Die EU und Japan wollen ein Freihandelsabkommen (v.l.): Donald Tusk, Shinzo Abe und Jean-Claude Juncker. (Bild: Imago/Kyodo News)
Freihandel

Ein Pakt, der Brücken baut

Die EU und Japan haben sich grundsätzlich auf das umfassende Freihandelsabkommen JEFTA und eine engere Partnerschaft geeinigt. Vereinbart wurde, sich von 2019 an zur größten Freihandelszone der Welt für 640 Millionen Menschen zusammenzuschließen.

Bewegung im Freihandel: Der seit 2013 vorbereitete EU-Japan-Pakt soll Zölle und andere Handelshemmnisse abbauen, um Wachstum und neue Jobs zu schaffen. Japan ist nach den USA und China die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt und damit ein äußerst interessanter Absatzmarkt für europäische Unternehmen.

Allerdings ist der äußerst komplizierte Vertrag noch nicht vollständig ausverhandelt. Die EU und Japan wollten die „prinzipielle Einigung“ unbedingt noch vor dem G20-Treffen in Hamburg zustande bringen. Dafür nahmen sie in Kauf, dass wichtige Details noch zu klären sind und der Pakt auch noch scheitern kann. Das dürfte nach Einschätzung von EU-Beamten noch Monate dauern. Im Jahr 2019 soll es dann den 27 nationalen Parlamenten der Unionsmitglieder sowie dem Europaparlament vorgelegt werden.

Gegen den US-Protektionismus

Die Wirtschaftsriesen Europa und Japan wollen sich ab 2019 zur größten Freihandelszone der Welt zusammenschließen. Das Freihandelsabkommen betrifft fast 30 Prozent der Weltwirtschaft und über 30 Prozent des Welthandels. Die Verhandlungspartner erteilten zudem der Abschottungspolitik von US-Präsident Donald Trump eine klare Absage. Die EU-Kommissarin für Handel, Cecilia Malmström, betonte: „Wir zeigen damit ganz deutlich, dass die EU und Japan, zwei demokratische und offene internationale Partner, an den freien Handel glauben und daran, dass es besser ist, Brücken zu bauen statt Mauern zu errichten.“

Die Welt muss wirklich nicht die Zeit um 100 Jahre zurückdrehen.

Donald Tusk, EU-Ratspräsident

„Wir haben es geschafft“, sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk nach Gesprächen mit dem japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe. „Obwohl einige sagen, dass die Zeiten von Isolationismus und Zerfall zurückkommen, zeigen wir, dass dies nicht der Fall ist. Die Welt muss wirklich nicht die Zeit um 100 Jahre zurückdrehen.“ Tusk verwies noch auf einen weiteren Punkt: „Im Zusammenhang mit der Diskussion über den Brexit haben wir Aussagen gehört, die behaupten, dass es sich nicht auszahlt, in der Europäischen Union zu sein, weil es einfacher sei, Welthandel außerhalb der EU zu betreiben. Heute haben wir gezeigt, dass das nicht stimmt.“

Auch Abe sprach von einem „starken Willen“, sich protektionistischen Tendenzen entgegenzustellen. Er betonte zudem die strategische Partnerschaft auch bei anderen Fragen wie Klimaschutz, Sicherheit und Katastrophenhilfe und die gemeinsamen Werte wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Der Premierminister machte klar, dass Japan unter seiner Führung wenig Eile habe, mit einem aus der EU ausgetretenen Großbritannien neue Handelspakte abzuschließen: „Wir konzentrieren uns auf unsere Zusammenarbeit mit Europa.“

