China ist zu einer High-Tech-Nation aufgestiegen. Mit dem Programm "Made in China 2025" möchte die Regierung in Zukunft die führenden Industrienationen überflügeln. (Bild: Imago)
Wirtschaftswachstum

China bekommt die Kurve

Jeder einzelne Eurostaat würde sich alle zehn Finger nach einem vergleichbaren Wirtschaftswachstum ablecken: In China gilt dagegen ein Wert unter sieben Prozent als mittlere Katastrophe. Trotz des jüngsten Börsencrashs sieht es danach aus, als könnte das Reich der Mitte auf seinem Weg zur führenden Industrienation die Kurve bekommen.

Ministerpräsident Li Keqiang hatte die Latte für das chinesische Wirtschaftswachstum in diesem Jahr auf sieben Prozentpunkte gelegt. Die Hürde wurde nun zum zweiten Mal in Folge knapp übersprungen: Das Statistikamt in Peking teilte heute mit, dass das Wachstum in den vergangenen drei Monaten bei eben jenen sieben Prozent lag. Im ersten Quartal des Jahres war der Wert identisch.

Das Soll ist erfüllt worden

Das Soll ist also erfüllt worden, glücklich sind die Chinesen damit aber noch lange nicht: Der Wirtschafts-Motor läuft längst nicht mehr auf so hohen Touren wie in der Vergangenheit. 2014 war für China mit einem Wachstum von „nur“ 7,4 Prozent das schwächste in den letzten 24 Jahren. Zweistellige Zuwachsraten waren davor eine Selbstverständlichkeit. Das Abflauen der Wirtschaft hatten zuletzt auch deutsche Unternehmen deutlich zu spüren bekommen. So beklagte etwa Audi im Juni im Reich der Mitte ein Minus von 5,8 Prozent. Der Ingolstädter Autobauer ist mit seinen Premium-Modellen Marktführer in China und hatte dort seine Umsätze zuletzt noch um mehr als 17 Prozent steigern können.

Jetzt ist die Party fürs erste vorbei: Spätestens nach den Beben an den chinesischen Börsen, bei dem in drei Monaten fast vier Billionen Dollar Marktwert vernichtet worden sind (der Bayernkurier berichtete), wird es ernst mit dem Richtungswechsel. Das Wachstumsmodell Chinas müsse auf ein neues Fundament gestellt werden, wurde am heutigen Mittwoch ein Sprecher des Statistikamtes in Peking zitiert. Weniger Abhängigkeit vom Export, mehr Binnenkonsum lautet dabei die Zauberformel.

Von der Werkbank der Welt zur innovativen Industrie

Der Staatsrat hatte bereits im Mai Pläne vorgestellt, wie sich das Land in den kommenden zehn Jahren von „der Werkbank der Welt“ zu einer innovativen Industrie wandeln möchte und das Programm „Made in China 2025“ ausgerufen. Die führenden Industrienationen, also auch Deutschland, dürfen das Programm getrost als Kampfansage verstehen. Das Reich der Mitte ist in vielen Industriezweigen bereits vom Massenwaren- und Plagiat-Hersteller zum Innovationstreiber aufgestiegen. Mit „Made in China 2025“ will Peking nun vor allem die Zweige Luft- und Raumfahrt, Stromnetze, Elektromobilität und Hochgeschwindigkeitszüge stärken. Die Technologie für die Produkte soll nicht mehr aus dem Ausland importiert, sondern aus eigenen Innovationen entwickelt werden. Dass das Reich der Mitte schon jetzt dazu in der Lage ist, beweisen unter anderem die weltweit erfolgreichen Telekommunikations-Unternehmen Huawei oder ZTE.