In Oberfranken soll sich der Burgundertrüffel auf Plantagen etablieren. (Bild: Imago/GFCColletion)
Landwirtschaft

Frankens Trüffelgeheimnis

Was in Frankreich funktioniert, soll jetzt auch Schule in Bayern machen: Trüffelgärten in Weinberglagen zu etablieren. In Oberfranken könnte es bald so weit sein. Doch ob der Trüffel gut gedeiht, ist jedes Jahr im Frühsommer immer eine Überraschung.

Ungefähr einen halben Meter tief buddelt Josef Herrmann bis er das Ende der kostbaren Wurzeln erreicht hat. Herrmann zückt die Schere und schneidet vorsichtig einige Wurzelspitzen ab. Der Biologe blickt über die noch zierlichen Stämme der rund 250 Haselnussbäume. Die Versuchsfläche der Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim könnte sich zu einem der wertvollsten Gärten Bayerns entwickeln. Auf der Plantage soll in den kommenden Jahren heimischer Burgundertrüffel geerntet werden. Doch der Weg dahin ist nicht einfach. „Es ist immer noch ein Geheimnis unter welchen Bedingungen sich Trüffel besonders gut entwickelt. Unsere Trüffelbäume sind zwar eine kluge Strategie, aber kein Versprechen“, sagt Herrmann, Leiter des Fachzentrums Analytik an der Bundesanstalt.

Kunst der Kultivierung

Denn Trüffel sind nicht wie Kartoffeln.

Sie wachsen nur unter speziellen Voraussetzungen. „Wer zuerst kommt mahlt zuerst“, sagt der Wissenschaftler. Damit meint er die Pilzsporen im Boden. Die große Kunst besteht bei der Trüffelkultivierung darin, die Sämlinge – vorzugsweise von Haselnussbäumen, Buchen und Eichen – in sterile Erde einzupflanzen. Mit dem Organ Mykorrhiza, eine Symbiose aus Pilz und Wurzel, werden sie inokuliert, quasi „geimpft“. Entscheidend ist dabei, dass sobald die ersten Wurzeln im Boden keimen, sie keine anderen Pilzsporen besetzten. Nur dann kann sich der Trüffel im Boden entwickeln. Bis zur ersten Ernte dauert es allerdings rund fünf bis sieben Jahre.

Spannung vor der Wurzelprobe

Die ersten Trüffelbäume pflanzte Herrmann 2013 auf mehreren Flächen einer oberfränkischen Weinbergslage. Einige Pflanzen wurzeln in Kalkböden, andere sind mit Laub von Obstbäumen bedeckt oder mit Stroh. Herrmann und sein dreiköpfiges Team testen so verschiedene Standortbedingungen. Jedes Jahr prüfen sie, wie sich die heimischen Exoten entwickeln. Im Frühsommer steht die erste Prüfung an, im Herbst folgt die zweite. Für den gebürtigen Franken jedes Mal ein spannender Moment, wenn er die Proben unter dem Mikroskop untersucht. Die Wurzelspitzen sollten mindestens zur Hälfte mit Mykorrhiza-Pilzsporen besetzt sein. Insgesamt 30 Proben analysieren die Wissenschaftler im Labor. Da die Arbeit neben dem Alltagsgeschäft läuft, dauert es rund ein Monat, bis das Team Gewissheit über den Entwicklungszustand hat. „Ich bin erstaunt, wie stabil sich der Trüffel auch im vierten Jahr entwickelt hat“, bilanziert Herrmann. Auf etwa 80 Prozent der untersuchten Wurzelspitzen haftet der Trüffelpilz. Bleibt das so, locken Ernteerträge von 50 bis 100 Kilogramm Trüffel pro Hektar.

Angesichts der Markterlöse von circa 200 Euro für das Kilogramm Sommertrüffel und dreimal so viel für Wintertrüffel kein schlechtes Geschäft. Erweist sich Herrmanns Modellversuch als Erfolg, könnte er dazu beitragen regionale und exklusive Wertschöpfungsketten aufzubauen. Bereits jetzt erreichen ihn wöchentlich ein bis zwei Anfragen von Hobbygärtnern und Landwirten. Sie fragen ihn nach den besten Böden, wie Bewässerung funktioniert oder wie sie die Pflanzen vor Mäusen und Wildtieren schützen können.

