Dreiländertreffen in Nürnberg: Der Landesvorsitzende der Senioren-Union Bayern, Thomas Goppel (r.), der ehemalige bayerische Minsterpräsident Günther Beckstein (l.) und die Vizeprässidentin der Europäischen Senioren-Union (ESU), Elke Garczyk. (Foto: Wolfram Göll)
Senioren-Union

Bedingungen für aktives Leben im Alter

Damit Senioren bis ins hohe Alter aktiv sein können, muss die Politik bessere Rahmenbedingungen für Weiterbildung und Ehrenamt schaffen. Das fordert der frühere Ministerpräsident Günther Beckstein bei der Senioren-Union (SEN) in Nürnberg. Der SEN-Landesvorsitzende Thomas Goppel empfiehlt den Älteren, sich in allen aktuellen Fragen zu engagieren und „vernehmbar den Mund aufzumachen“.

Der Landesvorsitzende der Senoren-Union Bayern (SEN), Thomas Goppel, hat die ältere Generation aufgefordert, sich in den aktuellen Fragen entschlossen zu engagieren. Das gelte nicht nur für die Rentenfrage, sondern auch für die Außen- und Sicherheitspolitik. „Wir Alten sind gefordert, den Mund aufzumachen und unsere Erfahrungen einzubringen. Es gibt viele neue Aufgaben, die eigentlich alte Aufgaben sind. Wenn wir wollen, dass bestimmte Entwicklungen wie IS keine Chance haben, dann müssen wir anpacken“, so Goppel beim Dreiländertreffen der Senioren-Union in Nürnberg.

Im Süden und Südwesten Deutschlands die Partnerschaft zu den USA eine Kernerfahrung der Nachkriegszeit, die zu verloren gehen drohe, nannte Goppel als Beispiel. „Wir im Süden Deutschlands stehen deshalb so gut da, weil wir die Amerikaner als Besatzungsmacht hatten. Engländer, Franzosen, Russen waren nicht so freundlich.“ Das könne nur die ältere Generation so erzählen, so Goppel. „Wenn wir das nicht machen, ist das in zehn Jahren vorbei.“ Auch in der Sicherheitsdebatte hätten die Älteren aufgrund ihrer größeren Lebenserfahrung viel beizutragen: „Wir Alten sind für in der außen- und sicherheitspolitschen Diskussion mehr gefordert denn je. Doch außen- und wehrpolitische Erfahrung der Älteren, davon hört man heute leider kaum etwas.“

Beckstein fordert bessere Bedingungen für Ehrenamtler

Die Politik muss noch bessere Rahmenbedingungen schaffen, damit Senioren das Engagment im Ehrenamt, in der Vereinsarbeit sowie die familiäre Pflege erleichtert wird, forderte der ehemalige bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein bei derselben Veranstaltung. Die aktive Mithilfe der Senioren als Großeltern, private Pfleger sowie im Ehrenamt werde künftig noch größere Bedeutung haben. „Wer sich ordentlich im Ehrenamt engagiert, hat keine Zeit mehr für was anderes“, so Beckstein augenzwinkernd.

Mit Blick auf die revolutionären technischen Neuerungen seien Fortbildungs-Angebotefür Senioren nötig. Als Beispiel nannte Beckstein ehrenamtlich tätige Vereinsvorstände, die ihre Umsatzsteuererklärung nach Vereinsfesten heute nur noch online beim Finanzamt einreichen könnten. „Wer sich mit dem Internet nicht auskennt, kann diese ehrenamtliche Tätigkeit nicht mehr ausführen“, so Beckstein.

Ich bin gern alt. Und ehrlich: Ich bin froh, nicht mehr alles ausbaden zu müssen, was wir Politiker der jungen Generation eingebrockt haben.

Günther Beckstein, ehemaliger bayerischer Ministerpräsident

Der Alt-Ministerpräsident stellte fest, dass die mittlere Generation private Freundschaften intensiv pflege, doch weniger Zeit und Lust habe, sich neben der beruflichen und privaten Belastung auch noch in Vereinen zu engagieren. „Die Vereinsvorstände sind heutzutage 70 plus, und diejenigen, die die Angebote nutzen, sind 17 minus. Die Generation dazwischen fehlt“, so Beckstein.

Auch bei der Vermittlung religiöser Werte sei der Beitrag der Älteren absolut unverzichtbar, sagte Beckstein unter Hinweis auf seine frühere Tätigkeit als Vizepräsident der EKD-Synode. Die EKD habe erschreckt festgestellt, das die selbstverständliche Vermittlung des christlichen Glaubens von Eltern auf ihre Kinder etwa um 1970 abgerissen sei.

