Den Mittelstand immer im Blick: Ministerpräsident Markus Söder (l.) erhält vom scheidenden Vorsitzenden der Mittelstandsunion, Hans Michelbach, ein Fernglas. (Foto: wog)
Mittelstand

Pschierer folgt Michelbach

Mit überwältigender Mehrheit hat die CSU-Mittelstandsunion den ehemaligen Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer zum neuen Landeschef gewählt. Zur Verabschiedung des 18 Jahre lang amtierenden Hans Michelbach war Ministerpräsident Söder gekommen.

Franz Josef Pschierer ist der neue Landesvorsitzende der Mittelstandsunion (MU) Bayern. Die 133 Delegierten des Bayerischen Mittelstandstages in Nürnberg wählten den ehemaligen bayerischen Wirtschaftsminister mit 87,8 Prozent zum Nachfolger von Hans Michelbach, der nach 18 Jahren an der Spitze des mit über 4000 Mitgliedern größten Wirtschaftsverbandes Bayerns nicht mehr zur Wahl angetreten war. Der Mittelstandstag dankte Michelbach für seine intensive und ausdauernde Arbeit mit minutenlangem stehendem Applaus. Neue stellvertretende MU-Landesvorsitzende sind Jutta Leitherer, Thomas Brändlein, Sebastian Brehm und Bernhard Kösslinger.

Wenn wir in Bayern ein Gesetz geschreddert haben, sind vom Bund und von Europa fünf neue Gesetze gekommen.

Markus Söder, Bayerns Ministerpräsident

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder lobte Michelbach als „unerschrockenen Kämpfer für wirtschaftliche Vernunft“ – und zwar nicht nur „im eigenen Saft“, sondern auch im Parteivorstand, im Bundestag und in vielen Debatten mit dem politischen Gegner. „Respekt für die Arbeit, Respekt vor Dir, lieber Hans!“, sagte der Ministerpräsident. Den anhaltenden Wirtschaftsaufschwung hätten Bayern und Deutschland maßgeblich dem Mittelstand zu verdanken. Während andere Regionen Europas mit der Arbeitslosigkeit kämpften, sei in Deutschland eher der Fachkräftemangel das Thema, betonte Söder.

Hartz-IV-Reformen nicht zurückdrehen

Größere Gefahren drohten der Wirtschaft allerdings aus dem Ausland, so der Ministerpräsident, etwa vom Brexit und den US-amerikanischen Schutzzöllen. Deutschland müsse wieder eine aktive Wirtschaftspolitik in den Mittelpunkt stellen, forderte Söder. Ganz falsch sei der Ansatz von SPD und Grünen, „das deutsche Erfolgsmodell zurückzudrehen“. Andere Länder nähmen sich derzeit die Agenda-Reformen zum Vorbild: Frankreich plane derzeit eine Art Hartz-IV-Reform, die USA und Großbritannien planten eine deutliche Unternehmenssteuerreform mit Senkung der Belastung.

Die Mittelstandsunion ist die wirtschaftskompetente und unerschrockene Stimme von Marktwirtschaft und Mittelstand direkt in der Politik.

Hans Michelbach, scheidender MU-Vorsitzender

Söder warnte, die Sozialdemokraten sollten den Neidkomplex in Deutschland nicht überschätzen. Auch Geringverdiener hätten eher Interesse daran, mehr in der eigenen Tasche zu haben, als dass sie unbedingt die Gutverdiener schröpfen wollten. Der Ministerpräsident forderte außerdem einen kräftigen Bürokratieabbau, vor allem im Steuerrecht. Die bisherigen Ansätze seien leider weitgehend gescheitert. „Wenn wir in Bayern ein Gesetz geschreddert haben, sind vom Bund und von Europa fünf neue Gesetze gekommen“, so Söder. Trotz des schwierigen Wahlergebnisses habe die CSU in Rekordzeit eine gute Koalition geschmiedet: „Wir haben Stabilität versprochen, und wir haben Stabilität gehalten.“

Soziale Marktwirtschaft statt Klassenkampf

In seinem letzten Rechenschaftsbericht nannte Hans Michelbach den Mittelstand „Kern und Herz der Sozialen Marktwirtschaft“. Die MU sei „die wirtschaftskompetente und unerschrockene Stimme von Marktwirtschaft und Mittelstand direkt in der Politik“. Die MU vertrete eben nicht einseitige Brancheninteressen, sondern stehe für die gesamten Interessen des Mittelstands, von Selbständigen und Freiberuflern. Michelbach gab sich kämpferisch: „Wir stehen als Mittelständler für Rekordbeschäftigung statt Arbeitslosigkeit, für Soziale Marktwirtschaft statt Klassenkampf, für Rekordwachstum statt Schrumpfung.“

Diese Pläne sind eine Missgeburt, ein Ausfluss des Klassenkampfes.

Hans Michelbach, zu den Grundsteuer-Plänen von SPD-Minister Scholz

Die Union habe erstmals seit 1969 einen Bundeshaushalt ohne Neuverschuldung durchgesetzt, 2018 werde Deutschland erstmals wieder die Maastricht-Kriterien einhalten. „Für uns Mittelständler ist das essenziell, dass wir Stabilität und gute Rahmenbedingungen haben“, so Michelbach. „Das ist unser Erfolg, den können wir uns von niemandem streitig machen lassen. Wir müssen wieder positiv darüber reden.“ Gerade die CDU, die derzeit „zu einer 20-Prozent-Truppe degenierert“, müsse wesentlich mehr Wert auf Wirtschaftspolitk legen als bisher.

