Mit der BIM-Technologie können ganze Gebäude und Umbauten dreidimensional durchgeplant werden. (Foto: Firmengruppe Max Bögl)
Bauwirtschaft

Wachstum durch Digitalisierung

Eine Branche, an die man beim Stichwort „Digitalisierung“ nicht unbedingt denkt, könnte genau dadurch enorm gewinnen: die Bauwirtschaft. Mit dem „BIM“-Verfahren werden Gebäude dreidimensional genau durchgeplant und Fehler schon im Vorfeld vermieden.

Ein Zauberwort verändert die Bauwirtschaft: „BIM“. Das steht für „Building Information Modeling“, also „Bauwerks-Daten-Modellierung“. Es handelt sich praktisch um ein detailliertes computergestütztes 3D-Modell des geplanten Gebäudes. Architekten, Bauingenieure und andere Fachleute vernetzen sich und tragen ihren Teil zur Planung bei. Auch die richtigen Termine für die einzelnen Bauschritte werden im BIM geplant, die Software erkennt mögliche technische Kollisionen bereits im Vorfeld. Zusätzlich kann man während der Bauphase den tatsächlichen Baufortschritt jederzeit mit der Planung vergleichen – beispielsweise mit Web-Cams – und so Verzögerungen entgegenwirken.

Durch gute Koordinierung, Abstimmung und Planung mit BIM ist eine Kostenersparnis von zehn Prozent möglich.

Johann Bögl, Baukonzern Max Bögl

Mit den bislang ungehobenen Schätzen – sprich: noch nicht realisierten Wertschöpfungspotenzialen – für die Bauwirtschaft, wenn die BIM-Technik flächendeckend richtig einsetzt, befasste sich ein Symposium des Zukunftsrats der bayerischen Wirtschaft, ein Gremium vor allem aus Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaftlern, Unternehmern und Politikern, in Nürnberg. Über Erfahrungen aus der Praxis berichtete Johann Bögl, Mit-Teilhaber der international tätigen Baufirma Max Bögl aus Neumarkt/Oberpfalz – mit einem Umsatz von 1,6 Milliarden Euro und 6000 Angestellten das zweitgrößte familieneigene Bauunternehmen Deutschlands.

Zehn Prozent Kosteneinsparung möglich

„Durch gute Koordinierung, Abstimmung und Planung mit BIM ist eine Kostenersparnis von zehn Prozent möglich“, berichtete Bögl. Das sei ein riesiges Pfund – angesichts der mageren Margen in der Branche von nur ein bis zwei Prozent. Seine Firma habe im Rahmen des Projekts „maxmodul“ nun sogar angefangen, die Planungs-Software des Autoherstellers Porsche an eigene Bedürfnisse anzupassen – damit seien Wohnungsplanungen im Geschossbau-Bereich nach individuellen Anforderungen der Auftraggeber möglich. „In der Original-Software kann man 40 Millionen verschiedene Porsche planen, so viele gibt es praktisch gar nicht“, erzählte Bögl schmunzelnd. Die Wohnungen würden anschließend zu 80 Prozent in einer kürzlich in Neumarkt eingeweihten Fabrik hergestellt und würden anschließend an Ort und Stelle geliefert.

Es mangelt hier besonders an Fachkräften, an digitalen Pionieren.

Christian Böllhoff, Prognos AG

„Deutschland braucht 400.000 günstige Wohnungen pro Jahr, derzeit werden nur 280.000 gebaut. Es ist offensichtlich, dass wir das mit handwerklichem Bau und den bisherigen Verfahren nicht hinkriegen“, so Bögl. Pro Tag könne die neue „maxmodul“-Fabrik fünf Wohnungen herstellen. „So schaffen wir es, die Wohnungen zu festen Preisen und Terminen auszuliefern.“ Er sei sich sicher, dass dies ein Markt der Zukunft sei und großes Wachstumspotenzial berge. Zudem könnten so immer mehr Arbeiter in der geschützten Fabrik arbeiten und müssten nicht bei Wind und Wetter auf der Baustelle arbeiten. Nachteilig sei es hingegen, dass die Daten, die große Baumaschinen erheben, beispielsweise Bodenverfestiger, häufig nicht automatisch auszulesen seien. Wenn man die Daten hätte, könnte man sich teure Nachprüfungen sparen, etwa Bodenbohrungen. Zum einen hätten Maschinen verschiedener Hersteller unterschiedliche Standards, zudem habe er den Eindruck, dass die Hersteller die ermittelten Daten „nicht gern hergeben“, so Bögl.

