Mitarbeiter in der Lackieranlage. (Bild: Rehau)
Innovation

Glanzvoll und grün

Mit Umweltfreundlichkeit und Energieeffizienz punktet der Automobilzulieferer Rehau in seiner neuen Lackieranlage in Viechtach. Das neue Werk verdoppelt die Kapazitäten und sorgt für neue Arbeitsplätze in der niederbayerischen Region.

Jeden Tag könnte der Automobilzulieferer Rehau 280 Fußballfelder lackieren. Das wäre nach einem Jahr eine Fläche von zwei Millionen Quadratmeter – und etwa die jährliche Leistung der neuen Anlage im niederbayerischen Viechtach. Allerdings landet der Lack dort nicht auf der Fläche, sondern auf Heckspoilern und Stoßfängern. Knapp 60 Millionen Euro investierte das weltweit tätige Unternehmen in den Bereich Automotive. Und zwar in Form einer neuen, umweltfreundlichen Lackieranlage samt Logistikhallen mit Montageeinheiten.

Logistiker im Vorteil

Beim Baukonzept der neuen Halle haben die Experten aus der Not eine Tugend gemacht und gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. So haben die Konstrukteure das bestehende Gelände nicht begradigt, sondern sich mit den vorgegebenen topografischen Gegebenheiten arrangiert.

Dazu nutzten sie unter der Halle, in der die Lackieranlage steht, das natürliche Gefälle und errichteten einen Keller. Dort ist die Technik für die Lackieranlage untergebracht – mit dem positiven Effekt, dass die bestehenden Gebäude sich nun auf einer Ebene mit dem Erweiterungsbau befinden. Als „geniales und auch noch kostenschonendes Konzept“ lobte der stellvertretender CEO Stefan Girschik die Architekten.

Ein geniales und auch noch kostenschonendes Konzept.

Stefan Girschik, stellv. CEO Rehau Gruppe

Das 1986 gebaute Werk 11 im Industriegebiet Oberschlatzendorf hat damit seine Leistungskapazität verdoppelt. Künftig soll die Produktionsstätte Automobilkunden in Europa mit lackierten Außenanbauteilen bedienen – darunter BMW, Porsche, VW, Ford, Audi, Skoda, die französische PSA-Gruppe und Honda.

Mit der Investition leisten wir einen Beitrag zum Ausbau unserer Position als namhafter Automobilzulieferer.

Markus Grundmann, Vorsitzender der Geschäftsleitung Automotive

Kunden können zwischen mehr als 500 Wagenfarben wählen. Wodurch sich die Lackieranlage außerdem auszeichnet: Nachhaltigkeit. Denn die Anlage nutzt in der Bauteil-Reinigung das bereits vorhandene CO2 statt Wasser. Aber nicht nur das verbessert die Energieeffizienz. Bei Farbwechseln gibt es weniger Farbverluste und die Produktion von Abfall hat abgenommen. Die Mitarbeiter setzen in der Fertigung zudem auf Big Data, um die Lackierprozesse kontinuierlich zu optimieren.

Lackschicht so dick wie ein Haar

Eine Beschichtung muss übrigens viel mehr leisten, als nur glänzen. Heutzutage schützt das Lackieren die Karosserie eines Autos vor Korrosion und besteht in der Regel aus drei Schichten. Die Grundierung schützt vor Steinschlag, gleicht kleine Unebenheiten auf der Oberfläche aus und sorgt zudem dafür, dass der nachfolgende farbgebende Basislack besser haftet. Nach dieser Basis- oder Deckschicht haben die Teile die entsprechende Wagenfarbe. Letzter Schritt ist ein farbloser Klarlack, der für Glanz sorgt und das Design des Autos betont. Die Schicht schützt auch vor UV-Strahlung und Verschmutzungen. Alle drei Lackschichten zusammen sind dabei nicht stärker als ein menschliches Haar.

Nase vorne

Mit einem symbolischen Knopfdruck starteten Rehau-Vizepräsident Veit Wagner, stellvertretender CEO Stefan Girschik und Werkleiter Stefan Tetek gemeinsam mit Agrarminister Helmut Brunner die neue Produktionslinie. In die Konzeption der Lackieranlage hat der Polymerspezialist vor allem eigenes Know-how einfließen lassen. „In punkto Arbeitsplätze, Leistung, Energieeinsatz, Nachhaltigkeit und Intelligenz – womit vor allem die Industrie 4.0-Meilensteine in der Digitalisierung gemeint sind – liegen wir ganz vorne“, sagte Helmut Ansorge, Geschäftsleitungsmitglied Automotive und einer der technischen Urheber der Anlage.

Ansorge schätzt auch die Man-Power, die hinter der Technik steckt. Vor allem hob er die Bodenständigkeit seiner Truppe hervor, bestehend aus jungen Ingenieuren und „alten Hasen“, die bereits 1986 die erste Lackieranlage mit geplant hätten. „Die doppelte Kapazität auf die Beine zu stellen, das ist schon eine Hausnummer!“ lobte er. Das Unternehmen schaffe damit wichtige Arbeitsplätze in der Region. Rund 30 bis 35 neue Arbeitsplätze sollen in den kommenden zwei Jahren dazukommen.

Wie funktioniert die CO2-Reinigung?

Jedes Kunststoffbauteil muss vor der Lackierung gereinigt werden. Beim sogenannten Powerwash läuft das ähnlich wie in einer Autowaschanlage ab. Dabei kommen Reinigungschemikalien, heißes Wasser, Blasluft und Trockenluft zum Einsatz. Die CO2-Reinigung kommt mit viel weniger Energie aus. Sie braucht lediglich eine Roboterzelle und CO2 als Gas. Größter Vorteil ist, dass sie kein kostbares Wasser benötigt. Mit einer speziellen Düsentechnik wird das CO2 zu einer Art Schnee umgewandelt. Damit reinigen Roboter gezielt die zu lackierenden Bereiche der Kunststoffteile. Das CO2 entsteht bei Rehau durch biochemischen Prozesse, quasi als Abfallprodukt, und muss nicht speziell für diesen Zweck erzeugt werden.

Rehau: Größter Arbeitgeber in der Region

Knapp 600 Mitarbeiter sind im Werk Viechtach 11 für Rehau tätig, im benachbarten Werk 5 rund 500 Mitarbeiter. Knapp 90 junge Leute absolvieren derzeit eine Ausbildung. Damit zählt Rehau zu den größten Arbeitgebern der Region. Erst im November 2015 hatte das weltweit tätige Unternehmen am Standort Viechtach ein firmeneigenes Leichtbautechnikum eröffnet, das zu Forschungszwecken im Bereich neuer Technologien für die Automobilindustrie genutzt wird.