Die Suche nach einem Praktikumsplatz wird immer schwerer. Grob gerechnet halbierte sich nach der Einführung des Mindestlohns die Zahl der Unternehmen, die Praktika anbieten. Bild: Imago/STPP
Mindestlohnregelung

Bärendienst für Praktikanten

Das Münchner ifo Institut schlägt Alarm: Der Mindestlohn zerstört immer mehr Praktikumsplätze, weil sie den Unternehmen schlicht zu teuer kommen. Die Studenten sehen die Entwicklung ebenfalls kritisch. Ihnen sind die gesammelten Erfahrungen in den Firmen deutlich wichtiger als das zusätzliche Geld.

Der „Tag der Praktikanten“ war in diesem Jahr weder für Studenten noch für Unternehmer ein Anlass, in Freude auszubrechen: Erstmals hatte die Münchner HR-Unternehmensberatung Clevis Consult in Zusammenarbeit mit der Jobbörse Absolventa sowie der Funke Mediengruppe Ende Januar eine Studie veröffentlicht, die die Auswirkungen des Mindestlohns auf die deutschlandweiten Praktika beleuchtete. Das Ergebnis zeigte schon damals, dass die Praktikanten jetzt zwar mehr Geld verdienen (+10,6 Prozent), allerdings viel seltener in den Genuss längerer Ausbildungszeiten kommen. Bekanntlich sind vom Mindestlohn nur Praktika ausgenommen, die kürzer als drei Monate sind sowie Pflichtpraktika und die Vergütungen für Langzeitarbeitslose innerhalb der ersten sechs Monate.

Nur noch halb so viele Unternehmen bieten Praktikumsplätze

Die nun vom ifo-Institut ermittelten Zahlen zeichnen ein düsteres Bild für „die Generation Praktikum“: Demnach gaben vor der Einführung des Mindestlohns noch 70 Prozent der Firmen an, freiwillige Praktika anzubieten. Seit der Gesetzesnovelle sind es nur noch 34 Prozent. Gleiches gelte für Pflichtpraktika, heißt es von dem Münchner Wirtschaftsforschungsinstitut. Der Rückgang sei durchgängig in allen Größenklassen. Bei Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten sank der Anteil mit freiwilligen Praktika laut ifo Institut von 88 auf 52 Prozent; bei Pflichtpraktika von 91 auf 68 Prozent. In Betrieben mit weniger als 50 Beschäftigten gingen die Anteile von 59 auf 26 Prozent (freiwillige) und von 49 auf 21 Prozent (Pflichtpraktika) zurück.

Unsere Studie zeigt deutlich, dass die Gründe für ein Praktikum in erster Linie darin liegen, zu lernen, den eigenen Lebenslauf aufzuwerten sowie die betreffende Branche des jeweiligen Arbeitgebers kennen zu lernen. Die Gehaltsfrage spielt nur eine untergeordnete Rolle.

Studienleiterin Kristina Bierer über die Erhebung von CLEVIS Consult

Das gibt freilich auch den jungen Leuten zu denken. Grundsätzlich stoße der Mindestlohn bei den Praktikanten auf Zustimmung, heißt es in der mit 6200 Teilnehmern deutschlandweit größten Praktikantenstudie der Unternehmensberatung Clevis Consult. 78 Prozent befürworten demnach die Einführung eines Mindestlohnes, allerdings geben auch 75 Prozent an, dass es wichtiger sei, „relevante Erfahrungen zu sammeln als angemessen zu verdienen“. Dass ihnen die Entlohnung letztlich nicht so wichtig ist, zeigt sich auch darin, dass die Zufriedenheit der Praktikanten mit ihrem Gehalt nur geringfügig von 52,4 Prozent auf 55,7 Prozent gestiegen ist, heißt es. „Unsere Studie zeigt deutlich, dass die Gründe für ein Praktikum in erster Linie darin liegen, zu lernen, den eigenen Lebenslauf aufzuwerten sowie die betreffende Branche des jeweiligen Arbeitgebers kennen zu lernen. Die Gehaltsfrage spielt nur eine untergeordnete Rolle. Der Mindestlohn wird zwar prinzipiell begrüßt, ist aber nicht das Kernargument für oder gegen ein Praktikum“, fasst es Studienleiterin Kristina Bierer von CLEVIS Consult zusammen. Gar als Hindernis sehen die 8,50 Euro die Verantwortlichen des an der Studie beteiligten Karrierenetzwerks Absolventa: „Die Übertragung des Mindestlohns auf Praktikanten ist nicht in deren Sinne“, sagt Geschäftsführer Christoph Jost der Zeitung Die Welt.

BDA: Mindestlohnregelung schadet Absolventen von Fächern ohne festen Berufsbezug

Kritik an der Mindestlohnregelung für Praktikanten kommt auch von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), die sich dafür einsetzt, Praktika generell für zwölf Monate vom Mindestlohn zu befreien. Die Vereinigung konnte vor der Einführung zumindest einen Teilerfolg erringen, indem immerhin für Pflichtpraktika, die in der Studien- und Prüfungsordnung der jeweiligen Hochschule vorgesehen sind, keine 8,50 Euro pro Stunde gezahlt werden müssen. Die Mindestlohnpflicht für alle Praktika nach dem Hochschulabschluss sowie während des Studiums, die länger als drei Monate dauern, bemängelt die BDA aber nach wie vor: „Diese Regelung schadet insbesondere den Absolventinnen und Absolventen von Fächern ohne festen Berufsbezug, beispielsweise aus den Geistes- und Kulturwissenschaften. Von Fächern also, deren Studium traditionell wenig praxisorientiert ist und deren Curricula zudem nur selten Pflichtpraktika beinhalten.“