Letzten Trumpf verspielt?
Unverständnis, Spekulationsblasen, gefährliche Nebenwirkungen, Rettung von Zombiebanken, Frontalangriff auf Sparer - von Wirtschaftsökonomen hagelt es nach der Entscheidung der Europäischen Zentralbank heftige Kritik und pessimistische Prognosen. Eine der größten Befürchtungen: Die EZB könnte im Falle einer anhaltend niedrigen Inflation noch einmal nachlegen.
Europäische Zentralbank

Letzten Trumpf verspielt?

Unverständnis, Spekulationsblasen, gefährliche Nebenwirkungen, Rettung von Zombiebanken, Frontalangriff auf Sparer - von Wirtschaftsökonomen hagelt es nach der Entscheidung der Europäischen Zentralbank heftige Kritik und pessimistische Prognosen. Eine der größten Befürchtungen: Die EZB könnte im Falle einer anhaltend niedrigen Inflation noch einmal nachlegen.

Die Europäische Zentralbank kämpft mit allen Mitteln gegen Mini-Inflation und Konjunkturschwäche: Die Währungshüter senkten den Leitzins überraschend von 0,05 Prozent auf null Prozent. Zugleich pumpt die Notenbank noch mehr Geld in den Markt und brummt Finanzinstituten, die Geld bei ihr parken, höhere Strafzinsen von 0,4 Prozent auf. Außerdem gibt es neue billige Langfristkredite für Banken.

Wir werden nicht vor der niedrigen Inflation kapitulieren.

Mario Draghi, Präsident Europäische Zentralbank

Die Beschlüsse der Europäischen Zentralbank stoßen bei Ökonomen auf massive Kritik. Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn, der Wirtschaftsweise Lars Feld und der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest, äußerten in der Bild-Zeitung völliges Unverständnis für die Entscheidungen der Währungshüter. „Die EZB ist zum Gefangenen der eigenen Ankündigungen geworden“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Martin Wansleben, der Nachrichtenagentur Reuters. „Sie hat ohne Not nun ihren letzten Trumpf ausgespielt. Dabei überwiegen eindeutig die Risiken: Die Wirkung des Ankaufs von Staatsanleihen auf die Preisentwicklung in der Eurozone ist unsicher.“ Zugleich werde damit der Druck auf die Krisenstaaten gemindert, dringend notwendige Reformen durchzuführen. „Auch die Gefahr von Spekulationsblasen an den Finanzmärkten lässt er weiter steigen“, sagte Wansleben. Kritik kommt auch aus der CDU.

Es gibt keine Abwärtsspirale fallender Preise, Löhne und Gehälter. Bei einer falschen Medizin hilft es nicht, die Dosis weiter zu erhöhen. Die gefährlichen Nebenwirkungen lassen sich längst nicht mehr schönreden.

Wolfgang Steiger, Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates

Rettung von Zombiebanken

„Diese Maßnahme hilft dem Süden der Euro-Zone, der Norden braucht sie nicht“, erklärte der Chef des Wirtschaftsrates der CDU, Kurt Lauk. Dieser Meinung ist auch Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn: „Dass die EZB nun beschlossen hat, den konkursgefährdeten Banken Südeuropas Langfristkredite zu einem negativen Zins von bis zu 0,4 Prozent zu geben, beweist einmal mehr, dass sie eine fiskalische Umverteilungspolitik zur Rettung von Zombiebanken und fast konkursreifen Staaten betreibt.“ Wirtschaftsweise Lars Feld deutet beispielsweise daraufhin, dass Länder wie Italien trotz des Zinstiefs keine Reformen durchführen und Ausgaben eher noch erhöhen.

Angst vor Crash in Deutschland

Der Präsident des Bayerischen Finanzzentrums, Wolfgang Gerke, sprach von einem „Frontalangriff auf alle Sparer“. Die EZB fahre „einen hochriskanten Kurs“, sagte er der Passauer Neuen Presse. Gerke warnt davor, dass sich Blasen bilden könnten, weil die Bürger sich sehr günstig Kredite besorgen könnten. „Es braucht nur ein ungünstiges Ereignis – und plötzlich reagieren die Märkte über.“ Dies könne auch in Deutschland zu „einem Crash führen,  wie wir ihn zuletzt in den USA erlebt haben“. Auch dort seien die Immobilienmärkte wegen einer ganz ähnlichen Notenbankpolitik heiß gelaufen.

Jörg Krämer, der Chefvolkswirt der Commerzbank sagte der Wirtschaftswoche: „Da das Programm 19 Monate laufen soll, dürften mehr als 1000 Milliarden Euro in den Markt gepumpt werden.“ Damit sei das Kaufprogramm deutlich größer, als es die meisten Experten erwartet hätten. Darüber hinaus habe Draghi gesagt, dass solange gekauft wird, wie es die Inflation notwendig erscheinen lässt. „Das könnte darauf hindeuten, dass die EZB im Falle einer anhaltend niedrigen Inflation noch einmal nachlegt.“

dpa/AS