Bayerns Wirtschaft so optimistisch wie selten: Der vbw-Weißbier-Index auf dem dritthöchsten Stand seit 2003. (Bild: vbw)
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Das Glas ist gut gefüllt

Der Weißbier-Index der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft: Bayerns Konjunktur brummt, die Exportzahlen steigen, die Arbeitslosenrate ist so niedrig wie nie. Und das Schönste: So wird es bleiben. Wenn die Politik jetzt alles richtig macht.

Darauf dürfen die Bayern anstoßen: Der Weißbier-Index genannte Konjunkturindex, den die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) halbjährlich ermittelt, hat 145 Punkte erreicht, sechs mehr als im Frühjahr. Mit ihrem Index misst die vbw der bayerischen Wirtschaft sozusagen den Puls. Sie erfragt bei Unternehmen aktuelles Wachstum, prognostiziertes Wachstum, Beschäftigungslage sowie Beschäftigungspläne und errechnet daraus die Konjunktur und deren Trend.

Als der vbw-Index 2003 startete, sollte die Zahl 100 für einen langjährigen Durchschnitt den Basiswert markieren. Steigt der aktuelle Wert über diese Marke, ist die Konjunktur entsprechend besser als der langjährige Durchschnitt. Liegt er darunter, geht es der Wirtschaft schlechter. Im Krisenjahr 2009 etwa stürzte der Weißbier-Index auf erschreckende 51 Punkte – nach der Skala auf dem vbw-Weißbierglas hat das allenfalls für ein paar müde Schlucke gereicht. Seinen bisherigen Höchststand erreichte das Weißbier im Frühjahr 2011 mit 159 Punkten. Mit 145 Punkten ist das Glas der bayerischen Wirtschaft auch jetzt ordentlich gefüllt – bei 200 Punkten wäre der Glasrand erreicht.

Top-Konjunktur – und so bleibt es

Die Lage sei bestens, verkündet denn auch vbw-Präsident Alfred Gaffal: „Die bayerische Wirtschaft befindet sich in einem robusten Aufschwung, die Konjunktur hat sich viel besser entwickelt als erwartet.“ Die Zahlen sind danach: Bayerns Wirtschaft ist im ersten Halbjahr 2017 mit 2,5 Prozent, die auch für das ganze Jahr prognostiziert werden, deutlich stärker gewachsen als erwartet und stärker als in Deutschland insgesamt (2,0).

Jede Diskussion über Substanzsteuern und neue Steuern ist deplatziert.

Alfred Gaffal, vbw-Präsident

Was sich in Beschäftigungsrekorden niederschlägt: Im September lag Bayerns Arbeitslosenquote erstmals unter drei Prozent. Die Zahl der Erwerbstätigen liegt auf dem Allzeithoch von 7,4 Millionen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist auf 5,46 Millionen gestiegen – noch ein Rekord. Ähnliche Beschäftigungsrekorde spiegeln auch die Zahlen für ganz Deutschland wieder. Die Konjunktur brummt wirklich. Es könnte fast nicht besser laufen. Und das Schönste: So soll es bleiben. Gaffal: „Wir sehen derzeit wenig Anzeichen für eine konjunkturelle Eintrübung.“

Starkes Exportwachstum

Der Blick auf Details ist aufschlussreich, etwa auf die Exportzahlen: Bayerns Hersteller konnten da im ersten Halbjahr um 4,9 Prozent zulegen. Der Export in die Länder der Eurozone wuchs mit 6,2 Prozent deutlich stärker als der in die Gesamt-EU (3,8). Schöne Exportzuwächse wurden mit den USA (6,0), Japan (6,9), China (7,4) und Indien (8,1) erzielt. Die Ausfuhr nach Russland erholte sich (+23,8) von niedrigem Niveau aus. Der Exporteinbruch gegenüber Großbritannien (-9,4) ist dem tiefen Pfundkurs geschuldet, der bayerische Exporte über den Kanal verteuert. Vbw-Geschäftsführer Bertram Brossardt: „Ein Effekt, der sich zunehmend beschleunigt.“ Als Alarmsignal könnte man den massiven Rückgang der Exporte in die Türkei (-17,1) werten: Verschärft sich dort die Wirtschaftskrise?

Rätselhaft: Während praktisch alle bayerischen Branchen wachsen, verzeichnet Bayerns Gastgewerbe ein kleines Minus von 0,2 Prozent. Trotz Tourismus-Rekord.

Gute Konjunktur nutzen für gute Politik

Die vbw wäre nicht die vbw und ihr Präsident Gaffal wäre nicht er selber, wenn er nicht den schönen Zahlen deutliche Warnungen und klare Wünsche folgen ließe, vor allem an die Adresse der Politik in München und Berlin. Die wirtschaftlichen Erfolge dürften jetzt nicht „verfrühstückt“ werden, warnt Gaffal: „Vielmehr muss die gute Konjunktur für die richtigen Weichenstellungen genutzt werden.“

In den vergangene vier Jahren hat zu viel Sozialpolitik und zu wenig Wirtschaftspolitik stattgefunden.

Alfred Gaffal

Von neuen Koalitionsverhandlungen, die schleunigst beginnen sollten, erhofft sich Gaffal, dass dann „die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft im Mittelpunkt steht“. In den vergangenen vier Jahren habe „zu viel Sozialpolitik und zu wenig Wirtschaftspolitik stattgefunden“. Das müsse sich ändern. Tatsächlich betrugen 2016 die Sozialausgaben 918 Milliarden Dollar – ein Drittel der deutschen Wirtschaftsleistung.

Fünf Weichenstellungen

Fünf politische Weichenstellungen sind der vbw für die nächste Legislaturperiode wichtig: So verlange etwa die vollständig veränderte Arbeitswelt nach einer Reform des Arbeitszeitgesetzes. An der 40-Stunden-Woche soll darum nicht gerüttelt werden. Aber die Unternehmen bräuchten die Möglichkeit zu flexiblerer Verteilung der 40 Wochenstunden, so Gaffal. „Wir müssen weg von einer täglichen hin zu einer wöchentlichen Betrachtung.“

Angesichts von Rekordsteuereinnahmen – und auch die werden weiter wachsen – hält die vbw „jede Diskussion über Substanzsteuern und neue Steuern“ für „deplatziert“. Gaffal: „Wir brauchen vielmehr Entlastung.“ Die Lohnzusatzkosten dürften nicht mehr steigen, so ein anderer vbw-Wunsch: „40 Prozent muss der Deckel sein.“ Dringend fällig seien dafür Investitionen in die Digitalisierung und in den Ausbau der digitalen Infrastruktur.

Beim Thema Energie erinnerte Gaffal daran, dass in Deutschland die Energiekosten schon 100 Prozent höher liegen als in den USA, 50 Prozent höher als in Frankreich und 80 Prozent höher als in Polen. „Das ist langfristig nicht durchzuhalten.“

Dritte Startbahn

Eine letzte vbw-Forderung geht an die bayerische Politik: „Wir brauchen dringend die dritte Startbahn am Flughafen München.“ Sie sei ein Leitprojekt für die Zukunftsfähigkeit Bayerns, für den Freistaat von „immenser Bedeutung“, und sie liegt „im Interesse der Wirtschaft und der gesamten Gesellschaft.“