Die Inhalte

  • Das EU-Japan-Abkommen würde nach Angaben der EU-Kommission fast alle Zölle abschaffen, die sich aktuell auf eine Milliarde Euro jährlich belaufen. Allerdings fürchten beide Seiten auch Konkurrenz für heimische Branchen. Japan hat nach EU-Angaben akzeptiert, dass der europäische Zoll auf japanische Autos von derzeit zehn Prozent erst sieben Jahre nach Inkrafttreten des Abkommens komplett abgebaut sein wird.
  • Die Regierung in Tokio handelte im Gegenzug zum Beispiel Schutzklauseln für japanische Bauern aus, um Billig-Agrarimporte aus der EU zu verhindern. Hier sollen die Zölle erst nach und nach abgebaut werden, nur bei einigen Produkten wie Wein, Käse und Fleisch wird schon von Anfang an der Zoll deutlich gekürzt oder ganz gestrichen.
  • Betont wurde auch, dass Japan die mehr als 200 in der EU geschützten geografischen Regional-Angaben akzeptieren und ebenso schützen wird, egal ob Fränkische Bratwurst, Allgäuer Bergkäse oder Bayerisches Bier. Und: Alle diese Produkte sind derzeit noch mit Zöllen von bis zu 15 Prozent und Einfuhrquoten belastet, die künftig wegfallen sollen.
  • Zudem soll es auch zahlreiche nicht-tarifäre Maßnahmen erleichtern, etwa einige technische Anforderungen und Zertifizierungsverfahren, die bisher die Ausfuhr sicherer europäischer Waren nach Japan erschweren. Solche fanden sich beispielsweise für Kraftfahrzeuge, Textilien, Medikamente und sogar Bier.
  • Unternehmen aus der EU werden gleichberechtigt mit japanischen Unternehmen an Geboten für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen in den 48 sogenannten „Kernstädten“ Japans mit 300.000 bis 500.000 Einwohnern teilnehmen können.
  • Vereinbart wurden bereits höchste Standards in den Bereichen Umwelt- und Verbraucherschutz, Schutz personenbezogener Daten, Arbeit und Sicherheit.
  • Keine Regierung wird zur Privatisierung oder Deregulierung öffentlicher Dienstleistungen auf nationaler oder lokaler Ebene gezwungen, etwa in den Bereichen Gesundheit, Bildung oder Wasserversorgung.
  • Obendrein wird es ein eigenes Kapitel über nachhaltige Entwicklung geben.
  • Der Walfang ist kein Thema, weil die EU den Walfang ohnehin ablehnt und seit über 35 Jahren keine damit verbundenen Produkte importiert. Für gefährdete Holzarten gibt es bereits eindeutige Schutzgesetze in Europa und Japan.

Offene Frage: Die Schiedsgerichte

Die Beilegung von Streitigkeiten über private Investitionen ist die wichtigste offene Frage. Konkret hat die EU beim Investitionsschutz Japan ihren überarbeiteten Vorschlag für das Investitionsgerichtssystem vorgelegt, mit einem ständigen Gerichtshof für Investitionsfragen. „Ich habe klargemacht, dass private Tribunale keine Angelegenheiten öffentlichen Interesses entscheiden dürfen“, betonte Kommissionspräsident Juncker.

Um die Vorwürfe von Geheimverhandlungen und Intransparenz zu entkräften, hatte die EU während der Verhandlungen die Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament über jeden einzelnen Schritt unterrichtet. Bei zahlreichen Treffen wurden die laufenden Verhandlungen mit Mitgliedern nationaler Parlamente und Vertretern der Zivilgesellschaft diskutiert. Die Kommission hat auch zahlreiche Unterlagen online veröffentlicht.

Reaktionen

Der Chef der Welthandelsorganisation WTO, Roberto Azevedo, begrüßte die grundsätzliche Einigung als „fantastische Neuigkeit“. Auch die deutschen Industrieverbände BDI und DIHK sowie die Autoindustrie priesen die Chancen des geplanten Handelspakts für rund 640 Millionen Menschen, davon rund 127 Millionen Japaner. „Ein ausgewogenes und umfangreiches Abkommen, das europäische Schutzstandards sichert und mittelstandsfreundlich ausgestaltet ist, wäre für beide Seiten vorteilhaft“, betonte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. Das deutsche Handelsvolumen mit Japan von derzeit 40 Milliarden Euro biete „noch deutlich Luft nach oben“.

Gutes Omen: Nach dem Freihandelsabkommen mit Südkorea 2011 stiegen die EU-Ausfuhren dorthin binnen nur vier Jahren um 55 Prozent auf 47,3 Milliarden Euro, die Autoexporte verdreifachten sich. Nach einer Studie der Bertelsmann Stiftung würden die Exporte der EU nach Japan zwischen 61 Prozent bis 162 Prozent steigen (Vergleichsjahr 2014), so die Deutsche Industrie- und Handelskammer in Japan (AHK Japan).