Digitalisierung verlängert die Wertschöpfungskette

Die Digitalisierung bietet Unternehmen – unabhängig von der Branche – sehr große Chancen, erklärte Christian Böllhoff, der geschäftsführende Gesellschafter der Baseler Prognos AG. Einmal bringe die Digitalisierung Vernetzung zwischen Menschen und Dingen, zweitens die Visualisierung von Produkten und Prozessen, und zudem einen leichten Austausch von Daten und Wissen. Außerdem gibt es bei digitalen Anwendungen und Produkten etwas, das der Betriebswirt „doppelte Null-Grenzkosten“ nennt: „Das erste Produkt kostet etwas, das zweite nicht mehr. Herstellung und Transport sind kostenlos“, so Böllhoff.

Die Digitalisierung bringe den Unternehmen einen optimalen Einsatz von Personal und Material. Die Firmen könnten den Kunden zusätzliche, datengestützte Services anbieten und damit eine längere Wertschöpfungskette, sagte der Prognos-Geschäftsführer weiter. Auf Grundlage einer Umfrage unter 2500 Unternehmen in Bayern erklärte Böllhoff, nur 20 Prozent der Unternehmen seien mittlerweile voll digitalisiert. Die digitalisierten Unternehmen wiesen ein wesentlich höheres Umsatz- und Mitarbeiterwachstum auf als die nicht digitalisierten. Leider arbeiteten nur sechs Prozent der Handwerksbetriebe digitalisiert, hier fehle es offensichtlich an der nötigen Dynamik. „Es mangelt hier besonders an Fachkräften, an digitalen Pionieren“, sagte der Prognos-Mann. Und die wenigen, die es gibt, gingen lieber zu Großkonzernen als zu Mittelständlern.

Ausdrückliches Lob für Dobrindt

Der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw), Bertram Brossardt, stellte fest, dass gerade die momentane Stärke der bayerischen Wirtschaft – auch der Baubranche – Innovationen hemmen könne: „Das Eingraben in der täglichen Arbeit und den momentanen Erfolgen ist verführerisch und gefährlich“, stellte er fest. Brossardt präsentierte die Handlungsempfehlungen des Zukunftsrats in Sachen Digitalisierung: Bund und Freistaat sollten rasch und aktiv an der Setzung von Standards mitwirken, unter anderem für Schnittstellen verschiedener Systeme, damit diese kompatibel miteinander arbeiten könnten. Das sichere einen fairen Wettbewerb. Daneben sei der Ausbau der digitalen Infrastruktur in allen Regionen Bayerns vordringlich. Brossardt begrüßte besonders die Entscheidungen des bayerischen Kabinetts für die Einrichtung eines Kompetenzzentrums für digitales Lehren und Lernen und den Ausbau des Zentrum Digitalisierung Bayern (ZD.B).

Als großes Problem bezeichneten Brossardt und Bögl unisono den Umstand, dass von bestehenden Gebäuden in der Regel keine BIM-Pläne existierten, diese müssten für die Planung von Umbauten erst angefertigt werden. Eine Nagelprobe nannte Brossardt die anstehende Renovierung des bayerischen Wirtschaftsministeriums, dessen Gebäude aus dem Dritten Reich stammt. In diesem Zusammenhang lobten Brossardt, Bögl und Professor Frank Petzold von der TU München den bisherigen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), dessen Leistungen bei der Digitalisierung leider zu wenig öffentlich beachtet worden seien. So habe Dobrindt entschieden, dass alle Bauvorhaben des Bundes ab 2020 ausschließlich mit BIM zu planen sind, sagte Petzold. Und Johann Bögl lobte: „Bei der Diskussion um BIM war der Minister Dobrindt so hervorragend informiert, als wäre er ein Bau- und Planungs-Experte.“