Die großen Kirchen werden bis 2060 die Hälfte ihrer Gläubigen verlieren. Im Bild: Ein einsames Holzskulptur-Paar des Künstlers Stephan Guber im Münster im mittelfränkischen Heilsbronn. (Foto: picture alliance/Rolf Haid/dpa)
Austritte

Mitgliederschwund bei den Kirchen

Die beiden großen Kirchen in Deutschland werden bis 2060 die Hälfte ihrer heutigen Gläubigenzahl verlieren. Auch für Bayern wird eine dramatische Entwicklung prognostiziert. Viele Gläubige ärgern sich auch über die Links-Politisierung der Kirchen.

Die Zahl der Kirchenmitglieder in Bayern wird drastisch sinken: bis 2035 um 20 Prozent und bis 2060 um rund 45 Prozent. Noch schlimmer sieht es bundesweit aus: Die Zahl der Kirchenmitglieder in Deutschland wird sich bis 2060 auf 22,7 Millionen halbieren. Für das kirchliche Leben wird das teilweise drastische Konsequenzen haben. Das ist das Ergebnis einer Studie des Forschungszentrums Generationenverträge (FZG) in Freiburg, das von der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) veröffentlicht wurde. Die Hauptgründe sind Austritte, weniger Taufen sowie die alternde Bevölkerung. Der Abwärtstrend könnte auch zu dramatischen Finanzierungslücken bei den Kirchen führen.

Nominell gesehen bleibt 2060 das Aufkommen der Kirchensteuer zwar mit zwölf Milliarden Euro auf dem aktuellen Niveau. Berechnet man aber steigende Gehälter und die Inflation ein, bräuchten die Kirchen der Studie zufolge zur Finanzierung von Personal und Gebäuden knapp 25 Milliarden Euro. Die Studie ermittelt daher einen Verlust von 51 Prozent bei der Kaufkraft der Kirchen – also auch etwa eine Halbierung, wie bei den Mitgliedern.

Gründe: Überalterung, Austritte, Glaubensschwund

Bei der Mitgliederzahl der beiden Kirchen geht die Studie bereits für das Jahr 2035 von einem Rückgang um zehn Millionen auf 34,8 Millionen aus. Im Osten Deutschlands, wo schon jetzt weniger Christen leben, werden die beiden Kirchen 2060 nur noch 1,5 Millionen Mitglieder haben – 2017 waren es noch 3,2 Millionen. In absoluten Zahlen werden aber noch deutlich höhere Rückgänge für andere Teile Deutschlands beziffert.

Den demografischen Faktor – Überalterung und Bevölkerungsrückgang – macht die Studie lediglich zu einem Drittel für die prognostizierte Entwicklung verantwortlich. Stärker ins Gewicht fielen andere Faktoren wie Austritte oder das Tauf- und Aufnahmeverhalten. Darüber zeigte sich der Leiter der Studie, der Finanzwissenschaftler Prof. Bernd Raffelhüschen, überrascht. Den Kirchen böte sich damit zugleich die Chance, Strategien etwa zur Verhinderung von Austritten zu entwickeln. Randnotiz: Wichtig für die Einnahmen der Kirchen sei gerade die steuerstarke obere Mittel- und Oberschicht.

In der Mitglieder-Prognose schneidet die katholische Kirche wegen der Altersstruktur und jüngsten Zuwanderungen aus dem katholischen Osten Europas etwas besser ab. Bei der evangelischen Kirche gibt es auch mehr Austritte – allerdings auch mehr Wiedereintritte. Generell sieht die Untersuchung bei den Austritten der vergangenen Jahre einen eindeutigen Zusammenhang zu aktuellen Ereignissen wie etwa den Enthüllungen über den Missbrauch von Kindern durch Geistliche.

Bayern: Würzburg am stärksten betroffen

In Bayern wird der Rückgang nicht ganz so drastisch wie im Bund ausfallen, ist aber dennoch alarmierend. Das bedeutet die Prognose für die evangelische Landeskirche in Bayern konkret: Im Jahr 2035 werden noch 1,9 Millionen Protestanten im Freistaat leben. Im Vergleich zu 2017 ist das etwa eine halbe Million weniger, das entspricht einem Mitgliederschwund von knapp 21 Prozent. Gehen die Entwicklungen so weiter wie in den vergangenen Jahren, verringert sich die Zahl der Protestanten bis 2060 auf 1,3 Millionen, das entspricht einem Schwund von 44 Prozent.

Die Zahl der Katholiken wird sich der Studie zufolge bis 2035 ähnlich stark – um gut 18 Prozent – verringern: 5,3 Millionen Katholiken leben dann noch im Freistaat, 2017 waren es noch knapp 6,5 Millionen. 2060 werden im Freistaat nur noch 3,6 Millionen Katholiken leben – im Vergleich zu 2017 entspricht das einem Schwund von knapp 45 Prozent. Die höchsten Verluste an Katholiken erwartet die Prognose für Franken. Demnach werden im Erzbistum Bamberg in zwei Generationen 47 Prozent weniger Katholiken leben und im Bistum Würzburg sogar 54 Prozent weniger. Den geringsten Schwund prognostiziert das Freiburger Institut für das Bistum Passau: 2060 werden dort 36 Prozent weniger Katholiken leben als 2017.

Gläubige ärgern sich über Politisierung

Als Gründe für Kirchenaustritte gelten grundsätzlich die Kirchensteuern, außerdem der allgemeine Glaubensschwund wegen des grassierenden Materialismus sowie der Trend zu selbstgestrickten Wellness-Religionen mit fernöstlichem Einschlag. Allerdings ärgern sich viele treue Kirchenmitglieder auch über die zunehmende Politisierung der Kirchen, allzu oft ausgerechnet im Sinne der eher kirchenfeindlichen linken Parteien. Während die Evangelische Kirche schon seit Jahrzehnten diesen Weg beschreitet, folgt nun seit einigen Jahren auch die katholische Kirche, die sich lange mit guten Gründen aus der Tagespolitik heraushielt.

Konservative Katholiken stießen sich zuletzt etwa an der Kritik von kirchlichen Würdenträgern ausgerechnet am Kreuzerlass von Bayerns Ministerpräsident Söder oder an den Positionen der Kirche zur Immigration. Viele konservative Katholiken ärgerten sich beispielsweise über den Münchner Kardinal Reinhard Marx, als er Ende Januar die private „Seenotrettung“ im Mittelmeer finanziell unterstützte. Deren Arbeit ist aber wenig hilfreich: Da die Schleuser sich auf die Rettung schon kurz vor der afrikanischen Küste verlassen konnten, schickten sie Tausende Migranten in schrottreifen Seelenverkäufern und löchrigen Gummibooten aufs Meer. Die Zahl der Toten stieg.

Ähnliche Kritik zog jetzt der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm auf sich, der den Seenotrettern in Sizilien einen Besuch abstattete und erklärte: „Es muss von Europa ein klares Signal nach Italien geben, dass Menschen in allen Ländern Europas bereit sind, Flüchtlinge, die hier gerettet wurden, auch aufzunehmen.“

Ein solches Signal allerdings würde nach Auffassung von Kritikern einen neuen Sog-Effekt auslösen, der im Endeffekt wieder Tausende Menschenleben gefährdet. Zudem wären die schon stark belasteten Aufnahmegesellschaften Europas damit erneut beziehungsweise immer noch überfordert – mit allen bekannten Folgen.