So kannte man Helmut Schmidt: Heftig argumentierend, immer leicht rechthaberisch, aber klar in der Ansage und ordnungspolitisch ausgerichtet. (Verleihung des Stresemann-Preises in Hamburg im Januar dieses Jahres. Foto: Imago/Revierfoto)
Altkanzler verstorben

Trauer um Helmut Schmidt

Er galt als Macher und Krisenmanager und war bis zu seinem Tod einer der populärsten Politiker in Deutschland. 1982 wurde er vor allem von seiner eigenen Partei, der SPD, gestürzt – im Streit um die Nato-Nachrüstung. Nun ist der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt mit 96 Jahren in Hamburg gestorben.

Der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt ist tot. Der Sozialdemokrat starb nach Angaben seines Arztes Heiner Greten am Dienstag gegen 14.30 Uhr im Alter von 96 Jahren in seiner Heimatstadt Hamburg. Der Sohn eines Volksschullehrers war am 23. Dezember 1918 im Arbeiterviertel Barmbek der Hansestadt zur Welt gekommen.

Schmidt war von 1974 bis 1982 als Nachfolger von Willy Brandt Bundeskanzler. In der Großen Koalition führte er von 1967 bis 1969 die SPD-Bundestagsfraktion und war danach Verteidigungs- und Finanzminister. Den Hamburgern blieb Schmidt auch als tatkräftiger Innensenator während der Sturmflut von 1962 im Gedächtnis.

Ölkrise, RAF-Krise, Nato-Doppelbeschluss

Zu den größten Herausforderungen in seiner Kanzlerzeit gehörten die Ölkrise in den 70er Jahren und der Kampf gegen den Linksterrorismus der „Rote Armee-Fraktion“ (RAF). Seine schwerste Entscheidung traf Schmidt nach eigenen Worten, als er in der Nacht vom 17. auf den 18. Oktober 1977 die von Palästinensern entführte Lufthansa-Maschine „Landshut“ durch die Eliteeinheit GSG9 stürmen ließ. Die Terroristen wollten unter anderem 11 inhaftierte RAF-Terroristen freipressen.

Mit der Entscheidung zum Sturm, das war Schmidt klar, fiel zugleich auch das Todesurteil über den von RAF-Terroristen entführten Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer. Auch diese wollten ihre 11 Gesinnungsgenossen freipressen. Kurz nach der Bekanntgabe der erfolgreichen Landshut-Befreiung töteten sich die drei RAF-Anführer Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe in der der JVA Stammheim, Irmgard Möller verletzte sich schwer beim Suizidversuch. Schleyer wurde kurz darauf von der RAF ermordet.

Europa im Herzen

Resultierend aus den Erfahrungen als Soldat der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg war dem Diplomvolkswirt die europäische Einigung ein Herzensanliegen. Der SPD trat Schmidt nach der Entlassung aus britischer Kriegsgefangenschaft bei.

Als einer der ersten wies Schmidt auf die Gefahren für das Rüstungsgleichgewicht durch neue sowjetische Mittelstreckenraketen hin. Der Nato-Doppelbeschluss führte zu einer heftigen Konfrontation auch mit seiner eigenen Partei.

Im Herbst 1982 scheiterte Schmidt mit seiner sozialliberalen Koalition an Differenzen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Die FDP wechselte die Seiten. Durch ein konstruktives Misstrauensvotum wurde Helmut Kohl (CDU) am 1. Oktober 1982 zu seinem Nachfolger gewählt.

Mitherausgeber der Zeit

Schmidt gehörte dem Bundestag bis 1987 an. Seit 1983 war er Mitherausgeber der Wochenzeitung „Die Zeit“. Er schrieb zahlreiche Bücher und reiste für Vorträge um die Welt. Auch im hohen Alter waren seine Meinung und sein Rat gefragt und geschätzt. Schmidt erhielt zahlreiche Auszeichnungen, seine Bücher standen wochenlang auf den Bestseller-Listen.

