Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies will bayerische Firmen in sein Land locken. Bild: Imago
Anzeigenkampagne

Eigentor der Niedersachsen

Eine Anzeigen-Kampagne von Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies sorgt für Ärger in Bayern. Mit einem großflächigen Inserat in der Süddeutschen Zeitung versuchte der SPD-Politiker am Wochenende bayerische Unternehmen nach Niedersachsen zu locken – auf Kosten der Steuerzahler. Seine bayerische Amtskollegin Ilse Aigner zeigt sich empört.

Aktualisiert am 23.6. 2015, 17 Uhr

Auf einer halben Seite warb Lies für das angeblich so wirtschaftsfreundliche Niedersachsen. 73.500 Euro soll der Spaß den Steuerzahler gekostet haben, der polemischer und sinnfreier kaum sein könnte. Die berechtigten Sorgen der bayerischen Staatsregierung über riesige Stromtrassen und die Versorgungssicherheit wischt der Minister beiseite und verkündet platt: „Auch bayerische Unternehmen brauchen Strom. Ziehen Sie direkt an die Quelle, ins Land mit Energie: nach Niedersachsen.“ Und weiter im Text: „Wenn der Strom nicht zu Ihnen kommt, kommen Sie doch einfach zum Strom … mein Ansiedlungsteam erwartet Sie!“

„DFB-Pokalsieger und Bayernjäger Nummer 1“

Als „Argumente“ für die Kampagnen hebt Lies heraus, dass Niedersachsen konsequent den Ausbau Erneuerbarer Energien vorantreibe. Und er weist nebenbei darauf hin, dass sein Land „den DFB-Pokalsieger 2015 und aktuellen Bayernjäger Nr. 1“ stelle. Was der Wirtschaftsminister damit bezwecken wollte, bleibt sein Geheimnis.

„Blödsinnig, realitätsfern, unverschämt und überflüssig“, lauteten dann auch die Kommentare quer durch die Republik. Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) sieht in der Anzeige des Kollegen ein „hilfloses Unterfangen“ und weist auf die Zuwanderung in den Freistaat hin: „Die Menschen kommen nach Bayern, weil sie hier gute Zukunftsperspektiven haben.“ 2013 waren es immerhin aus den anderen Bundesländern 126.163 Zuwanderer bei nur 112.078 Fortgezogenen. Darunter 9066 Niedersachsen – ganz ohne teure Werbung. Seit Anfang 2013 Rot-Grün in Niedersachsen die Regierung stellt, stieg diese Auswanderung nach Bayern übrigens nach Jahren des Rückgangs wieder leicht an (2012: 8850). Bayern ist laut Umfragen das beliebteste Bundesland der Deutschen: Jeder Fünfte würde sofort in den Freistaat ziehen, falls er sein eigenes Bundesland verlassen müsste. Gegenüber dem Ausland lag das bayerische Wanderungsplus 2013 sogar bei 83.562 Personen.

Alle Wachstumsprognosen zeigten, dass nicht nur die Bürger, sondern auch die Unternehmen in Bayern die besten Voraussetzungen hätten, so Aigner weiter. Lockrufe aus Niedersachsen würden also nichts helfen. Schon deshalb, weil für Unternehmen die Energiekosten bei weitem nicht der einzige Standortfaktor sind. „Nur mit eigener Anstrengung gelingt es, das Land vorwärts zu bringen“, betonte Aigner. Da könne die niedersächsische Regierung von Bayern einiges lernen, „auch was den politischen Stil betrifft“.

Länderwerbung zweifelhaft

Denn grundsätzlich muss solche Länderwerbung parteipolitisch neutral gehalten werden, was hier nun überhaupt nicht zutrifft. Schließlich werden für die teure Werbung öffentliche Steuergelder eingesetzt und nicht SPD-Mitgliedsbeiträge. Es liegt also eigentlich ein Fall für den niedersächsischen Landesrechnungshof vor. Dabei haben einige Bundesländer durchaus einfallsreiche Werbungen geliefert, wie der Vorreiter Baden-Württemberg mit seiner „Wir können alles. Außer Hochdeutsch“-Kampagne oder auch Niedersachsen mit seiner alten Kampagne: „Sie kennen unsere Pferde. Lernen Sie unsere Stärken kennen.“ Eher bemüht waren dagegen Sprüche wie „Bremen erleben“, „MV tut gut“ (Mecklenburg-Vorpommern), „Der echte Norden“ und „Land der Horizonte“ (Schleswig-Holstein) oder ein weiterer Spruch aus Niedersachsen „Immer eine gute Idee“. Ohnehin bezweifeln Experten, ob solche Kampagnen wirklich Touristen und Investoren anlocken oder ob das Geld nicht besser gleich in der Wirtschafts- und Tourismusförderung angelegt werden sollte. Die hilflosen jüngsten Versuche Niedersachsens, erfolgreiche bayerische Unternehmen abzuwerben, statt selber zukunftsfähige Betriebe zu fördern und zu entwickeln, sind jedenfalls ein Eingeständnis des eigenen Versagens.

Im eigenen Land als Krisenmanager unterwegs

In der Zeitungs-Anzeige wirbt Lies unter anderem großspurig für die Windenergieparks vor der Küste Niedersachsens, die weiter ausgebaut werden sollen. Dass er in diesem Wirtschaftszweig derzeit vor allem als Krisenmanager unterwegs ist, verschweigt er geflissentlich. Die Nordseewerke sind bekanntlich jüngst in die Insolvenz geschlittert, beinahe 180 Arbeitsplätze stehen bei dem Offshore-Zulieferer in Emden auf dem Spiel. Und das Land Niedersachsen bangt um eine Bürgschaft in zweistelliger Millionenhöhe.

Trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs, den das Land vor allem seiner Autoindustrie zu verdanken hat (VW), ist Niedersachsen beim Länderfinanzausgleich nach wie vor ein Nehmerland. Während Bayern als Geber zuletzt knapp fünf Milliarden Euro überweisen musste, kassierte Niedersachsen 275 Millionen Euro. Überspitzt gesagt, bezahlt der Freistaat nun also auch schon die Kampagnen gegen sich aus eigener Tasche.