Am Chiemsee: Der ehemalige bayerische Ministerpräsident und CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber mit der Rosenheimer Bundestagsabgeordneten Daniela Ludwig. (Bild: Büro Ludwig)
Chiemsee-Talk

„Die Deutschen übernehmen sich“

Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat sich kürzlich für einheitliche Leistungen und Asylverfahren in allen EU-Ländern ausgesprochen. Auch Edmund Stoiber und Daniela Ludwig diskutierten in Prien über europäische Lösungen in der Zuwanderungsfrage.

„Die Leistungen für Flüchtlinge sind (in Deutschland) im EU-Vergleich ziemlich hoch. Das ist Teil des Sogeffekts nach Deutschland“, sagte de Maizière (CDU) der Rheinischen Post. Auch beim Rechtsschutz müssten gleiche Standards gelten. „Bei uns können abgelehnte Asylbewerber über diverse rechtliche Klagewege ihre Abschiebung hinauszögern, deutlich mehr als anderswo“, kritisierte der Minister. In Ländern mit höheren Lebenshaltungskosten könne es entsprechende Kaufkraftzuschläge für die Berechtigten geben.

Sommertalk am Chiemsee

Dieses Thema spielte auch beim Sommertalk in Prien am Chiemsee eine wichtige Rolle. Mit viel Esprit beantwortete der ehemalige Bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber gemeinsam mit der Rosenheimer CSU-Bundestagsabgeordneten Daniela Ludwig die Fragen von OVB-Chefredakteur Willi Börsch. 90 Minuten Diskussion vergingen viel zu schnell, die Botschaft war eindeutig: Zentrale Themen wie Asylproblematik und Zuwanderung verlangen europäische Lösungen. Das ist auch Stoibers großes Anliegen. „Wir brauchen ein europäisches Asylrecht. Wir schaffen das nicht allein, die Deutschen übernehmen sich.“

Wir brauchen ein europäisches Asylrecht. Wir schaffen das nicht allein, die Deutschen übernehmen sich.

Edmund Stoiber

Die Deutschen könnten die Probleme der Welt nicht lösen, und müssten die Zuwanderung deshalb begrenzen. „Wir haben 350.000 Kinder mehr, zum Teil traumatisiert. Wir brauchen mehr Lehrer, Schulen – die Integration ist eine Riesenaufgabe, die noch unsere Enkel beschäftigen wird“, betonte Stoiber, der zuvor vom Landtagsabgeordneten Klaus Stöttner als „besonderer Mensch, der in der CSU und in Bayern Geschichte geschrieben hat“, angekündigt wurde.

Solidarität einfordern

Der Vorschlag eines europäischen Asylsystems von Bundesinnenminister de Maizière sei deshalb „klasse“, auch wenn er schwer durchzusetzen sei. Stoiber forderte hier die Solidarität der anderen Länder wie Spanien und insbesondere der „Grande Nation“ Frankreich ein. „Sprüche in Versailles nützen nichts, wenn Frankreich die Solidarität nicht lebt.“

Die Frage, ob sich die CSU mit der Obergrenze in der Union durchsetzen wird, beantwortete Stoiber schlagfertig: „Ohne CSU wird Merkel nicht Kanzlerin. Punkt.“ Eine kontrollierte Zuwanderung müsse kommen, machten Stoiber und Ludwig unmissverständlich klar – ein zentrales Thema der Inneren Sicherheit.

Es kann nicht sein, dass sich Frauen nicht mehr auf die Straße trauen.

Daniela Ludwig

Als absolute Katastrophe bezeichnete die heimische Wahlkreisabgeordnete die aktuellen Zahlen: In Bayern sind die Vergewaltigungen um 48 Prozent gestiegen, Vergewaltigungen durch Zuwanderer um 90 Prozent. „Das ist für mich als Frau unerträglich, zu lesen, dass eine Vergewaltigung bei uns am helllichten Tage am Simssee auf einem öffentlichen Weg passiert. Das ist für die Politik in Bayern nicht akzeptabel. Es kann nicht sein, dass sich Frauen nicht mehr auf die Straße trauen.“

Abschiebung muss Chefsache werden

Dass der mutmaßliche Täter ein Nigerianer war, der nur deshalb nicht abgeschoben werden konnte, weil sein Pass nicht vorlag, dürfe nicht mehr passieren. „Das Problem ist: die Behörden können nichts dafür. Sie handeln nach Recht und Gesetz. Wenn es so leicht ist, nicht abgeschoben zu werden, müssen wir die Gesetze ändern. Denn hier wird unser humanitäres System ausgenutzt.“

Es ist für die politische Kultur und die Demokratie nicht gut, wenn alles zwischen zwei großen Parteien besprochen wird.

Edmund Stoiber

Die Abschiebung muss zur Chefsache werden, forderte Ludwig. „Das Thema gehört ins Kanzleramt.“ Stoiber stimmte dieser Forderung zu. Sehr viele abgelehnte Asylbewerber in Deutschland hätten einen Abschiebebescheid. Sie könnten aber nicht ausgewiesen werden, weil sie keine Papiere haben oder das Heimatland die Aufnahme verweigert. „Das darf nicht mehr sein. Wir dürfen niemand in das Land lassen, ohne seine Identität zu kennen.“

Große Internet-Konzerne besteuern

Auf europäische Lösungen drängte Stoiber auch beim Steuerrecht. „Große Konzerne wie Google oder Amazon zahlen fast keine Steuern. Das muss aufhören. Hier werden Milliarden Euro verdient. Es ist wichtig, dass die EU hier die Hand dran legt.“

Beim Thema Diesel sprachen sich Stoiber und Ludwig gegen Fahrverbote und ein fixes Ende der Verbrennungsmotoren aus. „Wir müssen glaubwürdig bleiben“, mahnte Ludwig. „Nur ein gesunder Mix aus Energieträgern wird hier funktionieren. Besonders auf dem Land ist die Reichweite der Elektromotoren viel zu gering.“ Und Stoiber betonte, dass das pure Setzen auf Elektromotoren einen wichtigen Aspekt vergisst: „Du steckst das Elektroauto an, und der Strom kommt aus der Kohle.“

Die schwierigste Frage kam zum Schluss. „Welche Koalition ist besser“, wollte Willi Börsch wissen: die Große Koalition oder die „Jamaika-Koalition“ aus Union, Grünen und FDP? Nicht leicht zu beantworten für die beiden Politiker, doch am Ende waren die Präferenzen klar. „Es ist für die politische Kultur und die Demokratie nicht gut, wenn alles zwischen zwei großen Parteien besprochen wird“, so Stoiber. „Deshalb darf die Große Koalition nicht fortgesetzt werden.“ Und Daniela Ludwig fasste ihre Position so zusammen: „Die Gemeinsamkeiten mit der SPD sind erschöpft.“

Laut der Statistikbehörde Eurostat

beantragten im vergangenen Jahr 1.204.300 Asylsuchende erstmals Schutz in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Ihre Zahl war leicht rückläufig gegenüber 2015, als 1.257.000 Asylbewerber registriert wurden. 60 Prozent beantragten Asyl in Deutschland. 2016 waren dies 722.300 erstmalige Asylbewerber.