Seine Frau Loki, mit der 68 Jahre verheiratet war und die er seit der Schulzeit kannte, war am 21. Oktober 2010 im Alter von 91 Jahren gestorben. Im August 2012 bekannte sich Schmidt zu Ruth Loah als neuer Gefährtin. Sie zählte schon seit Jahrzehnten zu seinen Vertrauten. Tochter Susanne Schmidt, promovierte Volkswirtin und Finanzjournalistin, lebt mit ihrem Ehemann Brian Kennedy in England.

Seehofer: „Herausragender Nachkriegspolitiker, bedeutender Staatsmann“

„Mit Helmut Schmidt verlieren wir einen herausragenden Nachkriegspolitiker und bedeutenden Staatsmann“, erklärte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). „Strategisches Geschick und politische Weitsicht – so hat Helmut Schmidt als Bundeskanzler die Bundesrepublik Deutschland sicher durch die schwierige Zeit des RAF-Terrorismus und des Kalten Krieges geführt. Souveränes Krisenmanagement und überzeugter Einsatz für die deutsch-französische Freundschaft sowie die europäische Einigung werden auf immer mit seinem Namen verbunden bleiben. Ich verneige mich vor der Lebensleistung von Helmut Schmidt, einem Hanseaten, der Bayern in Sympathie verbunden war“, so Seehofer.

Mit Helmut Schmidt verlieren wir einen herausragenden Nachkriegspolitiker und bedeutenden Staatsmann.

Horst Seehofer

Der Chef der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag, Thomas Kreuzer, würdigte Helmut Schmidt folgendermaßen: „Mit Altkanzler Helmut Schmidt ist einer von uns gegangen, der immer das gesagt hat, was er für Deutschland für richtig gehalten hat, egal ob es bequem war oder nicht. Er hat auch mit seinem Festhalten an dem NATO-Doppelbeschluss gezeigt, dass ihm als Kanzler eine richtige Politik wichtiger war als die Absicherung der eigenen Macht. Damit hat er Deutschland gedient und seinen Beitrag zur späteren Wiedervereinigung geleistet. Das hat mir imponiert. Er war später als Publizist, Philosoph und Politiker mit seinen Anmerkungen zur Zeitgeschichte fast noch wirkmächtiger als in seiner Zeit als Kanzler. Seine Worte werden diesem Land fehlen. Unser Mitgefühl gilt seinen Lieben.“

Mit Altkanzler Helmut Schmidt ist einer von uns gegangen, der immer das gesagt hat, was er für Deutschland für richtig gehalten hat, egal ob es bequem war oder nicht.

Thomas Kreuzer

In einer Erklärung würdigt auch die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, den Verstorbenen: „Mit tiefer Trauer habe ich die Nachricht vom Tod Helmut Schmidts vernommen. Helmut Schmidt war ein bedeutender Staatsmann. Während der Sturmflut in Hamburg zeigte er das erste Mal sein großes Talent als Krisenmanager: Der damalige Innensenator Helmut Schmidt ermöglichte den Betroffenen eine schnelle und unbürokratische Hilfe. Als Bundeskanzler übernahm Helmut Schmidt im „Deutschen Herbst“ mutig und besonnen Verantwortung im Kampf gegen die Terroristengruppe RAF. Mit Helmut Schmidt verlieren wir einen großen Europäer. Seine enge Freundschaft zu Valéry Giscard d’Estaing hat die Aussöhnung zu Frankreich nach dem zweiten Weltkrieg beflügelt. Zusammen mit ihm führte er das Europäische Währungssystem und die Europäischen Währungseinheit ECU ein, hieraus sollte später der Euro hervorgehen. Mein Mitgefühl gilt seiner Familie, der ich in dieser schwierigen Zeit viel Kraft und Zuversicht wünsche.“

Mit Helmut Schmidt verlieren wir einen großen Europäer. Seine enge Freundschaft zu Valéry Giscard d’Estaing hat die Aussöhnung zu Frankreich nach dem zweiten Weltkrieg beflügelt.

Gerda Hasselfeldt

dpa/wog