Im russischen Sebesh wurden zehntausende gefallene Wehrmachtssoldaten aus dem Zweiten Weltkrieg bestattet und ihre Namen auf Stelen verewigt. (Foto: www.volksbund.de/Uwe Zucchi)
Kriegsgräber

Mahnung zum Frieden

Millionen Soldaten und auch Zivilisten wurden im 20. Jahrhundert Opfer von Krieg und Völkermord. Die Kriegsgräberfürsorge kümmert sich um Exhumierungen und Umbettungen, ordentliche Grabstätten und Friedhöfe. Aber sie arbeitet auch in die Zukunft.

Im November sind sie wieder unterwegs, die Sammler für den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Das Friedenswerk, das 1919 nach den traumatischen Erfahrungen des Ersten Weltkriegs mit Millionen Opfern gegründet wurde, unterhält derzeit 2,7 Millionen Kriegsgräber auf 832 Kriegsgräberstätten in 45 Ländern in Europa und Nordafrika. Die Spendenaktion läuft ab Allerheiligen bis zum Beginn der Adventszeit. Viele der Sammler sind Bundeswehrsoldaten, aber auch viele Schüler und Angehörige militärhistorischer Vereine sammeln für die Gräber der Gefallenen.

Aber der Volksbund pflegt nicht nur die Gräber der Gefallenen und anderer Opfer von Krieg und Gewalt – unabhängig von der Nationalität übrigens. Der Volksbund arbeitet bewusst auch in die Zukunft hinein, um den Frieden langfristig zu sichern – unter anderem mit Jugendarbeit im Sinne der langfristigen Aussöhnung der ehemaligen Kriegsgegner-Nationen. Gerade die Kriegsgräber mahnen zum Frieden, und wenn das den jungen Menschen zu Bewusstsein kommt, wissen Sie den Frieden umso mehr zu schätzen, so der Gedanke dahinter.

26.000 Opfer allein 2017 geborgen

Allein 2017 wurden die Gebeine von 26.000 Kriegstoten aufgefunden und geborgen. Noch immer liegen zahlreiche gefallene Soldaten auf den Schlachtfeldern, einen Teil davon versuchen die Mitarbeiter der Kriegsgräbervorsorge in die Heimat zu holen. Der andere Teil wird vor Ort ordentlich bestattet. Kriegstote haben aufgrund völkerrechtlicher Bestimmungen ein dauerndes Ruherecht.

Dass wir hier in Kiew unsere Arbeit tun können, ist keine Selbstverständlichkeit.

Wolfgang Schneiderhan, Präsident des Volksbundes Deutscher Kriegsgräber

Drei der wichtigsten Projekte 2017 betrafen Kriegsgräber in der Ukraine, Russland und Belgien. In der ukrainischen Hauptstadt Kiew arbeiteten deutsche und ukrainische Soldaten zusammen, um fünf deutschen Weltkriegssoldaten eine würdige Ruhestätte zu verschaffen. Seit Sommer 2015 exhumierten die Soldaten auf dem Friedhof „Askoldowa Mogila“ die Überreste von insgesamt 1994 deutschen, 42 ungarischen und 24 italienischen Soldaten. Wolfgang Schneiderhan, früherer Generalinspekteur der Bundeswehr und jetzt Präsident des Volksbundes, begleitete damals den Arbeitseinsatz der Soldaten und nahm auch im Oktober am Trauerakt in Kiew teil.

Wie Schneiderhan betonte, sind die Arbeiten des Volksbundes in der Ukraine damit noch längst nicht abgeschlossen: Von den geschätzten 450.000 deutschen Kriegstoten in der Ukraine konnte bis jetzt noch nicht einmal ein Drittel exhumiert werden. „Dass wir hier in Kiew unsere Arbeit tun können, ist keine Selbstverständlichkeit“, so Schneiderhan. „Erinnern wir uns: Der Hitler-Stalin-Pakt bildete im August 1939 den Auftakt zu Krieg, Besatzung und Völkermord – alles das wurde in deutschem Namen verübt. Wir gedenken in Demut und Trauer.“

In 25 Jahren 900.000 Kriegstote in Osteuropa geborgen

Doch auch mit russischen Soldaten arbeiten die Angehörigen der Bundeswehr zusammen, und zwar in Russland – eine vertrauensbildende Maßnahme angesichts der internationalen Spannungen und der diplomatischen Eiszeit zwischen beiden Ländern. Seit genau 25 Jahren, seit 1992, besteht das deutsch-russische Kriegsgräberabkommen. Seitdem sucht und birgt der Volksbund im Auftrag der Bundesregierung Kriegstote in Osteuropa. Das sind häufig gefallene deutsche Soldaten, aber auch Kriegsgefangene und Zivilisten.

