JU-Landeschef Hans Reichhart (l.) und EVP-Fraktioschef Manfred Weber bei der JU-Landesversammlung in Erlangen. (Foto: Wolfram Göll)
Junge Union

Erlanger Paukenschlag

Paukenschlag bei der Jungen Union: Die Landesversammlung beschloss einen Zusatz zur „Erlanger Erklärung“, in dem ein „personeller Neuanfang“ gefordert wird. CSU-Chef Horst Seehofer will sich erst nach Ende der Sondierungen zu Personalfragen äußern.

Die Junge Union Bayern (JU) fordert einen „glaubwürdigen personellen Neuanfang“ der CSU ohne Horst Seehofer noch vor der Landtagswahl im Herbst 2018. Die JU-Landesversammlung in Erlangen beschloss mit großer Mehrheit die „Erlanger Erklärung“, die kurzfristig um folgende Sätze ergänzt wurde: „Für einen Erfolg bei der Landtagswahl im kommenden Jahr braucht es einen glaubwürdigen personellen Neuanfang. Bei allen Verdiensten, die sich Horst Seehofer zweifellos in vielen Jahrzehnten für die CSU, Bayern und Deutschland erworben hat, muss er jetzt den Weg bahnen für einen geordneten Übergang an der Spitze der Staatsregierung.“

Wir haben in der Führung der CSU unter Beteiligung des JU-Vorsitzenden entschieden, dass wir während dieser Sondierungsgespräche keine Personaldebatten führen.

Horst Seehofer

Seehofer reagierte in Berlin auf den Beschluss der JU. „Wir haben in der Führung der CSU unter Beteiligung des JU-Vorsitzenden entschieden, dass wir während dieser Sondierungsgespräche keine Personaldebatten führen. Ich halte mich daran“, sagte er. Er habe seit der Bundestagswahl dazu nichts gesagt, „obwohl beinahe täglich gegen mich Stellungnahmen abgegeben wurden“, so Seehofer weiter. „Wenn die Sondierungen abgeschlossen sind, werde ich mich dazu äußern.“ Auf die Frage, ob all dies Unruhe in die Sondierungsgespräche bringe, sagte Seehofer: „Ich habe jetzt nicht den Eindruck gehabt, dass an einem einzigen Tag deshalb Unruhe gewesen wäre hier in Berlin.“

Seehofer sagte der JU ab

Seehofer war – ebenso wie Generalsekretär Andreas Scheuer – als Redner bei der JU-Landesversammlung in Erlangen angekündigt, sagte aber kurzfristig wegen wichtiger Termine bei den Sondierungsverhandlungen in Berlin ab. „Wissen Sie, ich bin hier in historisch bedeutsamen Verhandlungen“, hatte er vor unionsinternen Beratungen in Berlin erklärt. „Da darf kein Fehler passieren. Da muss man sich sehr vorbereiten.“

Die Absagen stießen bei der Jungen Union auf Unverständnis. „Es ist schon ein unüblicher Vorgang, dass der Parteivorsitzende der Diskussion mit der JU-Basis ausweicht“, sagte Bayerns JU-Chef Hans Reichhart. „Ob das jetzt unbedingt die schwelende Personaldiskussion beruhigt, darüber wird es unterschiedliche Sichtweisen geben“, sagte Reichhart, der übrigens mit 97 Prozent im Amt des JU-Landesvorsitzenden bestätigt wurde.

Glaubwürdigkeitsproblem der CSU

Statt Seehofer und Scheuer sprach der EVP-Fraktionsvorsitzende und CSU-Vize Manfred Weber bei der JU – und erhielt mehrfach stehenden Applaus. „Wir wissen, dass die CSU ein Glaubwürdigkeitsproblem hat“, sagte er zur Analyse der Bundestagswahlergebnisses der CSU. „Egal, wer 2018 Spitzenkandidat bei der Landtagswahl ist: Wenn es uns nicht gelingt, unsere Versprechen durchzusetzen, dann wird die CSU einen äußerst schweren Wahlkampf vor sich haben.“ Daher müsse die ganze CSU den Verhandlern in Berlin alle Daumen drücken, so der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europaparlament. Denn: „Das Ergebnis der Sondierungen in Berlin wird über unsere Glaubwürdigkeit entscheiden.“ In Berlin sitze die CSU mit Parteien am Tisch, die teilweise völlig gegensätzliche Positonen vertreten, betonte Weber.