Ohne stabile Ehen droht Pflegenotstand

Die Pflege Älterer werde weit überwiegend privat von den – ebenfalls älteren – Ehepartnern abgedeckt, sagte Beckstein.. Das werde noch zunehmen. „Daher muss der Staat alles tun, um die Ehen und Partnerschaften zu stabilisieren“, forderte Beckstein. Denn wenn die private Pflege durch Ehe- oder Lebenspartner wegfalle, müsste alles öffentlich organsiert werden. Das sei nicht wünschenswert – und wohl auch kaum finanzierbar.

Viele Angehörige der mittleren Generation müssten heutzutage beruflich dermaßen flexibel sein, dass sie ihre Eltern gar nicht pflegen könnten. Viele müssten ständig bereit sein, für Montagen oder Projekte ständig weit zu reisen. Sogar der McDonalds-Konzern fordere von seinen Angestellten, binnen drei Tagen überall in Deutschland einsetzbar zu sein, erzählte Beckstein.

Null-Zinsen schädigen die private Vorsorge

In der Frage der Altersvorsorge sieht Beckstein größere Probleme auf die Gesellschaft und insbesondere die Älteren zukommen. Als Grund nannte er die niedrigen Zinsen. „Die Rentenreformen der 1990er und 2000er Jahre hatten zum Inhalt, neben die gesetzliche Rente private und betriebliche Vorsorge zu stellen. Doch das ist bei Nullzinspolitik nicht möglich. Da bricht die private Säule weg“, so Beckstein.

Besonders in Bayern werde sich das Problem verschärft darstellen, weil viele Frauen früher nicht oder nur wenig berufstätig waren. Dazu komme, dass in der unmittelbaren Nachkriegszeit die Einkommen in Bayern im Bundesvergleich unterdruchschnittlich waren. Die Freien Berufe seien besonders von der Nullzinspolitik betroffen, weil sie großteils ausschließlich auf privae Vorsorge angewiesen sind. „Da laufen jetzt die Sieben-Prozent-Papiere aus, dafür werden 0,7-Prozent-Papiere angeschafft.“

Flexible Lebensarbeitszeitmodelle und Renten-Grenzen gefordert

Mit den Arbeitswelten Älterer befassten sich drei Arbeitskreise des Dreiländertreffens. Allgemein forderten die Referenten eine flexiblere Lebensarbeitszeit. Wer arbeiten wolle, solle das auch dürfen. Thomas Goppel riet zu mehr Beschäftigungsmöglichkeiten für Ältere, sowohl von Seiten der Betriebe als auch in gesetzlicher Hinsicht. „Wer einmal über der Renten-Altersgrenze ist, hat ja sonst keine Möglichkeit, seine Altersbezüge aufzubessern“, so Goppel.

Problematisch für die Zukunft der Wirtschaft und Arbeitswelt wirkten sich folgende Faktoren aus, so die Experten und Referenten einhellig: Die problematische Altersstruktur aufgrund des Geburtenmangels, die einseitige Bevorzugung des Gymnasiums in der schulischen Bildung und damit das personelle Austrocknen des dualen Berufsausbildungssystems sowie die häufige faktische Zwangsverrentungen mit 60 oder 63 Jahren von Seiten der Betriebe. Schlimm wirke sich auch die Rente mit 63 Jahren aus, weil dadurch tausende zahlreiche fleißige Arbeitnehmer verloren gingen. Umgekehrt könne man Schwerarbeitern nicht zumuten, länger zu arbeiten als unbedingt nötig, weil deren Lebenserwartung leider geringer sei. Flexibilität sei nötig.

Geburtenmangel gefährdet Innovationskraft

Der Geburtenmangel führe zu einem Mangel an jüngeren Arbeitnehmern und beschädige daher langfristig die Innoationskraft der deutschen Wirtschaft, fasste der Kreisvorsitzende der SEN München-Land, Hans Peter Wagner, die Diskussion in sienem Gremium zusammen. „Deutschland braucht jede Frau und jeden Mann, bestens ausgebildet, egal an welchem Platz. Wer arbeiten will, darf nicht daran gehindert werden, wenn die Arbeitsmarktsituation es ermöglicht.“

Viele Firmen hätten ihren „Jugendwahn“ mittlerweile beendet, weil sie merkten, dass ihnen erfahrene Kräfte fehlen, berichtete Manfred Hopfengärtner von der SEN Mittelfranken aus seinem Arbeitskreis. Das gelte vor allem bei Expansionen insAusland und den Aufbau von Fabriken dort. Hans-Joachim Lojewski, SEN-Chef Oberbayerns, betonte, aufgrund der Digitalisierung der Arbeitswelt seien auch für Ältere Fortbildungen dringend nötig. Sonst würden sie abgehängt.