Anfang September wurde nun auf dem Kriegsgräberfriedhof in Sebesh (Landkreis Pleskau/Pskow im Westen Russlands) mit einem deutsch-russischen Trauerakt der hier bestatteten Kriegstoten gedacht. Der Friedhof wurde 2007 eingeweiht, die hiesigen Kriegstoten wurden in den vergangenen zehn Jahren gemeinsam von deutschen und russischen Soldaten geborgen. In Sebesh liegen vorwiegend deutsche Gefallene aus dem Vormarsch 1941 und dem Rückzug 1944. Bis Ende 2016 wurden hier 34.991 Tote bestattet und Stelen mit 18.477 Namen beschriftet. Die Einbettungen von Toten und Beschriftungen von Namen werden kontinuierlich weiter durchgeführt.

Besonders stolz ist der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge darauf, dass just der 900.000ste in Osteuropa bestattete Kriegstote namentlich identifiziert werden konnte: Es handelt sich um Vinzent Cieluch, einen aus Polen stammenden und in Brandenburg aufgewachsenen Wehrmachtssoldaten, der mit 32 Jahren als Angehöriger des 323. Infanterie-Regimentes am 10. März 1944 fiel.

1917: Kriegsgräberfriedhof unter Granatenbeschuss angelegt

Auch Gräber aus dem Ersten Weltkrieg betreut der Volksbund: Menen in Belgien ist die größte deutsche Kriegsgräberstätte des Ersten Weltkrieges. Vor genau 100 Jahren ist sie „unter den traurigsten Bedingungen, die man sich vorstellen kann, entstanden“, wie der Volksbund beschreibt: Denn während deutsche Soldaten Gräberfelder für ihre toten Kameraden anlegten, schlugen immer wieder Granaten ein. Mit den Flandernschlachten verbunden sind Namen, hinter denen Schreckliches steht, so zum Beispiel Ypern, wo deutsche Truppen das erste Mal Giftgas einsetzten. Alle Seiten hatten hohe Verluste zu beklagen – heute stehen die Flandernschlachten für Sinnlosigkeit und Brutalität des Ersten Weltkrieges.

Es ist wichtig für uns alle, dass der Volksbund seine einzigartige Tätigkeit auch in Zukunft erfolgreich fortführen kann.

Volker Wieker, Generalinspekteur der Bundeswehr

Anfang Oktober wurde mit viel politischer und militärischer Prominenz aus mehreren Ländern des 100. Jahrestags der Kriegsgräberstätte Menen gedacht. Nach den Zubettungen aus dem Jahr 1928 durch den amtlichen deutschen Kriegsgräberdienst in Belgien waren in Menen 6469 Gefallene bestattet. In den 1950er Jahren löste der Volksbund mehrere andere Gräberanlagen im Süden Flanderns auf und brachte die Gefallenen nach Menen, so dass dort heute genau 47.911 Tote aus mehr als zehn Ländern bestattet sind. Doch der Volksbund pflegt nicht nur die Kriegsgräberstätten, sondern nutzt Menen auch als Gedächtnis- und Lernort. So ist im Eingangsbereich von Menen-Wald eine neue Dauerausstellung eingerichtet.

Spenden dringend nötig

Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern, wo die Pflege für die Kriegsgräber zu den staatlichen Aufgaben zählt, wird die Kriegsgräberfürsorge in Deutschland durch den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. sichergestellt – einen gemeinnützigen Verein. Diese Organisationsform kann nur Unterstützung durch Spenden erfolgreich arbeiten, die 70 Prozent seiner Arbeit finanzieren.

Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Volker Wieker, an die Bürger: „Ich darf Sie bitten, auch in diesem Jahr wieder durch eine großzügige Spende der Haus- und Straßensammlung zum Erfolg zu verhelfen. Es ist wichtig für uns alle, dass der Volksbund seine einzigartige Tätigkeit auch in Zukunft erfolgreich fortführen kann.“ Wie die Pressestelle des Volksbundes auf Anfrage des BAYERNKURIERS mitteilte, ist Bayern der stärkste Landesverband und auch die „stärkste Bank“, was Spenden betrifft.