Auch für Bayern eine Schreckensvision: Der mögliche Austritt Großbritanniens würde die Wirtschaft im Freistaat treffen. Bild: Imago/i Images
BIHK-Konjunkturumfrage

Boom mit erheblichen Risiken und Nebenwirkungen

Im Sport ist Doping verboten, aber die Wirtschaft lässt sich gerne aufputschen: Gestärkt von niedrigen Zinsen und billigem Öl läuft auch im Freistaat die Konjunktur derzeit weiter wie geschmiert. Der Bayerische Industrie- und Handelskammertag (BIHK) sieht allerdings keinen Grund zur Euphorie. Er warnt viel mehr vor schlechteren Zeiten, die drohen.

„Die Niedrigzinspolitik der EZB und billiges Öl lassen die Konjunktur robuster erscheinen, als sie tatsächlich ist“, sagte Hauptgeschäftsführer Peter Driessen heute in München bei der Vorstellung der Ergebnisse der aktuellen BIHK-Konjunkturumfrage unter rund 4000 bayerischen Betrieben. Die meisten von ihnen schweben derzeit auf Wolke sieben: „Die Unternehmen im Freistaat sind mit ihrer Geschäftslage weiterhin sehr zufrieden“, berichtete Driessen. Der BIHK-Konjunkturindex verharrt demnach bei starken 128 Punkten. Beinahe jeder zweite Betrieb bezeichnet seine Lage als „gut“, nur bei sieben Prozent der Firmen laufen die Geschäfte schlecht. Und auch der Blick in die nähere Zukunft ist für sie rosig: So erwarten laut BIHK 26 Prozent der bayerischen Betriebe eine Verbesserung, nur zehn Prozent eine Eintrübung ihrer Geschäfte. „In den kommenden zwölf Monaten wird die bayerische Wirtschaft daher moderat wachsen“, schließt der BIHK-Chef daraus. Und das wirkt sich auch positiv auf den Arbeitsmarkt aus, 17 Prozent der Firmen im Freistaat wollen Personal einstellen.

Die ultralockere Geldpolitik sowie eine Politik wohlfeiler Versprechen ohne Interesse an solidem Wachstum werden von immer mehr Unternehmen als Risiko eingestuft.

Peter Driessen, BIHK-Hauptgeschäftsführer

Dass sich die Unternehmen von dem aktuellen Boom nicht blenden lassen, darauf deutet allerdings die nach wie vor ihre mäßige Investitionsbereitschaft hin: Elf Prozent wollen ihre Investitionen laut Konjunkturumfrage zurückfahren, zehn Prozent sogar ganz darauf verzichten. Der Grund: „Die ultralockere Geldpolitik sowie eine Politik wohlfeiler Versprechen ohne Interesse an solidem Wachstum werden von immer mehr Unternehmen als Risiko eingestuft“, erläuterte Driessen. Er kritisierte mangelnden Reformeifer der Bundesregierung, die von niedrigen Finanzierungskosten der Staatsschulden sowie sprudelnden Steuereinnahmen profitiere. Unterm Strich sehe fast jedes zweite Unternehmen in diesen schlechten wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen „eine Gefahr für seine Geschäftsentwicklung“.

Es wird fast nichts ausgelassen, um die im vergangenen Jahrzehnt gewonnene Wettbewerbsfähigkeit wieder zu verschenken.

Peter Driessen, zu geplanten Einschränkungen bei Werk- und Dienstverträgen sowie Zeitarbeit

Kein gutes Haar ließ Driessen auch an den von der SPD vorangetriebenen „drohenden Flexibilitätseinschränkungen“ bei Werk- und Dienstverträgen sowie Zeitarbeit: „Es wird fast nichts ausgelassen, um die im vergangenen Jahrzehnt gewonnene Wettbewerbsfähigkeit wieder zu verschenken“, so der Hauptgeschäftsführer, der auch die Europäische Zentralbank (EZB) aufs Korn nahm: Im Kreditgewerbe herrsche Krisenstimmung, die niedrigen Zinsen sowie die zunehmende Regulierung stellten das bisherige Geschäftsmodell der Banken in Frage. Die expansive Geldpolitik der EZB sorge nicht nur für ein „Bankenbeben“, sondern verunsichere auch die Verbraucher und Unternehmen. Als Schlagworte in dem Zusammenhang nannte Driessen dabei „steigende Haftungsrisiken“, „Negativzins“, „Helikoptergeld“, „Bargeldabschaffung“ sowie „Blasenbildung auf Immobilien- oder Finanzmärkten“.

Brexit würde auch in Bayern ein Beben auslösen

Mit Sorge blickt der Bayerische Industrie- und Handelskammertag auch nach England und die bevorstehende Volksabstimmung zum Verbleib Großbritanniens in der EU. Ein Austritt würde auch in Bayern „ein kräftiges Beben auslösen“, ist sich Driessen sicher. Denn das Vereinigte Königreich sei Bayerns fünftgrößter Handelspartner. Die Exporte des Freistaats auf die Insel hätten im vergangenen Jahr um 22 Prozent zugenommen. Laut BIHK ist das der stärkste Zuwachs unter den zehn größten bayerischen Exportmärkten. „Ein Brexit würde diese Entwicklung erheblich gefährden“, so der BIHK-Chef.