Wird der gordische Knoten des Länderfinanzausgleichs endlich durchschlagen? Bild: Fotolia/M. Schuppich
Bund-Länder-Finanzen

Seehofer und Scholz suchen Kompromiss

Die Ministerpräsidenten Bayerns und Hamburgs, Horst Seehofer (CSU) und Olaf Scholz (SPD), sollen einen neuen Anlauf für eine Verständigung im Streit um die Bund-Länder-Finanzen erarbeiten. Gestern Abend war ein Treffen der Länderchefs ergebnislos beendet worden. Bereits zuvor hatten die Finanzminister der unionsregierten Länder einen grundlegenden Reformplan erarbeitet.

Die Ministerpräsidenten der Bundesländer unternehmen einen neuen Anlauf zur Reform des Länderfinanzausgleichs. Eine Vierergruppe um Bayerns Regierungschef Horst Seehofer (CSU) und Hamburgs Ersten Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) am Wochenende Kompromisslinien ausloten. Das meldet die Agentur „Reuters“ unter Berufung auf Verhandlungskreise.

Am Vorabend hatten sich die Ministerpräsidenten bei einem Sondertreffen in Berlin erneut nicht auf eine gemeinsame Verhandlungsposition gegenüber dem Bund verständigen können. In den Kreisen hieß es, auch wegen der Flüchtlingskrise steige der Einigungsdruck. Die Länder wollten das Thema Bund-Länder-Finanzen endlich vom Tisch bekommen und sich voll auf das neue Problem konzentrieren.

Die Union hat ein Konzept entwickelt, mit dem es gelingen kann, die Geberländer zu entlasten, den Osten weiter zu stabilisieren und den finanzschwächsten Ländern, dem Saarland oder Bremen, ein echtes Hilfsangebot zu machen.

Markus Söder

Diskutiert wird derzeit unter anderem ein Vorschlag von Scholz: Er sieht unter anderem vor, dass der Bund 8,5 Milliarden Euro mehr in den Mechanismus pumpt, damit kein Land durch die Reform schlechter gestellt wird. Absehbar sei, dass der Bund sein Angebot auf über neun Milliarden Euro erhöhen müsse, damit alle Interessen befriedigt werden könnten. Im Länderfinanzausgleich werden jährlich Milliardensummen umverteilt, um im ganzen Land vergleichbare Lebensverhältnisse sicherzustellen. Zur Zeit stehen nur vier Zahler- zwölf Nehmerländern gegenüber. Bayern trägt allein mehr als die Hälfte des Ausgleichsvolumens, Berlin ist das größte Nehmerland.

Unions-Minister befürworten „grundlegenden Systemwechsel“

Bewegung war in die festgefahrenen Fronten gekommen, weil die Finanzminister der unionsregierten Länder sich bei einem Treffen in München – vor dem Ministerpräsidenten-Treffen – auf einen neuen Kompromissvorschlag verständigt hatten. Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) sagte, der Vorschlag sehe einen „grundlegenden Systemwechsel“ vor. Laut dem Plan der Unions-Minister soll der Finanzausgleich unter den Ländern künftig nur noch über den Umsatzsteuer-Ausgleich abgewickelt werden. Finanzschwache SPD-Länder wie Berlin hatten skeptisch auf diese Pläne reagiert.

„Die Union hat ein Konzept entwickelt, mit dem es gelingen kann, die Geberländer zu entlasten, den Osten weiter zu stabilisieren und den finanzschwächsten Ländern, dem Saarland oder Bremen, ein echtes Hilfsangebot zu machen“, sagte Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) der Deutschen Presse-Agentur dpa in München.

Konkret schlägt die Unionsseite nach Söders Worten einen „grundlegenden Systemwechsel“ vor: Der Länderfinanzausgleich in seiner bisherigen Form solle entfallen. Stattdessen solle es nur noch den Ausgleichsmechanismus bei der Umsatzsteuer geben, also den bisherigen Umsatzsteuervorwegausgleich. Der Länderanteil am gesamten Umsatzsteueraufkommen wird dabei entsprechend der Einwohnerzahl den einzelnen Ländern zugeordnet.

Nur der Umsatzsteuer-Ausgleich soll bleiben – den Rest regelt der Bund

„Modifiziert werden soll das dann durch Zu- und Abschläge entsprechend der Finanzkraft der Länder“, erklärte Söder. Und darüber hinaus solle es wie bisher Ergänzungszuweisungen des Bundes vor allem für die ostdeutschen Länder geben. „Der Osten bekommt damit die Chance, sein bisheriges Finanzniveau zu halten“, sagte Söder. „Und Bayern wird um eine Milliarde Euro entlastet.“

Die Zu- und Abschläge sowie die Ergänzungszuweisungen könnten nach Angaben Söders aus den fast neun Milliarden Euro finanziert werden, die der Bund den Ländern in Aussicht gestellt habe. „Es wäre schade, wenn es trotz dieser neun Milliarden Euro des Bundes nicht möglich wäre, eine Lösung zu finden, die den Finanzausgleich neu regelt“, sagte Söder. „Das wäre kein gutes Zeichen für den Föderalismus.“

Das ist ein gutes Angebot, das nicht einen ausbremst, sondern alle mitnimmt.

Markus Söder

Söder sagte, die Unionsseite hoffe angesichts ihres neuen Kompromissvorschlags auf eine Einigung mit den anderen Ländern. „Die Chancen auf ein gutes Ergebnis sind sehr hoch“, sagte er. „Das ist ein gutes Angebot, das nicht einen ausbremst, sondern alle mitnimmt.“ Es gebe nur noch ein kurzes Zeitfenster für Entscheidungen, so Söder.

Die innerstaatlichen Finanzbeziehungen müssen reformiert werden, weil 2019 der jetzige Länderfinanzausgleich, der Solidarpakt II mit Ostdeutschland und andere Finanzgesetze auslaufen. Bund und Länder suchen schon seit rund einem Jahr nach einem neuen Verfahren zur Verteilung der Steuereinnahmen unter den verschiedenen staatlichen Ebenen. Dabei stehen sich die Interessen von Geber- und Nehmerländern im Finanzausgleich, Ost und West sowie Stadt- und Flächenstaaten gegenüber. Gelingt in diesem Jahr keine Einigung, könnte das Thema bei den Landtagswahlen 2016 eine große Rolle spielen.

dpa/Reuters/wog