Viele Flüchtlingskinder kommen an die bayerischen Schulen. (Bild: Fotolia/Oksana Kuzmina)
Flüchtlingskinder

Lage an Schulen angespannt

Immer mehr Flüchtlingskinder kommen nach Bayern und gehen hier auch in die Schule. Darauf ist das Schulsystem wie auch andere Bereiche nicht entsprechend vorbereitet. Lehrerverbände wie der BLLV warnen vor einer gefährdeten Grundversorgung.

Angesichts des hohen Zustroms an jungen Flüchtlingen fordern die bayerischen Lehrerverbände mehr Mittel für den Schulunterricht. „Wir brauchen vor allem mehr Personal, das auf die besonderen Bedürfnisse der Kinder eingehen kann“, sagte die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), Simone Fleischmann, am Montag in München.  „An den Grund- und Mittelschulen ist die Mobile Reserve jetzt schon oft nach einem halben Schuljahr aufgebraucht“, beklagte Fleischmann. Angesichts steigender Flüchtlingszahlen könne sich die Situation bald zuspitzen, wenn die Reserve nicht bald aufgestockt werde und gleichzeitig zunehmend für Flüchtlingskinder abgezogen werden sollte. Dann bestehe die Gefahr, dass Unterrichtsstunden ausfallen und die Grundversorgung nicht mehr gewährleistet sei – in allen Schularten. Fleischmann warnt vor möglichen sozialpolitischen Folgen: „Es könnte eine gesellschaftliche Bombe hochgehen. Ich habe große Sorge, dass dann deutsche gegen Migrantenkinder ausgespielt werden.“ Dies hatte vor Kurzem schon CSU-Landtagsfraktionschef Thomas Kreuzer in einem Zeitungsinterview gesagt: „Man kann sich vorstellen, was los ist, wenn die komplette Mobile Reserve der Lehrer für die Betreuung der Flüchtlingskinder eingesetzt ist und es deswegen zu Unterrichtsausfall kommt.“ Kreuzer warnte vor einem Stimmungsumschwung in der Bevölkerung.

Nicht gegeneinander ausspielen

Vertreter aller Schularten forderten zudem eine Task-Force aus Fachkräften, die schnell und unkompliziert aushelfen könnte. Hierfür könnten nach Ansicht der Verbandsvertreter arbeitslose Junglehrer geschult werden. Die Vorstellung, die Hilfe für Flüchtlinge aus den vorhandenen Mitteln zu bestreiten, sei absurd, da der Bildungsetat bereits jetzt unterfinanziert sei. Auf keinen Fall dürften die Themen Flüchtlinge und Bildung gegeneinander ausgespielt werden. Das würde den sozialen Frieden in Bayern gefährden, warnten die Verbände. Gebraucht würden Psychologen, Dolmetscher und Lehrer mit Kenntnissen in Deutsch als Zweitsprache. Die zusätzlichen Mittel müssten schnell und unkompliziert fließen. Die Lehrerverbände begrüßen es daher, dass die Staatsregierung dafür einen Nachtragshaushalt von über einer Milliarde Euro plant. Sie boten außerdem an, mit dem Kultusministerium zusammen eine Arbeitsgruppe zu den Flüchtlingskindern zu bilden.

Kultusministerium widerspricht

Das Kultusministerium ist anderer Ansicht: „Für Bayern hat die bestmögliche Förderung seiner Kinder und Jugendlichen Vorrang. In den vergangenen 10 Jahren hat die Bayerische Staatsregierung allein den Bildungshaushalt von unter 8 Milliarden Euro im Jahr 2005 auf nun über 11 Milliarden Euro im Jahr 2015 angehoben. Daran erkennt man, dass die Bildungspolitik ein Investitionsschwerpunkt in Bayern ist und bleibt.“ Bayerns Schulen können zum neuen Schuljahr außerdem mit zusätzlichen Ressourcen für den Unterricht von jungen Flüchtlingen und Asylbewerber rechnen. Das Bildungs- und Wissenschaftsministerium wird unter anderem mehr Stellen für Übergangsklassen an Grund- und Mittelschulen sowie für die Angebote der Berufsschulen bereitstellen. „Unsere Schulen, vor allem die Grund- und Mittelschulen sowie die Berufsschulen, erbringen enorme Leistungen, um junge Menschen in sehr schwierigen Situationen zu unterrichten“, würdigte Kultusminister Ludwig Spaenle die Arbeit der Schulen vor Ort.

