Neue Ideen: Papst Franziskus. (Foto: Imago/ZUMA Press)
Kirche

Wackelt der Pflichtzölibat für Priester?

Papst Franziskus hat laut darüber nachgedacht, verheiratete Diakone und andere „viri probati“ zu Priestern zu weihen, um dem weltweiten Priestermangel zu begegnen. Manche Beobachter hoffen auch auf eine grundsätzliche Lockerung des Pflichtzölibats, konservativere Katholiken lehnen diesen Schritt ab.

„Die Berufung von Priestern stellt ein Problem dar, ein enormes Problem“, sagte Papst Franziskus jüngst im Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit. Der massive Priestermangel betrifft den deutschsprachigen Raum und weitere Teile Mittel- und Westeuropas sowie manche postkommunistische Länder, in denen die Kirchenverfolgung besonders massiv war. Besonders schlimm ist der katholische Priestermangel auch in gewissen abgelegenen Regionen, etwa am brasilianischen Amazonas oder in Ostsibirien. Der Papst kündigte an, dass über dieses Thema bei der kommenden Synode zum Thema Jugend im Herbst 2018 diskutiert werden müsse.

Franziskus verlangt mutige Lösungen

Um dem Priestermangel zu begegnen, deutet der Papst eine Öffnung bei der Weihe verheirateter Männer zu Priestern an. „Wir müssen darüber nachdenken, ob Viri Probati eine Möglichkeit sind“, stellt Franziskus fest. „Viri probati“ sind aus Sicht der Kirche vorbildliche verheiratete Männer, die kirchliche Aufgaben übernehmen. Im besonderen kommen hier die verheirateten Diakone in Frage, an denen zumindest in Deutschland kein Mangel herrscht. Bereits in der Vergangenheit hatte Franziskus einzelne Bischöfe zu „mutigen Lösungen“ ermuntert, etwa am brasilianischen Amazonas, wo Gemeinden wegen des Priestermangels nur einmal im Jahr die Messe feiern können.

Priestersein ist kein Beruf, sondern letztlich auch Berufung.

Thomas Goppel, Landesvorsitzender der Christsozialen Katholiken

Der von liberalen Katholiken erhofften Abschaffung des Pflichtzölibats, also des allgemeinen Heiratsverbots für alle Priester, erteilt der Papst aber eine Absage: „Der freiwillige Zölibat ist keine Lösung“, sagt Franziskus. Dennoch erkennen manche Beobachter in der Weihe verheirateter Diakone zu Priestern den Anfang vom Ende des Zölibats.

In der zweitgrößten Kirche der christlichen Welt, der Orthodoxie, sind verheiratete Weltpriester die Regel. Wer in der Orthodoxen Kirche nach Abschluss des Theologie-Studiums und vor der Priesterweihe nicht heiratet, wird nicht in den Gemeindedienst entsandt, sondern muss in ein Kloster eintreten und Mönch werden.

Goppel: Priesteramt erfordert Charakterstärke

Der Gründer und Sprecher des CSU-Gesprächskreises „Christsoziale Katholiken“ (CSK), Thomas Goppel, bleibt zurückhaltend in der Bewertung der Vorschläge des Papstes. Das Ergreifen des Priesterberufes oder der Eintritt in einen Orden erfordere „größtmögliche Grundsatztreue, Standfestigkeit und Überzeugungskraft“ sowie „außerordentliche Charakterstärke“, sagte er auf Anfrage des BAYERNKURIERS. „Das reduziert die Zahl der Anwärter auf diesen Beruf ebenso wie alle anderen Tätigkeiten, die Dienstleistung, sprich: Unterordnung gegenüber der ,Kundschaft‘ verlangen“, so Goppel. „Priestersein ist kein Beruf, sondern wie all diese Dienste letztlich auch Berufung.

Einer Abschaffung des Zölibats steht Goppel daher insgesamt skeptisch gegenüber: Zwar sei dieser kein „Glaubensdekret“, sondern eine innerkirchliche Verfügung sowie eine seit rund 1000 Jahren eingeübte Praxis: „Die Frage an die Kirche heute lautet, ob sie dem Beispiel der evangelischen Kirchen folgen will oder auf der in Summe sinnvoll begründeten harten Linie des Zölibats beharrt.“

Eine verstärkte Weihe von Viri Probati hält Thomas Goppel für eine bloße „Zwischenlösung“, die bei der Bevölkerung insgesamt auf wenig Verständnis stoße.

Alois Glück würde Lockerung des Zölibats begrüßen

Andere ehemalige Unionspolitiker, die als aktive Katholiken bekannt sind, würden Priesterweihen von verheirateten Diakonen sowie eine Lockerung des Zölibats hingegen begrüßen. So tritt der frühere langjährige Chef der CSU-Landtagsfraktion, bayerische Landtagspräsident sowie Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, für eine Öffnung des Priesteramts für verheiratete Männer ein. Im Münchner Merkur begrüßte er den Vorstoß des Papstes. „Es zeigt sich schon, dass von Seiten des Heiligen Vaters ernsthafte Überlegungen da sind. Es gibt wiederholt Formulierungen des Papstes, dass er die nationalen Bischofskonferenzen im Hinblick auf ihre jeweilige pastorale Situation auffordert, Initiativen zu entwickeln.“

Was ist wichtiger: Wollen wird den Gläubigen regelmäßig das Sakrament der Eucharistie zugänglich halten oder ist es wichtiger, die jetzigen strikten Regelungen mit dem Pflichtzölibat als Voraussetzung für die Priesterweihe zu erhalten?

Alois Glück, ehemaliger bayerischer Landtagspräsident und ZdK-Präsident

Er könne sich vorstellen, so Glück im Münchner Merkur weiter, dass etwa aus Südamerika ein entsprechender Vorschlag an den Papst komme – und dann wäre eine Grundsatzentscheidung notwendig. Oder es könnten diese Freiheiten zumindest regional gegeben werden. Glück erwartet nicht, dass der Vatikan eine zentrale Regelung für die Weltkirche „sofort und generell trifft“. Dazu gebe es zu unterschiedliche Vorstellungen in den Bischofskonferenzen. Der CSU-Politiker sieht aber die Notwendigkeit der Weihe von Viri Probati nicht nur in Südamerika – mit Hinweis auf die pastorale Situation müsse auch hierzulande rasch reagiert werden.

Sakramentenempfang sichern oder Pflichtzölibat beibehalten?

Glück nennt als seine innerkirchlichen Mitstreiter die CDU-Politiker Bernhard Vogel, Norbert Lammert und Erwin Teufel. Ihnen, so der frühere Landtagspräsident,  gehe es um eine pragmatische Grundsatzfrage: „Was ist wichtiger: Wollen wird den Gläubigen regelmäßig das Sakrament der Eucharistie zugänglich halten oder ist es wichtiger, die jetzigen strikten Regelungen mit dem Pflichtzölibat als Voraussetzung für die Priesterweihe zu erhalten?“

Angesichts dieser Grundsatzfrage sieht Glück keine Argumente für den Pflichtzölibat, die wichtiger wären, als den Menschen den Zugang zu den Sakramenten zu ermöglichen. Unerträglich findet er den Gedanken, dass ein Sterbender die Krankensalbung nicht erhalten kann, weil kein Priester greifbar ist. Daher hält er die Möglichkeit, verheiratete Diakone zu Priestern zu weihen, für einen „klugen Weg“. Auch in weiten Teilen Deutschlands sei die sonntägliche Messe derzeit nur noch durch die Ruhestandsgeistlichen gewährleistet. Deswegen solle zügig etwas geschehen, so Glück.