Die EU-Klimaziele reichen aus, sagt die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. (Bild: Imago/Westend 61)
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EU-Klimaziele reichen aus

Mit dem nationalen Klimaschutzplan zwingt das Bundesumweltministerium der Wirtschaft noch strengere Klimaziele auf als die EU. Das schadet dem Standort Deutschland und hilft dem Klima nicht, warnt die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft.

Der nationale Klimaschutzplan 2050 des SPD-geführten Bundesumweltministeriums muss vom Tisch. Das fordert Bertram Brossardt, der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw). In einem Kongress in München über den Bonner „Weltklimagipfel – Ergebnisse und Perspektiven“ legte er eindringlich dar, was für Bayerns und Deutschlands Wirtschaft auf dem Spiel steht.

Strenge Klimaziele

Ohne Not ist Deutschland im November 2016 mit seinem nationalen Klimaschutzplan und noch einmal verschärften Klimazielen EU-weit vorangeprescht. Während die EU sich selbst und den Mitgliedsländern für das Jahr 2020 eine Minderung der CO2-Treibhausgas-Emission von 20 Prozent vorschreibt – gegenüber dem Stand von 1990 –, verlangt der deutsche Plan von der deutschen Wirtschaft eine 40-Prozent Minderung. Die will die EU erst 2030 erreichen. Der deutsche Klimaschutzplan fordert dann schon ein CO2-Minus von 55 Prozent.

Aufschlussreich: Die EU hat ihre 20-Prozentmarke für das Jahr 2020 schon 2016 überboten – mit einem CO2-Minus von 23 Prozent. Deutschland war 2016 mit einer Verringerung um 27 Prozent von der 40-Prozentmarke unerfüllbar weit entfernt.

Schaden für den Standort

Erreichen will Berlin die strengen Klimaziele für das Jahr 2030 mit ebenso ehrgeizigen Einsparzielen für die einzelnen Wirtschaftssektoren: mindestens 61 Prozent in der Energiewirtschaft, 66 Prozent im Gebäudesektor, 40 Prozent im Verkehr, 49 Prozent in der Industrie und mindestens 31 Prozent in der Landwirtschaft.

Darüber freut sich nur die internationale Konkurrenz!

Bertram Brossardt, vbw-Hauptgeschäftsführer

Diese „tonnenscharfen Einsparziele wurden willkürlich festgesetzt, ohne vorherige Folgenabschätzung, ohne Prüfung der technischen und wirtschaftlichen Machbarkeit“, warnt Brossardt. „Darüber freut sich nur die internationale Konkurrenz!“ Der vbw-Hauptgeschäftsführer weiter: „Mit dem nationalen Klimaschutzplan drohen dem deutschen Wirtschaftsstandort weitere massive Sonderlasten und Nachteile im internationalen Wettbewerb.“ Was Folgen haben kann: größerer CO2-Ausstoß anderswo, Abwanderung von Betrieben, Verlust von Arbeitsplätzen.

Gleichzeitig sei klar, so Brossardt: „Trotz unserer Milliarden-Ausgaben werden wir das politische Einsparziel von 40 Prozent bis 2020 krachend verfehlen.“ Die niedrigeren EU-Ziele könnte Deutschland dagegen erreichen – trotz gestiegener Produktion.

Bedenkenloses SPD-Umweltministerium

Die vbw-Vorwürfe gehen an die Adresse des Bundesumweltministeriums von SPD-Ministerin Barbara Hendricks. In München warb jetzt ein Ministerialdirigent aus ihrem Ministerium um Verständnis für den klimapolitischen Ehrgeiz: „Wir haben viel mehr Emissionen, darum muss Deutschland auch mehr tun.“

Sonderbare Prozentrechnung im Umweltministerium: Tatsächlich hat Deutschland 2016 mit 801 Millionen Tonnen gut doppelt so viel CO2 ausgestoßen wie etwa Großbritannien mit 389 oder Frankreich mit 343 Millionen Tonnen. Aber 20 Prozent von 800 Millionen Tonnen sind eben auch doppelt so viel wie 20 Prozent von 400 Millionen Tonnen. Deutschland muss nicht draufsatteln, um mit der CO2-Reduktion anderer EU-Länder mitzuhalten.

Wir haben die Technologie noch nicht, um die Klimaziele zu erreichen.

BASF-Vertreterin

Noch ein Eingeständnis aus dem SPD-Umweltministerium: „Es war uns sehr bewusst, dass wir noch deutliche technologische Fortschritte brauchen, um die Ziele zu erreichen.“ Eine BASF-Sprecherin hat das in München prompt bestätigt: „Nein, wir haben die Technologie noch nicht, um die Klimaziele zu erreichen.“

Deutsche Wirtschaft setzt Maßstäbe

Tatsächlich hat die deutsche Wirtschaft bei der Reduktion des CO2-Ausstoßes schon große Anstrengungen unternommen, erinnert Brossardt: 2016 wurden in Deutschland (gegenüber 1990) 27,6 Prozent weniger Treibhausgase ausgestoßen – bei Verdopplung der gesamtwirtschaftlichen Produktion. Brossardt: „Damit setzt die deutsche Wirtschaft weltweit Maßstäbe.“

Das bestätigt ein Blick auf den globalen CO2-Ausstoß: Auf die beiden Spitzenreiter China und USA allein entfallen davon zusammen 43 Prozent. Wobei China mit zehn Milliarden Tonnen doppelt so viel CO2 produziert wie die USA, obwohl Chinas Wirtschaft um 30 Prozent kleiner ist.

Diese Zahlen zeigen: Deutsche Alleingänge schaden unserer Wirtschaft – das Klima retten können sie nicht.

Bertram Brossardt

Aufschlussreich: CO2-Sünder Nummer drei, Indien, hat eine um ein Drittel kleinere Wirtschaft als Deutschland, produziert aber drei Mal so viel CO2. Die Inder sehen das gelassen: Auf der Bonner Klimakonferenz plakatierten sie in ihrem Pavillon: „Joga kann uns helfen, mit dem Klimawandel zurecht zu kommen.“ Der viertgrößte CO2-Produzent, Russland, hat nur gut ein Drittel der Wirtschaftskraft Deutschlands, stößt aber mit 1,6 Milliarden Tonnen genau doppelt so viel CO2 aus.

Deutschland verursacht denn auch gerade einmal 2,2 Prozent der weltweiten Emissionen, erinnert Brossardt: „Diese Zahlen zeigen: Deutsche Alleingänge schaden unserer Wirtschaft – das Klima retten können sie nicht.“

Energie-Effizienz

Wenn Deutschland weltweit etwas bewirken und große Schwellen- und Entwicklungsländer einbeziehen wolle, dann dürfe es nicht mit überscharfen Reduktionszielen auftrumpfen, wendet in München auch ein Vertreter des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) ein: „Wir müssen demonstrieren, dass es uns gelingt, Klimaschutz mit Wirtschaftswachstum unter einen Hut zu bringen. Nur dann sind wir Vorbild.“ Auf dem Weg ist man schon weit: In amerikanischen Studien gilt Deutschland als Weltmeister in der Disziplin Energie-Effizienz. Was bedeutet: Jede weitere Steigerung, die vielleicht noch möglich ist, wird sehr schwierig und teuer.