Bayern arbeitet auch mit Nachdruck an der Herausforderung, für die jungen Flüchtlinge und Asylbewerber, deren Zustrom anhält, qualitätsvolle Bildungsangebote zu setzen, und realisiert dies. 30.000 Schüler mit Flüchtlingshintergrund besuchen derzeit Bayerns Schulen. Über 6.100 junge Asylbewerber und Flüchtlinge besuchen beispielsweise 375 Übergangsklassen in Grund- und Mittelschulen, in denen sie intensiv in Deutsch gefördert werden. Damit wurde das Angebot für die jungen Menschen in schwieriger Lage gegenüber dem Schuljahresbeginn – zu diesem Zeitpunkt waren es rund 240 – deutlich ausgeweitet. Darüber hinaus besuchen junge Flüchtlinge und Asylbewerber auch Deutschförderklassen und Deutschfördergruppen. „Der Freistaat stellt hier die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung – auch wenn niemand mit diesem massiven Zustrom rechnen konnte“, so Spaenle. Bundesweit anerkannt sei der bayerische Weg an den Berufsschulen. In Bayern unterrichteten die Berufsschulen rund 4.500 berufsschulpflichtige Flüchtlinge und Asylbewerber in 260 (vorher 180) besonderen Klassen in Vollzeitunterricht zwei Jahre lang – viele Bundesländer reduzieren hier ihr Angebot auf das gesetzliche Minimum.

Bayern bezahlt auch die Lehrkräfte bundesweit mit am besten – als Symbol für die Wertschätzung der Arbeit der Lehrkräfte.

Ludwig Spaenle

Für das kommende Schuljahr wird das Kultusministerium weitere 147 Lehrerstellen für die Berufsschulen bereitstellen, um hier eine Anhebung auf 440 Klassen für junge Asylbewerber und Flüchtlinge zu ermöglichen. „Dabei können die Schulen und Lehrkräfte nicht alle Herausforderungen allein bewältigen, die anderen Behörden und Beratungsstellen sind mit gefordert“, mahnte der Minister. Bayern werde auch seine Angebote für junge Flüchtlinge und Asylbewerber ausweiten – dafür sei Vorsorge getroffen, zum Beispiel für die Einrichtung weiterer 180 besonderer Klassen an den Berufsschulen. „Bayern bezahlt auch die Lehrkräfte bundesweit mit am besten – als Symbol für die Wertschätzung der Arbeit der Lehrkräfte“, betonte Spaenle. Die Unterrichtsversorgung der allgemeinbildenden und beruflichen Schulen sei ebenso wie im laufenden Schuljahr auch für das Jahr 2015/2016 sichergestellt.

Offene Türen

„Jugendliche Flüchtlinge und Kinder von Asylbewerbern erhalten in Bayern bestmögliche schulische Bildung und damit eine nachhaltige berufliche Perspektive“, machte auch Gerhard Waschler, Vorsitzender des Arbeitskreises Bildung und Kultus der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag, deutlich.

Peter Winter, Vorsitzender des Ausschusses für Staatshaushalt und Finanzfragen des Bayerischen Landtags, ergänzte: „Bei den momentan laufenden Diskussionen über den Nachtragshaushalt des Freistaats geht es auch um die finanziellen Mittel für Flüchtlinge und Bildung.“ Die beiden CSU-Politiker reagierten damit auf die veröffentlichte gemeinsame Erklärung von Bayerns Lehrerverbänden. „Die Verbände rennen bei uns damit offene Türen ein“, erklärt Waschler. “Unsere Fraktion hat sich in einem Dringlichkeitsantrag bereits unter anderem dafür eingesetzt, trotz der ständig steigenden Zahl unbegleiteter Minderjähriger, weiterhin ausreichend Angebote an allen bayerischen Schulen sicherzustellen.“ Für diesen Herbst rechnet Waschler mit rund 30.000 schulpflichtigen Flüchtlingen. Wichtig ist der CSU-Fraktion auch der weitere Ausbau der Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen für die Lehrkräfte. Es geht aber nicht nur um finanzielle Unterstützung.

„Wir brauchen eine Anerkennungskultur für Schulen und Lehrkräfte, die hier überaus engagiert sind und hervorragende Arbeit leisten“, verdeutlichte Winter. „Bildung und Sprache sind der Schlüssel für gelungene Integration, beruflichen Erfolg und gesellschaftliche Teilhabe. Nur so können wir die gesamtgesellschaftliche Herausforderung durch Flucht und Asyl bewältigen.“

Die CSU-Fraktion führt bereits seit längerer Zeit Gespräche mit verschiedenen Lehrerinnen- und Lehrerverbänden zu diesem Thema. Die beiden Politiker freuen sich daher über das Angebot der Verbände, weiterhin als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen: „Bayern ist deutschlandweit Vorbild und Vorreiter bei der sprachlichen, schulischen und gesellschaftlichen Integration von Asylbewerbern. Wir werden zum Wohl der Kinder gemeinsam daran arbeiten, dass das auch so bleibt.“