Ein Land mit christlich-abendländischen Wurzeln. Im Bild Kloster Andechs. (Bild: Imago/allOver-MEV)
Katholiken

Politik aus Sicht des Glaubens

Interview Der CSU-Sozialpolitiker Joachim Unterländer aus München ist zum Präsidenten des Landeskomitees der Katholiken in Bayern gewählt worden. Er möchte Politik aus Sicht des Glaubens und der katholischen Soziallehre mitgestalten und trotz aller Schwierigkeiten den christlich-islamischen Dialog fortsetzen.

Herr Unterländer, die gewählten katholischen Laienvertretungen sind ja fast ein deutsches Unikat. In den meisten anderen Ländern berufen Pfarrer oder Bischöfe die Laienvertreter. Verleiht Ihnen die Wahl durch die Gläubigen ein besonderes Selbstbewusstsein oder ein besondere innerkirchliche Durchschlagskraft?

Das Laienapostolat sieht eine starke Einbindung von Laien in das kirchliche Leben vor. Verschiedene Lehrschreiben und auch Entscheidungen der Deutschen Bischofskonferenz sowie das Zweite Vatikanische Konzil und die Würzburger Synode sind hierfür die Grundlagen. Daraus hat sich in der Nachkriegszeit die Katholische Aktion und daraus das Landeskomitee der Katholiken entwickelt. Gerade auch das Prinzip der Volkskirche sieht eine Beteiligung auf „Augenhöhe“ vor. Ich stehe absolut hinter diesen Gedanken und werde versuchen, sie in meiner Arbeit voranzubringen.

Wie wünschen Sie sich die Zukunft von Klerikern und Laien in der katholischen Kirche?

Zunächst einmal sind alle Modelle, die „Laien“ in die Leitung der Pfarreien einbinden, sinnvolle Zukunftsmodelle. Ich bin gespannt, wie sich die von Kardinal Marx vorgestellten Modelle in der Erzdiözese München und Freising in der Praxis bewähren werden. Auch in anderen Diözesen gibt es durchaus ähnliche Überlegungen. Ich bin diesbezüglich auch sehr von dem österreichischen Theologen Paul Zulehner geprägt, der schon seit längerer Zeit eine stärkere Einbindung von Laien in das gemeindliche Leben fordert. Natürlich sind die Überlegungen hin zu mehr Wortgottesdiensten und auch, wie vom Heiligen Vater thematisiert, die Weihe von verheirateten Viri Probati ein Zukunftsweg.

Wie sehen Sie die Zukunft des typisch deutschen Kooperationsmodells zwischen christlichen Kirchen und dem Staat? Vor allem im Blick auf Kirchensteuer, staatliche Besoldung der Kleriker, Religionsunterricht an staatlichen Schulen, theologische Fakultäten und so weiter. Dieses Kooperationsmodell wird vor allem von linken, aber auch populistischen Kreisen stark unter Beschuss genommen …

Ich bin der festen Überzeugung, dass dies nicht nur ein wesentlicher Bestandteil unserer Verfassung durch eine Festlegung im Grundgesetz ist, sondern die beste Alternative, den überwiegenden christlichen Glauben in unserer Gesellschaft leben zu können. Dazu gehören neben der Kirchensteuer und der Finanzierung vor allen Dingen der Religionsunterricht und die theologischen Fakultäten, aber in gleicher Weise auch das Engagement von kirchlichen Verbänden – ich möchte hier nur an Caritas und Diakonie erinnern –, ohne die unser Zusammenleben nicht funktionieren würde. Dieses Zusammenwirken von Staat und Kirche entspricht der Verwirklichung des christlichen Menschenbildes und einem toleranten Miteinander in der Gesellschaft.

Welche Berechtigung hat die häufig kritisierte, großzügige Finanzausstattung der Kirchen noch – wenn selbst Papst Benedikt XVI. eine Rückkehr der Kirche zu Armut und Bescheidenheit gefordert hat?

Ich teile nicht die Auffassung, dass die Kirchen zu großzügig ausgestattet sind. Selbstverständlich müssen auch diese Fragestellungen ernsthaft diskutiert werden – eine Rückkehr der Kirche zu Armut und Bescheidenheit würde aber nicht zwangsläufig die beschriebenen notwendigen Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des Subsidiaritätsprinzips fördern. Alle anderen Modelle, die da von diesen Seiten auch bevorzugt werden, taugen nicht für unser Land. Gerade die Spendenmodelle wie in den USA führen zu Abhängigkeiten von Stimmungen und würden weder im sozialen, noch im bildungspolitischen oder kulturellen Bereich Kontinuität in unserem Land zulassen.

