Der Memminger Flughafen von oben. (Bild: Allgäu Airport)
Memmingen

Airport im Steigflug

Die Zeichen am Flughafen Memmingen stehen auf Erfolgskurs, laut aktueller Bilanz. Wie es weiter geht, hängt allerdings auch von Brüssel ab. Der 102-jährige Ludwig Piller verbindet mit dem Flughafen eine ganz persönliche Erinnerung.

Für Ludwig und Charlotte Piller ist Fluglärm wie Musik in den Ohren. „Wenn mein Mann früher über unser Haus geflogen ist, hat er immer mit den Tragflächen gewackelt, damit ich ihn erkenne“, erinnert sich die 96 Jahre alte Charlotte Piller. Ihr Mann, inzwischen 102 Jahre alt, gehörte mit zu den Ersten, die vor 80 Jahren auf dem neu erbauten Militärflugplatz in Memmingerberg landeten. „Am 3. Juni 1937 war das, als ich mit einer Do 17 von Dornier auf der Graspiste aufgesetzt bin“, denkt Piller zurück.

Grund genug für die beiden, anlässlich der zehnjährigen Jubiläumsfeier am Flughafen Memmingen vor jungem Publikum alte Geschichten wieder aufleben zu lassen.

Traumziel Sofia

Geschäftsführer Ralf Schmid ist mit Europas größter Billigflug-Airline Ryanair und der ungarischen Wizz Air geglückt, was viele vor zehn Jahren bezweifelten: ein Neuanfang mit solidem Wachstum. In diesem Jahr rechnet Schmid mit mehr als 1,1 Millionen Passagieren. Im ersten Halbjahr zählte der Airport bereits 18,5 Prozent mehr Passagiere als 2016. Im Sommerflugplan stehen 31 Verbindungen. Besonders gefragt sind die Destinationen Sofia, London und Moskau. Insbesondere der Mix aus Verbindungen in ganz Europa, Asien und Afrika erweise sich als sehr attraktiv. „Dadurch haben wir eine sehr heterogene Kundengruppe, was zu einer stabilen Nachfrage führt“, sagte Schmid.

In Memmingen ist vieles bequemer als in München.

Ludwig Piller

Vom Militärflugplatz zum Zivilflughafen

Als Bürger von Memmingen und begeisterte Flugzeug-Fans setzte sich auch das Ehepaar Piller stets dafür ein, dass der Standort einen Zivilflughafen bekommt. 2001 hatte die Bundeswehr beschlossen, den einstigen Fliegerhorst „Jagdbombengeschwader 34 Allgäu“ stillzulegen. 2007 nahm Memmingen als höchstgelegener Passagierflughafen Deutschlands den Betrieb wieder auf. Hinter München und Nürnberg ist er Bayerns drittgrößter Airport. „In Memmingen ist vieles bequemer als in München, beim Einchecken müssen Passagiere beispielsweise nicht so lange warten und das Parken ist günstiger“, lobt Piller. Seine Enkelkinder reisen sogar aus Nürnberg an – wegen der günstigen Verbindungen nach Spanien, wie er sagt.

Bereits vor der Party zum zehnten Geburtstag im Juni feierten die Verantwortlichen des Airport Memmingen eine Zusage der irischen Fluggesellschaft Ryanair. Sie stationiert in Memmingen ein Flugzeug und bedient ab Herbst sieben neue Routen. Für Schmid ist die neue Basis eine Bestätigung der Arbeit, „die unser ganzes Team in den letzten zehn Jahren geleistet hat und eine Belohnung des Mutes unserer Gründungsgesellschafter“.

Zum Urlaub ins Allgäu

Der Memminger Flughafen gehört 76 Gesellschaftern. Im ersten Jahr flogen knapp eine halbe Million Menschen von Memmingen aus, fünf Jahre später waren es schon 910.000 Passagiere. Das verstärkte Engagement von Ryanair soll dem Flughafen in den kommenden beiden Jahren Zuwachsraten im zweistelligen Bereich sichern.

Wichtige Impulse sieht Schmid für den heimischen Tourismus. Bestehende Strecken wie London, Dublin und Moskau sowie die neuen Verbindungen mit Warschau, Stockholm und Lwiw (Lemberg) eröffneten einem neuen Kundenkreis Ziele in Bayern, egal ob München, Neuschwanstein, Bodensee oder die weltbekannten Skiorte. Dass sich der Allgäu Airport als Wirtschaftsfaktor erweist, belegt eine Studie der Universität Augsburg. Pro Jahr sorge er für eine zusätzliche Kaufkraft von mindestens 150 Millionen Euro. Über ein Drittel entfalle darauf auf die Urlaubsregion Allgäu. 75 Prozent aller nach Memmingen fliegenden Passagiere bleiben zudem im Freistaat und geben dort ihr Geld aus. Fast die Hälfte der Reisenden kommt zum Urlaub.

Wachstumspotential sieht Schmid auch mit neuen Zielen in Osteuropa. Doch die Zukunft hängt nicht nur von den Partnern ab. Für knapp 18 Millionen Euro soll der Flughafen Memmingen ab dem kommenden Jahr ausgebaut werden. Eine breitere Start- und Landebahn und neue Befeuerung sollen Landungen auch bei dichtem Nebel möglich machen. Derzeit weichen Piloten bei ungünstiger Wetterlage auf benachbarte Großflughäfen aus. Mit 12,2 Millionen Euro will der Freistaat den Ausbau unterstützen. Doch die Förderung muss zunächst von der EU zugelassen werden.

Flugzeugtrip nach Alaska

Der geplante Ausbau wird dem Ehepaar Piller nicht entgehen. Ihre Wohnung in Memmingen liegt nur knapp fünf Kilometer vom Airport entfernt. Regelmäßig trifft sich Ludwig Piller auf dem Gelände mit den Mitgliedern der Traditionsgemeinschaft. Als Pilot steigt Piller nicht mehr ins Flugzeug. Im Cockpit saß er zuletzt 2005. Damals war er in einem Wasserflugzeug von de Havilland in Alaska unterwegs. Über das Allgäu schwebte Piller vor zwei Jahren das letzte Mal, allerdings wesentlich langsamer als im Flugzeug. Die Ballonfahrt war ein Geschenk zum 100. Geburtstag.

Wirtschaftsfaktor Allgäu Airport

Rund 100 Menschen arbeiten am Memminger Flughafen, hinzu kommen weitere 200 Arbeitsplätze auf dem Flughafengelände sowie 1400 Unternehmen im Umfeld. Laut Geschäftsführer Ralf Schmid hat der Airport in den vergangenen zehn Jahren 7,5 Millionen Euro staatliche Gelder bekommen. 30 Millionen Euro wurden investiert. In diesem Jahr soll erstmals ein kleiner Gewinn erwirtschaftet werden. Das bayerische Finanzministerium prüft derzeit, wie eine Beteiligung des Freistaates am Flughafen Memmingen gelingen könnte.