Fed-Chefin Janet Yellen trägt enorme Verantwortung: Die Leitzins-Entscheidung hat Auswirkungen rund um den gesamten Globus. Die Märkte können vorerst aufatmen. Bild: Imago
Zinswende

Amerika traut sich (noch) nicht

Kommt die Zinswende oder kommt sie nicht? Selten blickte die Welt so gespannt auf eine Entscheidung der amerikanische Notenbank Fed (Federal Reserve) wie am heutigen Donnerstag. Das am Abend beschlossene Festhalten am Leitzins zwischen 0 und 0,25 Prozent lässt die Marktplätze rund um den gesamten Globus aufatmen: Ein Großteil der Welt hängt am Tropf des Dollar.

Die Rechnung ist einfach: Hebt eine Notenbank den Leitzins an, verteuern sich die Kredite. Die Unternehmen werden vorsichtiger, und die Bürger konsumieren weniger, weil sie mehr Geld für ihre Darlehen aufbringen müssen. Die Börsen reagieren auf eine Zinserhöhung gemeinhin mit fallenden Kursen, denn Aktien und bestehende Anleihen mit geringerer Verzinsung verlieren an Wert.

Verlockender Treibstoff, der süchtig macht

Diesseits wie jenseits des Atlantiks sind dagegen niedrige Zinsen ein verlockender Treibstoff für die Wirtschaft und die Börsen. Doch die Suchtgefahr ist groß: Die Aktionäre sendeten heute Morgen Stoßgebete gen Himmel, die Fed möge den Leitzins bei 0,25 Prozent belassen, sie wurden erhört.

Europa bleibt im Teufelskreis des billigen Geldes

In Deutschland fluchen die Sparer seit Jahren über die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), die den Leitzins in der Eurozone von 4,25 Prozent (2008) auf heute 0,05 Prozent gesenkt und somit nahezu pulverisiert hat. Die Zinsen, die Sparer in Europa für ihre Guthaben erhalten, sind ein Witz. Das erklärte Ziel, die Inflation in der Eurozone anzutreiben und die Wirtschaft in Schwung zu bringen, hat die EZB trotzdem nicht erreicht. Aktuell schiebt ihr Chef Mario Draghi die Schuld daran wieder einmal den Schwellenländern die Schuhe: Ihre Schwäche belaste die wirtschaftliche Erholung in der Eurozone, klagt der Notenbankchef, der auch die Inflation langsamer anziehen sieht als erhofft. Statt der angestrebten zwei, klettern die Verbraucherpreise derzeit gerade mal um klägliche 0,1 Prozent in die Höhe. Doch statt die Talsohle tapfer zu durchschreiten, um den Teufelskreis langfristig verlassen zu können, geben die europäischen Geldhüter dem Jammern einiger Eurostaaten und dem Lechzen der Märkte immer wieder nach: Weil sich an der Zinsschraube nicht mehr drehen lässt, kauft die EZB derzeit monatlich für 60 Milliarden Euro Wertpapiere ein, um die Konjunktur am Laufen zu halten. Was diese Papiere in ferner Zukunft einmal wert sein werden, weiß heute niemand.

Scharfe Kritik an Geldpolitik

Doch Mario Draghi wird nicht müde, zu betonen, dass Volumen und Zusammensetzung des Anleihekaufprogramms jederzeit „angepasst“ werden könne. Während die Börsen in Europa seine Worte in jüngerer Vergangenheit mit Kursfeuerwerken feierten, erntete Draghi vor allem aus den Reihen der CSU scharfe Kritik. Statt immer mehr Geld in die Märkte zu pumpen und damit den Euro zu schwächen, sollte das Augenmerk noch viel stärker auf die Reformbemühungen der schwächelnden Euro-Staaten gelegt werden, hieß es immer wieder gebetsmühlenartig – vergeblich.

In den USA herrscht nahezu Vollbeschäftigung

Während in Europa noch lange keine Zinswende in Sicht ist, sind in den USA die Vorzeichen gut: Die Fed hätte es sich heute durchaus leisten können, den Leitzins anzuheben. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise hatte ihn die amerikanische Notenbank schrittweise auf 0 bis 0,25 Prozent gesenkt. Er gilt nun bereits seit 2008. Doch die Wirtschaft hat sich in Nordamerika mittlerweile deutlich erholt. Die Arbeitslosigkeit ist in den vergangenen sechs Jahren von zehn auf 5,1 Prozent gesunken, es herrscht nahezu Vollbeschäftigung. Die Börsen legten um bis zu 70 Prozent zu. Amerika wäre reif für die Zinswende.

Zinserhöhung erschwert Schwellenländern den Schuldendienst

Für den Rest der Welt wäre eine Zinserhöhung in den USA dagegen höchst riskant: Die Schulden in den Schwellenländern – allen voran in China – sind in den vergangenen sechs Jahren dramatisch gestiegen, und die Kredite wurden zu einem großen Teil in Dollar vergeben. Nach Angaben der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich sind die Dollarkredite außerhalb der USA seit Anfang 2009 um mehr als 50 Prozent auf 9,6 Billionen Dollar angestiegen. Und weil eine Zinserhöhung in Übersee zwangsläufig auch den Dollarkurs in die Höhe treibt, wird es für die Schwellenländer immer schwieriger, ihre Schulden zu bedienen. Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF) hatten die USA aus diesem Grund zuletzt auch dringend darum gebeten, mit der Zinserhöhung noch bis 2016 zu warten.