Die CSU habe wichtige Ziele in der Koalition durchgesetzt, so der scheidende MU-Landesvorsitzende: „Wir wollten eine steuerliche Förderung mit Sonder-Afa (steuerliche Absetzung für Abnutzungen; Anm. d. Red.) für den Wohnungsbau, das hat der Bundestag soeben beschlossen. Unser Baukindergeld mit 12.000 Euro pro Kind wurde ebenfalls beschlossen. Das wird vielen jungen Familien helfen.“ Desweiteren habe der Bundestag das Planungsbeschleunigungsgesetz beschlossen. „Wir versprechen nicht nur, wir liefern auch“, sagte Michelbach.

Kritik an „Bürokratiemonstern“

Drei gravierende Kritikpunkte an der Bundespolitik führte Michelbach ins Feld: Erstens die Datenschutzgrundverordnung, ein „Bürokratiemonster von 500 Seiten“, das Mittelständler quäle und ein „Dorado für Abmahnvereine“ sei. Auch der Reformentwurf umfasse beinahe 500 Seiten. So gehe es nicht, sagte Michelbach: „Stampft dieses Gesetz ein und macht ein neues Gesetz, handlich schlank für jedermann verständlich, ohne Bürokratie-Wust! Macht endlich ernst mit der Entbürokratisierung!“ Zweitens kritisierte Michelbach die von SPD-Finanzminster Scholz geplante wertabhängige Grundsteuer: „Man sieht uns als Melkkuh. Diese wertabhängige Grundsteuer ist für uns Mittelständler eine Katastrophe! Diese Pläne sind eine Missgeburt, ein Ausfluss des Klassenkampfes.“

Wir wollen die völlige Abschaffung des Soli und wir sind nicht bereit, den Verlust an Glaubwürdigkeit hinzunehmen.

Hans Michelbach

Als dritten und wichtigsten Kritikpunkt nannte Michelbach den Solidariätszuschlag, dessen komplette Abschaffung die Union nicht durchsetzen konnte. Das sei ein „schwerer Verlust an Glaubwürdigkeit“ gewesen. Nach dem momentanen Modell sollten die „verbleibenden 10 Prozent der Soli-Zahler 50 Prozent des bisherigen Soli-Aufkommens zahlen“, kritisierte Michelbach und betonte: „Wir wollen die völlige Abschaffung des Soli und wir sind nicht bereit, den Verlust an Glaubwürdigkeit hinzunehmen.“ Inzwischen habe „sogar die Bundeskanzlerin eingesehen, dass dieser faule Kompromiss ein Fehler ist“, so Michelbach.

Lob öffentlich, Kritik unter vier Augen

Der neue Landesvorsitzende, Franz Josef Pschierer, bezeichnete sich selbst als „Teamplayer“. Er bitte aber darum, interne Kritik möglichst unter vier Augen zu üben. Lob dürfe dagegen durchaus öffentlich gemacht werden, so Pschierer schmunzelnd.

CSU-Generalsekretär Mark Blume hob hervor, die CSU habe im bayerischen Koalitionsvertrag die Abschaffung der Vorfälligkeit durchgesetzt, also der Abführung der Sozialabgaben, bevor sie überhaupt erwirtschaftet sind. „Das langfristige Bohren dicker Bretter lohnt sich“, sagte Blume. Der Generalsekretär betonte, die CSU dürfe sich nicht damit abfinden, dass das bürgerliche Lager immer weiter zersplittere. „Es ist unser Auftrag, das bürgerliche Lager wieder zusammenzuführen.“

Die Grünen sind keine bürgerliche Partei. Sie denken nicht von der Eigenverantwortung, sondern von ihrer linken Ideologie her.

Markus Blume, CSU-Generalsekretär

Insbesondere dürften sich CSU und MU nie mit der AfD abfinden. „Wir müssen alles zu tun, um diese Partei wieder aus den Parlamenten rauszubringen“, betonte Blume. Auch mit den Grünen müsse sich die CSU offensiv auseinandersetzen. „Die Grünen sind keine bürgerliche Partei. Sie denken nicht von der Eigenverantwortung, sondern von ihrer linken Ideologie her“, erklärte Blume. Die Grünen müssten endlich ihr linkes Wahlprogramm hinter sich lassen, sonst führe deren Politik in wirtschaftlichen Misserfolg. „Lasst uns alles tun, um die Wähler, die zu den Grünen gewandert sind, wieder zurückzugewinnen.“

Union braucht mehr Wirtschafts-Sachverstand

CSU und CDU müssten sich insgesamt wieder auf wirtschaftliche Vernunft zurückbesinnen, so der CSU-Generalsekretär: „Viele von uns haben sich in einer Komfortzone eingerichtet, viele haben vergessen, dass erst erwirtschaftet werden muss, was verteilt werden kann.“ Insbesondere müsse die Union klare Position gegen die Pläne von SPD und Grüne beziehen: „Die wollen die Axt ansetzen und mit Hartz IV den einzigen sozialdemokratischen Erfolg der letzten Jahrzehnte kaputt machen“, sagte Markus Blume.