Auch Markus Mayer, Leiter der Geschäftsstelle des deutschen Trüffelverbandes, bestätigt das zunehmende Interesse und immer mehr Anfragen an den Verband. Die Mitglieder bauen derzeit auf rund 60 Hektar in Deutschland Trüffelbäume an.

Kostbar: das Wissen um den Trüffelanbau

Das Wissen um den Trüffelanbau in Deutschland ging während des 20. Jahrhunderts immer mehr verloren. Und das obwohl sich im 18. und 19. Jahrhundert vor allem die bayerischen Höfe intensiv um den Trüffel kümmerten.

Bis in die 1920er Jahre war Deutschland Trüffel-Exportland, was sich auch in der bürgerlichen Küche widerspiegelte. Trüffelleberwurst und Fasan gefüllt mit Trüffel zählten zu den damaligen Klassikern. Warum der Kult um Trüffel verloren ging, ist nicht so ganz klar. Vielleicht weil die Nationalsozialisten den Handel untersagten, weil die Knollen als „französisch“ galten. Seit Ende der 1980er Jahre stehen sie zudem unter Naturschutz. Das heißt Trüffel dürfen zwar gesucht und gefunden werden, mitnehmen dürfen Sammler sie aber nicht. Sonst droht ein Ordnungsgeld. In Deutschland dürfen nur Personen mit einer Entnahmegenehmigung Pilze zu Forschungszwecken aus dem Wald mitzunehmen.

Trüffelpioniere gründen erste Baumschule

Pflanzmaterial oder das Know-How über den Anbau aus anderen Ländern wie der Trüffelnation Frankreich zu importieren ist schwierig, weil dort andere Klimabedingungen herrschen. Aufschwung bekam die Trüffelkultur im deutschsprachigen Raum erst wieder durch spezialisierte Baumschulen. Dass es 2007 die erste gab, verdankt Gründer Ludger Sproll seiner Hündin Diana. Sie spürte am Kaiserstuhl eine wilde Burgundertrüffel auf. Was für Pilzsammler Sproll bis dahin ein Hobby war, wurde zur Berufung. Gemeinsam mit seinem Freund und Wissenschaftler Ulrich Stobbe entwickelte er Anbautechniken, vier Jahre später pflanzten sie die ersten Trüffelbäume in Bodman-Ludwigshafen. „Die Nachfrage nach Setzlingen wächst zwar langsam, aber stetig“, sagt Sproll. Er hofft, dass sich nach den ersten Ernten der Trüffelanbau in Deutschland wieder zu einem landwirtschaftlichen Zweig etabliert. Auf rund 70 Hektar gedeihen derzeit Trüffelbäume seiner Baumschule. „Bayern eignet sich durch die für Trüffel optimalen Standortbedingungen und viel Wildwuchs in Oberfranken für den Anbau besonders gut“, sagt er. Deshalb arbeitet der Trüffelfan auch eng mit der oberfränkischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau zusammen. Sie ist bislang die einzige staatliche Institution die sich den kostbaren Exoten verschrieben hat.

Da die Wildbestände immer weiter zurückgehen, stammt weltweit der größte Anteil der gehandelten Speisetrüffel aus Plantagen. Die 40 bis 60 Tonnen Trüffel, die die Deutschen jedes Jahr verspeisen, kommen bislang aus Frankreich, Italien oder Spanien. Das wollen sowohl Wissenschaftler Herrmann und als auch Gärtner Sproll in den kommenden Jahren ändern. Vielleicht ist Bayern dann bald auch das Land der Trüffel.

Trüffel: Schwarze Diamanten

Trüffel gehören zu den Schlauchpilzen. Von den weltweit mehreren hundert Arten „echter Trüffel“ kommen in Europa etwa 60 Arten vor. Für Händler sind allerdings nur drei weiße und acht schwarze Trüffelarten relevant. Als kulinarisch wertvollste Art gilt in Deutschland die schwarze Burgundertrüffel. Sie schmecken nach Haselnüssen und duften nach Lauch, Leder, Knoblauch oder auch Kohl. Die Fruchtkörper sind zwischen zwei und acht Zentimeter, manchmal sogar so groß wie eine Faust. Der französische Bauer Joseph Talon aus der Provence gilt als Erfinder der Trüffelkultur. Er hatte zufällig entdeckt, wie sich Eichen mit Trüffel „infizieren“ lassen und etablierte ab 1810 „Truffièren“.