Der Prinzipalmarkt ist die gute Stube der westfälischen Bischofs- und Beamtenstadt Münster. Rechts das Rathaus, in dem 1648 der Westfälische Friede unterzeichnet wurde. (Foto: Wolfram Göll)
Katholikentag

Friedenssuche in Münster

Beim Katholikentag in Münster werden so viele Teilnehmer erwartet wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Neben der Islam- und Kruzifixdebatte geht es um innerkirchliche Streitthemen: Etwa die Diakonenweihe für Frauen und der Linkstrend mancher Bischöfe.

„Suche Frieden“ lautet das Motto des 101. Deutschen Katholikentages in Münster. Das trifft gleich in mehrfacher Weise die aktuelle Situation der Kirche und das Spannungsfeld zwischen Kirche und Politik: Die Bischöfe sind untereinander tief zerstritten wegen der politischen und kirchenpolitischen Ausrichtung. Unter anderem kritisierten sieben deutsche Bischöfe den Vorsitzenden der Bischofskonferenz, den Münchner Kardinal Marx, in einem Brief an den Vatikan. Dabei geht es um die Zulassung evangelischer Ehepartner zur Kommunion sowie um Marx‘ Amtsführung, die häufig als arrogant und barock kritisiert wird.

Viele einfache Kirchenmitglieder sind darüber entsetzt, dass ausgerechnet offizielle Kirchenvertreter die Kreuze in bayerischen Behörden ablehnen. Nach Kardinal Marx‘ Aussage, die Kreuze verursachten „Spaltung, Unruhe, Gegeneinander“, sagte nun der Präsident des veranstaltenden Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, er halte die Kreuze in Behörden für einen „Wahlkampfgag“. Zahlreiche Katholiken, zumal in Bayern, verstehen solche Einlassungen nicht und schütteln den Kopf über ihre Repräsentanten.

Rekordbesuch – gerade wegen der Verunsicherung?

Vielleicht liegt es gerade an dieser inneren Verunsicherung der Kirche, dass der Katholikentag in der Stadt des Westfälischen Friedens von 1648 mit mehr als 70.000 Teilnehmern der bestbesuchte seit 1990 ist. Zu mehr als 50.000 Dauerteilnehmern gesellen sich 20.000 Tagesgäste, die großen Freiluft-Gottesdienste und die traditionelle Kirchenmeile in der Fußgängerzone sind ohnehin öffentlich zugänglich. Das offizielle Veranstaltungsverzeichnis ist wieder ein dicker Katalog mit mehr als 1000 Einträgen – von der hochpolitischen Debatte mit der Kanzlerin über das Taize-Gebet im Kerzenschein bis zum Weihrauch-Workshop der Ministranten.

Schon lang war die Kirche nicht mehr so herausgefordert: Auf der einen Seite leisten gerade kirchliche Organisationen und Millionen ehrenamtliche Helfer eine engagierte und umfassende caritative Arbeit – vom Kindergarten über Schulen und Krankenhäuser und Pflegestationen bis zur Sterbebegleitung – ohne die das deutsche Gemeinwesen kaum funktionieren könnte. Zumal während der Flüchtlingskrise 2015/16 hat sich gezeigt, dass die Kirchengemeinden das Gebot der Nächstenliebe überaus ernstnehmen und in die Praxis umsetzen.

Haltung zum Islam und Kruzifixe – Kommunion und Frauen-Diakonat

Dennoch sind viele Katholiken aus grundsätzlichen Erwägungen gegen offene Grenzen und eine schrankenlose Zuwanderung, die manche linken katholischen Verbände fordern. Sie fürchten bei einer weiteren massiven Zuwanderung von orientalischen und afrikanischen Moslems um die christliche Prägung Deutschlands. Viele „einfache“ Katholiken finden außerdem die grundsätzlichen Aussagen der Bischöfe gegenüber dem Islam viel zu ängstlich und zurückhaltend, denn ihnen bleibt die aggressive Grundausrichtung des Islams und der meisten Islamverbände nicht verborgen. Auch der gastgebende Bischof Felix Genn sagte, Christen müssten einen stärker werdenden Islam nicht fürchten. Sie hätten durch das Wort Gottes eine Kraft, die tragfähige Fundamente für ein friedliches Zusammenleben in einer Gesellschaft biete.

Innerkirchlich gibt es massiven Streit über die grundsätzliche Zulassung konfessionsverschiedener Ehepaare zur Kommunion – in vielen Fällen wird dies aus seelsorgerlicher Entscheidung der Ortspriester bereits praktiziert. Dieser Streit war auch der Anlass des Protestbriefs der sieben Bischöfe gegen Kardinal Marx an den Vatikan, der vom Kölner Kardinal Woelki initiiert wurde. Zudem fordern viele Laien und katholische Organisationen die Zulassung von Frauen zur Diakonatsweihe. Papst Franziskus und seine Vorgänger hatten die Diakonatsweihe von Frauen nie grundsätzlich ausgeschlossen, aber auch nie zugelassen. Als kirchenrechtlich völlig ausgeschlossen gilt bislang allein die Priesterweihe von Frauen.

Seehofer spricht zu Integration

Seit Jahrzehnten behandeln die Katholikentage neben religiösen auch direkte politische Themen. Damit unterschieden sie sich stets von der früheren und bewährten Haltung der Bischöfe und Priester, sich nicht direkt in die Politik einzumischen. Ein Auftritt von Bundesinnenminister Horst Seehofer bildet am Himmelfahrtstag einen der Höhepunkte des Katholikentags. Der CSU-Vorsitzende diskutiert auf einem Podium zum Thema „Integration und Einwanderungsgesellschaft“. „Friedenssuche – der vornehmste Auftrag der Politik“ lautet das Thema des Podiums, auf dem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auftreten wird. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nimmt an einer Veranstaltung zum Thema „Internationale Kooperation als Antwort auf neue Nationalismen“ teil. Zudem wird der Friedensnobelpreisträger und kolumbianische Staatspräsident Juan Manuel Santos erwartet.