankommenden Flüchtlinge sind unter 25 Jahre und haben keine Ausbildung. Wir müssen die richtigen Anreize setzen, um sie in Ausbildung zu bringen“, forderte der BIHK-Chef vergangene Woche bei der Bayerischen Konjunkturpressekonferenz. Ausbildung und Qualifikation seien „das Fundament für eine erfolgreiche Berufslaufbahn“.