Viele konservative Katholiken in Bayern kritisieren den politischen „Linkskurs“ von Papst Franziskus. Erinnert sei hier an seine massive Kapitalismuskritik und dem Satz „Diese Wirtschaft tötet“ in der Enzyklika „Evangelii Gaudium“. Bewegt sich die Amtskirche zu sehr nach links?

Nein, ich sehe die Kirche auf keinem Linkskurs. Die Kirche ist der größte „Global Player“ und hat damit auch einen Anspruch für die gesamte Welt. Wer sich mit den Ungerechtigkeiten und der Armut in vielen Gebieten beschäftigt, kann doch deshalb nicht als links bezeichnet werden. Auch argumentiert Papst Franziskus gerade vor dem Hintergrund seiner südamerikanischen Erfahrungen mit bestimmten wirtschaftlichen Fehlentwicklungen, die wir hoffentlich in unserem Land verhindern können.

Wie sehen Sie das: Meint Papst Franziskus mit seiner massiven Kritik auch unsere Soziale Marktwirtschaft?

So wie ich seine Enzykliken und Aussagen verstanden habe, ist eigentlich gerade eine richtig gestaltete soziale Marktwirtschaft das Gegenmodell zu einem vom Neoliberalismus geprägten Kapitalismus. Die wirtschaftliche Freiheit mit entsprechenden Gestaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten für die Wirtschaft, die auch allen Menschen zugutekommt, und der eigenständige sozialstaatliche Ausgleich ist ein wunderbares Prinzip, das immer wieder aktualisiert und weiterentwickelt werden muss.

Sie selbst sind stark in der katholischen Kirche, der Caritas und der CSU verwurzelt – und gehören damit zu einem „aussterbenden Milieu“ – so nennt das Alois Glück, der selbst daher stammt. Sie haben angekündigt, das Feld zwischen Kirche, Politik und Gesellschaft wieder intensiver zu beackern. Wo setzen Sie an?

Es ist wichtig, dass sich kirchliche Gremien wie das Landeskomitee, die Diözesanräte oder auch die katholischen Verbände mit der gesellschaftlichen Realität in unserem Land auseinandersetzen. Gerade diese „Strukturen“ haben unser Land positiv mit aufgebaut und es ist nunmehr notwendig, gerade angesichts einer digitalisierten Welt, der Globalisierung, der demographischen Entwicklung und der Flüchtlingsentwicklungen, Politik aus Sicht des Glaubens und vor allen Dingen aus Sicht der katholischen Soziallehre mitzugestalten. Wir werden dies in geeigneten Veranstaltungsformen auch umsetzen.

Ein aktueller Streitpunkt zwischen Kirche und Politik ist die Gewährung von Kirchenasyl. Wie beurteilen Sie die Situation? Darf sich die Kirche über geltendes Recht stellen?

Kirche will und darf sich nicht über geltendes Recht stellen. Die Kirchen in Deutschland behandeln aber das Thema „Kirchenasyl“ sehr sensibel und zurückhaltend. Es ist notwendig, im Einzelfall den Vorgang zu bewerten, aber Kirchenasyl kann natürlich kein dauerhafter und ständiger Ausweg sein.

Heftig diskutiert wird auch der Umgang mit dem Islam und ein Islamgesetz: Wie stehen Sie dazu – angesichts zahlreicher ungelöster Probleme wie die Ausbildung und Finanzierung der Imame, die ungeklärte Interessenvertretung der Muslime, die Intransparenz vieler Moscheevereine?

Obwohl es durchaus Sinn machen würde, hier zu einer Regelung zu kommen, sind es gerade diese Themen wie die ungeklärte Ausbildung und Finanzierung der Imame, die nicht eindeutige Interessenvertretung der Muslime und eine immer wieder festzustellende Intransparenz vieler Moscheevereine, die geradezu unlösbare Probleme darstellen. Der christlich-islamische Dialog muss aber trotz der irrsinnigen ägyptischen Attentate konstruktiv weitergeführt werden. In zahlreichen guten Begegnungen mit Interessenvertretungen ist eine sehr große Unterschiedlichkeit festzustellen, dies macht eine übergreifende Struktur sehr kompliziert bis gegenwärtig nicht realisierbar.

Die Fragen stellten Wolfram Göll und Thomas Röll.