Der Neubau der EZB. Im Vordergrund die langgestreckte ehemalige Großmarkthalle mit dem verbindenden Eingangsbauwerk oben drauf. Dahinter die zwei Bürotürme. (Bild: European Central Bank/Robert Metsch/fkn)
Brexit

Frankfurt: Am Puls der Finanzbranche

Einflussreiche Institutionen, per Flugzeug erreichbar, günstige Mieten, wenig Kriminalität - Frankfurt punktet in vielen Bereichen gegenüber Finanzmetropolen wie Paris und Luxemburg, laut einer neuen Studie. Damit erhöhen sich nach dem Brexit-Votum die Chancen, dass sich künftig immer mehr Investoren und Banken für den Standort am Main entscheiden.

Wer an die Stadt am Main denkt, denkt an Flughafen, Frankfurter Würstchen, an Börse, Buchmesse, Grüne Sauce und Skyline. Frankfurt bringt auf reizvolle Art und Weise Gegensätzliches zusammen. Und dürfte im Vergleich zu anderen großen europäischen Finanzplätzen am meisten vom Brexit-Votum Großbritanniens profitieren. Das zeigt eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, laut Deutscher Presse-Agentur. Die Finanzmetropole hat demnach im Wettbewerb mit Paris, Dublin und Luxemburg die besten Chancen, aus London verlagerte Arbeitsplätze und Firmen anzuziehen.

Nach dem Brexit-Referendum ist es ungewiss, ob Geldhäuser weiter von London aus Finanzgeschäfte in der gesamten EU betreiben dürfen. Für den sogenannten EU-Pass reicht ihnen bisher die Zulassung in Großbritannien. Das nutzen gerade große US-Banken.  Allein 30 Mitglieder des Verbands der Auslandsbanken in Frankfurt halten einen solchen EU-Pass in London, sagt Verbandspräsident Stefan Winter gegenüber dem Sender ZDF. Künftige Verträge zwischen der EU und Großbritannien könnten allerdings London die Kompetenz einräumen, weiterhin solche Lizenzen ausstellen zu dürfen. Trotzdem haben mehrere Banken schon angekündigt, Jobs zu verlagern. Die Deutsche Bank könnte einen Teil ihrer etwa 9.000 Mitarbeiter an der Themse an den Stammsitz zurückholen. „Wir als Bank mit Sitz in Deutschland und mit einem starken Geschäft in Großbritannien sind gut darauf vorbereitet, die Folgen des Austritts für uns abzumildern“, sagte Deutsche-Bank-Chef John Cryan dem ZDF. Die Lobbyvereinigung „Frankfurt Main Finance“ rechnet mit 10.000 neuen Arbeitsplätzen am Main binnen fünf Jahren.

Nähe zur EZB

Für Frankfurt, so das IW, spreche der Sitz der Europäischen Zentralbank (EZB), die Verantwortung für die Geldpolitik und Aufsicht über die größten Banken der Eurozone vereint. Aber auch weitere einflussreiche Behörden wie die europäische Versicherungsaufsicht EIOPA und der EU-Systemrisiko-Rat ESRB (dient der Früherkennung, Prävention und Bekämpfung von systemischen Risiken innerhalb des EU-Finanzmarktes) haben ihre Geschäftsstelle in Frankfurt.

In Paris habe zwar die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ihren Hauptsitz, doch diese sei für die Finanzbranche weniger bedeutsam als die EZB.

Die Nähe zur Notenbank ist wichtig für Banken, da sie so direkt mit der Aufsicht kommunizieren können.

Michael Voigtländer, Leiter des Kompetenzfelds Finanzmärkte und Immobilienmärkte des IW

Günstige Immobilien

Luxemburg beheimate zwar eine große Fondsbranche, schneide aber ebenso wie Dublin bei der Infrastruktur schlechter ab. Frankfurt sei dank des großen Flughafens deutlich leichter zu erreichen. Ferner punkte die Stadt mit leicht verfügbaren Gewerbeimmobilien – im Gegensatz zu Paris. Hier ist es deutlich schwieriger, Büroräume zu finden, die hochwertig und erschwinglich sind. An der Seine seien die Mieten für erstklassige Gewerbeimmobilien um 50 Prozent höher als am Main.

Wenig Kriminalität

Außerdem biete Frankfurt eine höhere Lebensqualität als die Konkurrenz dank guter medizinischer Versorgung und Infrastruktur sowie weniger Kriminalität. In einem Ranking der Unternehmensberatung Mercer stehe die Stadt auf Platz 7, Luxemburg auf Platz 19, Dublin auf Platz 33 und Paris an 37. Stelle. Auch wenn Lebensqualität eine Frage der Vorlieben sei:

Mit seiner bereits starken Position als Finanzstandort für den europäischen Binnenmarkt könnte Frankfurt weitere Banken und Investoren anziehen.

Institut der deutschen Wirtschaft

London werde aber trotz Brexit-Votum wichtigstes Finanzzentrum in Europa bleiben, meinen die Wirtschaftsforscher. Dafür sprechen die Kräfteverhältnisse, mehr als doppelt so viele Menschen arbeiten (noch) in London in der Finanzbranche. Dort waren Ende 2015 rund 144.000 Menschen im Bankensektor beschäftigt, in Frankfurt waren es nur 62.500 gemäß Zahlen der Landesbank Helaba.

Auswirkungen werden erst 2017 spürbar

Bis britische Banker an den Main ziehen, dürfte auch noch etwas Zeit vergehen, sagt Voigtländer. Großbritannien hat noch nicht den Austritt aus der EU beantragt und steht vor langwierigen Verhandlungen über die Handelsbeziehungen. Erst 2017 dürfe spürbar werden, wie groß die Jobverlagerungen aus London ausfallen, prognostiziert der Wirtschaftsexperte. 10.000 bis 20.000 neue Jobs könnten am Main entstehen, schätzen Beobachter.

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