Großbritannien hat sich für den Ausstieg aus der EU entschieden. (Bild: Ralph Peters/Fotolia)
Brexit-Debatte

Die Sorge wächst

Je näher die Abstimmung um einen Verbleib Großbritanniens in der EU rückt, desto leidenschaftlicher wird die Debatte um die Folgen eines Brexits. Aus Deutschland schlagen dabei nicht nur Politiker wie Manfred Weber Alarm - auch Vertreter der Wirtschaft befürchten große Nachteile, sowohl für europäische als auch für britische Unternehmen. Bayerns Autobauer sehen die Entwicklung mit Sorge.

Nein, neue Freunde hat sich David Cameron mit seinem EU-Kompromiss nicht gemacht. Im eigenen Land herrscht immer noch Unzufriedenheit seit dem Gipfel von Brüssel, bei dem der britische Premier sich als hart kämpfender Ritter für sein Land inszeniert und einen Kompromiss erstritten hatte, auf Basis dessen er seinen Landsleuten den EU-Verbleib empfehlen konnte. Der generelle Tenor: Cameron habe nicht das Optimale herausgeholt, der Kompromiss sei nicht gut genug, damit die Insel weiter Teil der Union bleiben könnte.

Ganz anders sieht man den Kompromiss dagegen auf dem Festland: Dort wird Cameron für seine harten Verhandlungen kritisiert. Hier herrscht die Meinung vor, man sei Großbritannien in manchen Bereichen zu weit entgegenzukommen.

Kein Wunder also, dass allerorten über mögliche Konsequenzen diskutiert wird, sollten sich die Briten am 23. Juni für einen EU-Austritt entscheiden. Auf der Insel selbst sprechen sich alle Parteien außer UKIP und Teilen von Camerons Tories für einen Verbleib aus – und liegen damit auf einer Linie mit großen Teilen der Wirtschaft, die herbe Umsatzeinbußen und hohe Zölle auf ihre Waren befürchten.

Die EU ist mehr als „nur ein Markt“

In Europa ist die Sache dagegen klar: Die Stimmen für einen „Brexit“ muss man in Berlin, Brüssel, Paris oder Madrid mit der Lupe suchen – trotz der klaren Zugeständnisse an London. Der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europaparlament und stellvertretende CSU-Chef Manfred Weber stellte bei einer Veranstaltung in Augsburg am Wochenende fest, Europa sei „mehr als nur ein Markt“ – und widersprach damit der Darstellung vieler britischer Politiker, die in der EU allerhöchstens wirtschaftliche Vorteile für ihr Land sehen. Europa sei stattdessen vielmehr eine Wertegemeinschaft – „und zu dieser Gemeinschaft gehört ganz besonders auch das Vereinigte Königreich“, stellte Weber fest.

Wichtigster EU-Absatzmarkt für deutsche Autobauer

Dennoch: Die wirtschaftlichen Folgen eines möglichen EU-Austritts treiben auch die großen Unternehmen auf dem Festland um, zum Beispiel die bayerischen Autobauer BMW und Audi.

In Europa wurden im vergangenen Jahr 13 Millionen Autos zugelassen – davon 2,5 Millionen in Großbritannien, stellten die Unternehmen in einer Pressemitteilung fest. Zum Vergleich: In Frankreich waren es 1,9 Millionen, in Italien gerade mal 1,6 Millionen. Das Königreich ist für die deutschen Autobauer nach China, den USA und Deutschland der wichtigste Absatzmarkt. „Die Briten kaufen inzwischen gern wieder teure Autos“, betonten die Unternehmen. Die deutschen Hersteller kommen laut Branchenverband VDA in Großbritannien auf einen Marktanteil von gut 52 Prozent. Der Anteil der Oberklasseautos dort ist laut Daimler doppelt so hoch wie in Frankreich oder Italien.

Wichtiger Verkaufsort für Premium-Modelle

„Nach der Krise gibt es dort wieder eine gesunde Mittelschicht, die sich auch etwas gönnt“, erklärte etwa Peter Fuß von der Wirtschaftsberatung Ernst & Young (EY). Großbritannien sei ein extrem wichtiger Automarkt, gerade für die Autobauer aus Deutschland. Ein Austritt Großbritanniens könnte die deutschen Hersteller daher hart treffen. BMW-Vertriebsvorstand Ian Robertson sagte kürzlich, er würde einen Austritt Großbritanniens „sehr bedauern“. 2015 hat der Münchner Konzern dort fast drei Mal so viele Autos verkauft wie in Frankreich.

Auch bei Audi schätzt man die „Premium-Affinität des britischen Marktes“. Die Nachfrage nach gut motorisierten Modellen sei auf der Insel sehr hoch, sagte eine Sprecherin der Ingolstädter Autobauer. Auch wenn es im italienischen und spanischen Automobil-Gesamtmarkt wieder bergauf geht, ist die wirtschaftliche Situation nicht mit Deutschland oder Großbritannien vergleichbar. Denn Kaufkraft und Lohnniveau in Italien und Spanien lägen unter dem Niveau Deutschlands oder Großbritanniens.