Immobilien in Polen waren in den vergangenen Jahren bei Anlegern beliebt. Die neue Regierung sorgt nun aber für immer mehr Verunsicherung. Bild: Imago/newspix
Polen

Steuerkeule verschreckt die Investoren

In Zeiten niedriger Zinsen und schwankender Aktienmärkte gelten Immobilien für Anleger als sichere Häfen. Ein wahres Eldorado bot sich Investoren in den vergangenen Jahren in Polen. Die im Oktober gewählte, national gerichtete Regierung sorgt mit ihren Reformen nun aber auch bei ihnen für Verunsicherung – aktuell vor allem mit der geplanten Sondersteuer für den Einzelhandel.

Allein im vergangenen Jahr wurde in Polen eingekauft wie lange nicht: Auf 4,05 Milliarden Euro beliefen sich nach einem Bericht der Zeitung Die Welt 2015 die Investitionen in Immobilien. 55 Prozent davon – also rund 2,23 Milliarden Euro – entfielen auf Einzelhandelsimmobilien. Sie könnten bald im Feuer stehen.

Ausländische Unternehmen zahlen die Zeche

Die Nationalkonservativen um Ministerpräsidentin Beata Szydlo wollen eine weitere Reform umsetzen, mit der sie ihre Wahlversprechen wie zum Beispiel das höhere Kindergeld zu finanzieren gedenken. Abkassiert wird bei den größeren Einzelhändlern. Alle Geschäfte und Supermärkte mit Flächen von mehr als 250 Quadratmetern sollen demnach eine Sondersteuer von zwei Prozent von ihren Umsätzen an den Staat bezahlen. Pikanterweise sind davon fast ausschließlich ausländische Unternehmen betroffen: etwa Lidl, Aldi und Metro aus Deutschland, Tesco (Großbritannien) sowie Auchan und Carrefour aus Frankreich. Besonders hart trifft die Steuer demnach die portugiesische Unternehmensgruppe Jerónimo Martins. Ihr gehört die polnische Einzelhandelskette Biedronka, die im Land mehr als 2100 Filialen betreibt. Polen-Reisende erkennen sie an dem großen Marienkäfer auf den Dächern.

Die polnischen Pläne behindern die Geschäfte ausländischer Unternehmen und stellen eine klare Diskriminierung auch deutscher Händler dar. Schon seit mehreren Jahren sehen sich auch deutsche Handelsunternehmen vor allem in osteuropäischen Ländern immer wieder mit Diskriminierungen konfrontiert. Das gefährdet über Jahrzehnte getätigte Investitionen und Arbeitsplätze vor Ort.

Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE)

„Die polnischen Pläne behindern die Geschäfte ausländischer Unternehmen und stellen eine klare Diskriminierung auch deutscher Händler dar“, warnte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), Stefan Genth, bereits im November vergangenen Jahres. Deutsche Handelsunternehmen sehen sich seinen Angaben nach in osteuropäischen Ländern immer wieder mit Diskriminierungen konfrontiert. „Das gefährdet über Jahrzehnte getätigte Investitionen und Arbeitsplätze vor Ort“, klagte Genth, der die EU damals aufforderte, den einheitlichen Binnenmarkt in der Praxis vehementer und effizienter durchzusetzen.

Eigentümer von Immobilien blicken in unsichere Zukunft

Mit den Einzelhändlern fürchten nun auch Investoren um ihre Renditen in Polen. Sie hatten das Land bislang als krisensicheren Standort zu schätzen gewusst, heißt es. Die neuen Steuer-Pläne haben das Vertrauen in das Land nun erschüttert. Experten rechnen damit, dass der Einzelhandel Mietminderungen einfordern wird, um die Mehrausgaben auszugleichen. „Die Eigentümer dieser Immobilien blicken unsicheren Zeiten entgegen“, zitiert die Welt den Immobilienökonom Professor Günter Vornholz von der EBZ Business School in Bochum.

Auch Banken und Versicherer müssen blechen

Die regierende nationalkonservative Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) hatte nach ihrem Wahlsieg Ende Oktober vergangenen Jahres angekündigt, mit der Sondersteuer jährlich rund 3,5 Milliarden Zloty (rund 840 Millionen Euro) einnehmen zu wollen. Und der Aufschlag im Einzelhandel ist bekanntlich längst nicht die einzige Keule, mit der die Regierung des Landes für große Irritationen in Europa sorgt. So werden seit Neustem auch Banken und Versicherer verstärkt zur Kasse gebeten: Sie müssen jährlich eine Steuer von 0,44 Prozent auf Aktiva im Inland abführen. Nachdem dieses Gesetz Mitte Januar vom Parlament verbschiedet und vom Präsidenten unterschrieben worden war, reagierte die Ratingagentur Standard & Poors umgehend und stufte die Kreditwürdigkeit des Landes von A- auf BBB+ herunter.

Franken-Darlehen sollen umgewandelt werden

Medienberichten zufolge will die Regierung nun sogar direkt in Bankgeschäfte eingreifen. So sieht ein vorgelegter Gesetzentwurf vor, dass die Institute gezwungen werden sollen, in Schweizer Franken ausgegebene Immobiliendarlehen zu einem „fairen Wechselkurs“ in Zloty umzuwandeln. Hintergrund ist der gestiegene Franken, der viele polnische Immobilienkäufer in Schwierigkeiten gebracht hat. Zuvor hatten sie für die Franken-Darlehen deutlich weniger Zinsen für ihre Immobilienkredite gezahlt. Die Zeche sollen nun die Banken in Polen zahlen.

EU-Kommission prüft Reformen

Für großen Unmut haben europaweit bekanntlich auch ein neues Mediengesetz und die Entmachtung des polnischen Verfassungsgerichts durch die neue Regierung gesorgt (der Bayernkurier berichtete). Die Besetzung von Spitzenposten in Verwaltung und Staatsbetrieben durch Parteigänger ließ das Vertrauen weiter schwinden. Die EU-Kommission hat mittlerweile eine Prüfung der umstrittenen Reformen eingeleitet. Dazu nutzt Brüssel erstmals das 2014 geschaffene „Verfahren zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union“.