Wie blöd kann man denn sein, eine Kerntechnologie eines Landes in dieser Weise kaputt zu machen?

Manfred Weber über die Grünen

Etwa bei der Inneren Sicherheit, einem der Markenkerne der CSU, sei der FDP und den Grünen Datenschutz und Privatheit wichtiger als Vorratsdatenspeicherung und Festplattendurchsuchung, die nötig seien, um „Schwerverbecher hinter Schloss und Riegel zu kriegen“, etwa im Bereich Kinderpornographie und sexuellen Kindsmissbrauch. Zudem kritisierte Weber den Ansatz der Grünen, den Dieselmotor zu verteufeln. „Wie blöd kann man denn sein, eine Kerntechnologie eines Landes in dieser Weise kaputt zu machen?“, diese Frage höre er auch von vielen Kollegen im Europaparlament.

Klare Kritik an Merkel

Gleichzeitig forderte Weber mit Blick auf die CSU-interne Personaldiskussion „Respekt im Umgang miteinander“ ein. Die sei „immer eine Gemeinschaftsleistung“. Franz Josef Strauß etwa habe lange gewartet, bis er 1978 als Nachfolger Alfons Goppels Ministerpräsident wurde. Als warnendes Beispiel nannte Weber den Sturz Edmund Stoibers 2007: „Danach gab es einen Kater in der CSU.“ Der EVP-Fraktionschef betonte mit Blick auf die jahrzehntelange und erfolgreiche Arbeit Seehofers in der CSU: „Wenn wir einfordern, dass wir konservativ sind, gehören dazu auch Respekt vor Lebensleistung.“

Ich bin auch sehr skeptisch, dass wir uns mit den Grünen in eine Regierung setzen sollen, aber wir haben nicht beliebig viele Alternativen.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann betonte bei derJU-Landesversammlung, auch er sei unzufrieden mit dem Ergebnis der Bundestagswahl. Einerseits habe es die Aussage von Kanzlerin Merkel gegeben, dass sich die Flüchtlingskrise des Jahres 2015 nicht wiederholen dürfe. „Damit war aber nicht kompatibel, dass sie am 5. September in der Welt sagte: Ich würde wieder genauso entscheiden. Wer soll das noch verstehen?“, so Herrmann.

In den letzten Wochen des Wahlkampfs sei zudem die Frage sozialer Wohltaten vermischt worden mit der Flüchtlingsthematik, nach dem Motto: Warum ist für die Flüchtlinge Geld da, wenn beispielsweise Mini-Renten nicht aufgestockt werden können? Deshalb sei es für die CSU jetzt besonders wichtig, nicht AfD-Sprüchen hinterherzurennen, aber Sorgen der kleinen Leute ernst nehmen, so Herrmann.

Bei Verhandlungen viele CSU-Positionen durchsetzen

Nun gehe es darum, in den Sondierungen viele CSU-Positionen durchzusetzen. „Wir müssen klar machen, dass wir zu dem stehen, was wir vor der Wahl versprochen haben. Erst einmal müssen wir kämpfen und das Spielfeld nicht den Gegnern überlassen.“ Das werde sehr schwer, so der Innenminister. „Wir wissen schon, dass Regierungsverantwortung schwieriger ist als Opposition. Ich bin auch sehr skeptisch, dass wir uns mit den Grünen in eine Regierung setzen sollen, aber wir haben nicht beliebig viele Alternativen“, so Herrmann. Unter anderem habe die CSU eine steuerliche Entlastung der Durchschnittsverdiener versprochen. „Nach 27 Jahren ist es mit dem Soli auch mal genug“, sagte Herrmann unter dem heftigen Beifall der JU-Delegierten.

Mit Blick auf den CSU-Parteitag Mitte Dezember und die Landtagswahl im Herbst 2018 sagte Herrmann: „Wir haben allen Anlass, die internen Fragen klug zu diskutieren, aber auch zügig. Wir müssen aber auch klar machen, dass wir nach klugen Beratungen und noch klügeren Entscheidungen wieder zusammenhalten und hemmungsos gut übereinander zu reden.“ Zentral sei für die CSU, „das Vertrauen der Menschen in unserem Land zu erhalten und verlorenes Vertrauen wiederzugewinnen“, betonte der bayerische Innenminister.