Im Spiegel des Neuen: Der neue Glas-Anbau am Monacensia-Gebäude beherbergt ein Café, das im Sommer auch draußen auf den Stufen öffnen wird. (Foto: G. Dolak)
München

An Oskar Maria Grafs Schreibtisch

Für 9,3 Millionen Euro hat die Stadt München die "Monacensia" in einer Bogenhausener Künstlervilla renoviert. Am 9. Dezember öffnet das Haus wieder für das Publikum. Das Literatur-Archiv schwelgt in der Vergangenheit von Thomas Manns leuchtender Kulturweltstadt - und bricht mit digitalen Angeboten in die Zukunft auf.

Jeder Schritt durch die alte Künstlervilla im Münchner Stadtteil Bogenhause führt ein Stückchen weiter in die Vergangenheit. Das Parkett knarzt. Wer durch die frisch renovierten Räumlichkeiten des Literaturarchivs „Monacensia“ geht, kann glatt ein bisschen nostalgisch werden. Die Welt der Schreiber und Schwabinger Kaffeehaus-Revoluzzer, der legendären Satirezeitschrift „Simplicissimus“, des elitären Kulturbürgertums ­um die Familie Mann – all das lebt in der Sammlung des Hauses fort. Und damit ein München, das mit dem Zweiten Weltkrieg untergegangen ist.

Die Familie Mann, Rebell Wedekind, Kabarettist Valentin

Diese Erinnerung an die Vergangenheit hat die Stadt nun aber mit großem Aufwand für die Zukunft aufgefrischt. Für 9,3 Millionen Euro hat die Landeshauptstadt die „Monacensia“ in der ehemaligen Ateliervilla des Bildhauers Adolf von Hildebrand am Isarhochufer renoviert. Ab 9. Dezember ist sie wieder öffentlich zugänglich. Die Bestände, zu denen der Nachlass von Thomas Mann, Frank Wedekind, Fanny Gräfin von Reventlow oder Ludwig Thoma zählen, sind dann an schicken Computerterminals einzusehen. Der Keller, in dem die wertvollen Originalhandschriften dieser Autoren lagern, wurde zum vollklimatisierten Großtresor ausgebaut, die Bibliothek im Parterre zu einem Saal für Lesungen und Debatten-Veranstaltungen. Ein eleganter moderner Anbau aus Glas und Beton beherbergt ein Café, das ab März auch eine feine Außenterrasse betreiben wird.

Monacensia-Leiterin Elisabeth Tworek lobt die „hohe Aufenthaltsqualität“ in den überarbeiteten Räumen. Und startet nach vier Jahren, in denen ihr Haus wegen der Bauarbeiten nach Giesing ausgelagert war, mit einer neuen Dauerausstellung. Die beschwört den Geist der zentralen Sammlung: das literarische München zur Zeit Thomas Manns. Handgeschriebene Briefe des Nobelpreisträgers sind zu sehen, der Schreibtisch Oskar Maria Grafs aus seinem New Yorker Exil, das Notizheft „Lieder und Couplets Elisabeth Wellano“, das Karl Valentins Bühnenpartnerin Liesl Karlstadt unter ihrem bürgerlichen Namen führte. Viele Fotos und Zitate. Bert Brecht, Ödön von Horvath, Klaus Mann, Katia Mann, Annette Kolb und, und, und. Eine Angebot für Literatur-Flaneure zur melancholischen Betrachtung – wie reich das kulturelle Leben in der Metropole einmal war, ehe die Nationalsozialisten Tabula rasa machten.

Wir haben allein 800 Briefe und 40 Manuskripte von Thomas Mann.

Monacensia-Chefin Elisabeth Tworek

Die teuren Originale können Besucher selbstverständlich nicht zum genaueren Studium mit nach Hause nehmen. Anders als vor der Renovierung können sie mit einem Ausweis der Münchner Stadtbibliothek jedoch die vielen Bücher aus Beständen der Monacensia ausleihen. Denn das Institut sammelt alles, was Münchner Autoren veröffentlichen, und vieles, das über München veröffentlicht wird.

Die hohe Tür des Hausherren

Kulturreferent Hans-Georg Küppers findet, der Stadt sei mit der Renovierung des Hildebrandhauses „ein großer Wurf gelungen“. Nach der Villa Stuck und dem Lenbachhaus sei es das dritte herrschaftliche Künstleranwesen/Museum, das in jüngerer Zeit renoviert wurde. Vom einstigen Hausherren Hildebrand stammt beispielsweise der Wittelsbacher-Brunnen in Stachus-Nähe. Die mehrstöckige Ateliertür in der Südwand, die im Zuge der Bauarbeiten freigelegt und restauriert wurde, zeugt noch von den riesigen Steinblöcken, die der Bildhauer hier für die Bearbeitung hereinschaffte. All das war einmal.

Um Bedeutung zu bekommen, müssten diese Paläste eines vergangenen Kunst-Großbürgertums freilich „einen Gegenwartsbezug haben“, fordert Küppers. In der Monacensia wollen sie diesem Anspruch mit wechselnden Ausstellungen und literarischen Veranstaltungen gerecht werden.