Tapfere Frau: Ayaan Hirsi Ali. (Bild: IPON/imago)
Islamkritik

Eine Unbeugsame

In ihrem neuen Buch „Reformiert Euch - Warum der Islam sich ändern muss“ fordert eine der profiliertesten Islamkritikerinnen weltweit, Ayaan Hirsi Ali, die Muslime zu einer Aussöhnung ihrer Religion mit der Moderne auf. Dazu müsste der Koran, der Prophet Mohammed und die Scharia kritisch hinterfragt und historisch eingeordnet werden.

Die Aggression, mit der immer stärker werdende Gruppen von Moslems die „Ungläubigen“, also Angehörige aller anderen Religionen, verfolgen, foltern, entführen, versklaven, vergewaltigen, kreuzigen, vor laufender Kamera enthaupten, in die Luft sprengen, sucht im 21. Jahrhundert ihresgleichen und ist derzeit die größte Bedrohung für den Weltfrieden. Eine Frau, die die zentrale Verantwortung des Islams für diese Greueltaten immer wieder thematisiert, aber auch Hoffnung für den Islam sieht, weil sie ihn für reformierbar hält, ist Ayaan Hirsi Ali.

Eine unbeugsame Mahnerin, die als fromme Muslima in Somalia und Saudi-Arabien aufgewachsen ist, im Namen des Islams großes Leid erfahren hat, die genitalverstümmelt wurde und zwangsverheiratet werden sollte, sich aber wegen ihrer persönlichen Erlebnisse „vom Glauben zum Wissen gewandelt“ hat, in die Niederlande floh und Asyl erhielt, später zur Politikwissenschaftlerin und Politikerin wurde und später als Universitätsdozentin in die USA auswanderte. Gleich mehrfach haben radikale Moslems ihr mit Ermordung gedroht.

Westliche Islamversteher als Totengräber der Meinungsfreiheit

Hirsi Ali geht mit den Moslems ebenso hart ins Gericht wie mit linken westlichen Integrationsdynamikern und Islamromantikern, die jede Kritik am Islam als „Islamophobie“ und „Hass“ verunglimpfen, die gar nicht merken, wie sie das Ideal der Freiheit und Gleichberechtigung mittlerweile auf dem Altar einer friedlichen Koexistenz mit dem Islam opfern. Denn: „Der Islam ist keine Religion des Friedens“, betont Hirsi Ali mehrfach. Also ist ein friedliches Zusammenleben mit dem Islam auch nicht so einfach. Selbstverständlich, so betont sie, haben die islamistischen Terroranschläge mit dem Islam zu tun, auch wenn linke Integrationsdynamiker das ableugnen. Womit denn sonst?

Die große Mehrheit der Muslime teilt Hirsi Ali – analog zur Entstehungsgeschichte des Islams – ein in „Medina-Muslime“ und „Mekka-Muslime“. Die Medina-Muslime sind die, die Christen und Juden als „Affen und Schweine“ bezeichnen, die Andersgläubige bis aufs Blut verfolgen und all die widerlichen Terror-Greuel anrichten – sowie deren ideologische Einpeitscher, meist „Gelehrte“ aus Ägypten oder Saudi-Arabien.

Mehrheits-Muslime im Dilemma zwischen Moderne und Wüsten-Religion

Die große Mehrheit der Muslime zählt Hirsi Ali zu den Mekka-Muslimen, die brav ihrem Tagwerk nachgehen und sich gleichzeitig fromm an die Regeln der Religion halten. Das Dilemma dieser Gruppe ist angesichts des technologischen Fortschritts, dass sie in einer Art „kognitiver Dissonanz“ leben müssen: zwischen den archaischen Vorschriften der Wüsten-Religion Islam aus dem siebten Jahrhundert und der heutigen Moderne mit Internet und iPhone.

Diese Mekka-Muslime werden sich irgendwann entscheiden müssen – für die moderne Welt und damit einen Reform-Islam, oder für den radikalen Kampf gegen die moderne Welt, also den Medina-Islam. An diese Mekka-Muslime wendet sich das Buch in erster Linie. Außerdem gibt es die dritte Gruppe, die Dissidenten oder Reform-Muslime. Dazu zählt Hirsi Ali sich selbst und andere Islamkritiker, aber auch einige wenige islamische Theologen, die fortschrittlich denken.

Die brutale Einteilung in erlaubt / verboten, in gläubig / ungläubig muss weg

Ayaan Hirsi Ali sieht nur eine Chance für den Islam: Er muss sich reformieren. Die Einordnung ihrer Person als „weiblicher Martin Luther“, die manche deutsche Medien vornahmen, ist dennoch grundfalsch: Denn Luthers Ansatz „Zurück zur Heiligen Schrift“ ist für den Islam nun einmal genau der falsche Weg – nämlich der, den bereits die Salafisten und Terroristen wählen. Das macht Hirsi Ali auch klar.

Vielmehr muss eine aktive Versöhnung der überkommenen Lehre mit der Moderne stattfinden, eine kritische Debatte über die Rolle des Korans als menschengemachtes Buch und die überaus problematische Figur des Propheten Mohammed, mithin eine historische Einordnung und Distanzierung. Die Moslems müssen sich selbst von den vielen gewalttätigen Aussagen des Korans distanzieren. Die Scharia mit ihrer klaren, messerscharfen Unterscheidung zwischen Gläubigen und Ungläubigen muss als leitendes Rechtssystem in islamischen Gesellschaften abgeschafft werden.

Immerhin: Hirsi Ali hält den Islam immer noch für reformierbar

Ein Teil dessen ist die Abschaffung der dogmatisch klaren Einteilung der Welt, aller möglichen Handlungen, Speisen und Kleidungen, in „erlaubt“ (halal) und „verboten“ (haram). Der „heilige Krieg“ (dschihad) muss eindeutig auf die Arbeit des Gläubigen an sich selbst beschränkt werden. Der aggressiven Komponente des Dschihad, dem Kampf gegen Andersgläubige und Religionswechsler, muss glaubwürdig eine Absage erteilt werden.

All diese Reform-Appelle, deren Umsetzung ja höchst unwahrscheinlich ist, zeigen, dass Ayaan Hirsi Ali viel am Islam liegt und dass sie im Kern optimistisch ist. Denn viele Islamkenner halten den Islam schlicht für unreformierbar.

Buchcover-Hirsi-Ali

Ayaan Hirsi Ali: Reformiert Euch! Warum der Islam sich ändern muss, Knaus Verlag, München 2015, 302 Seiten, 19,99 Euro.