Diskriminierung? Nur Männer dürfen am Memminger Fischertag zum Ausfischen in den Stadtbach. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand dpa/Picture alliance)
Gemeinnützig

Olaf Scholz gegen die Männervereine

Bundesfinanzminister Olaf Scholz will Vereinen, die Frauen die Mitgliedschaft verwehren, die Gemeinnützigkeit streichen. Die CSU lehnt diesen Vorstoß ab, weil auch Frauenvereine betroffen wären und diese Vereine sehr wohl gemeinnützig arbeiten.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz will Vereinen, die heute noch Frauen die Mitgliedschaft verwehren, die Gemeinnützigkeit und die damit verbundenen finanziellen Vorteile streichen. Ohne Gemeinnützigkeit sind beispielsweise Spenden an den Verein steuerlich nicht mehr absetzbar, was die Großzügigkeit mancher Gönner deutlich reduzieren dürfte.

Keine Vorteile für Männervereine

„Wir ändern gerade das Gemeinnützigkeitsrecht“, sagte der SPD-Politiker der Bild am Sonntag. „Vereine, die grundsätzlich keine Frauen aufnehmen, sind aus meiner Sicht nicht gemeinnützig. Wer Frauen ausschließt, sollte keine Steuervorteile haben und Spendenquittungen ausstellen.“ Es gebe „deutschlandweit Hunderte Vereine wie Schützengilden oder Sportclubs, die ausschließlich Männer zulassen“, führte Scholz aus, der zusammen mit Klara Geywitz für den SPD-Vorsitz kandidiert.

Gleichberechtigung ist ein wichtiges Anliegen, dieser Vorstoß hilft dabei nicht.

Markus Blume

Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit ist Voraussetzungen für Steuervorteile. So wird ein Verein dann von der Körperschafts- und Gewerbesteuer sowie von Grundsteuer, Erbschafts-, Schenkungssteuer und Kapitalverkehrssteuer befreit. Diese Befreiung gilt insbesondere für Einnahmen wie Spenden, Mitgliedsbeiträge, Zuschüsse oder Erbschaften. Auch bestimmte staatliche Gebühren und Kosten müssen nicht bezahlt werden. Gemeinnützigkeit ist auch die Voraussetzung dafür, dass der Verein Spenden bestätigen darf – die dann wiederum vom Spender steuerlich abgesetzt werden dürfen.

CSU lehnt die Pläne ab

Die CSU lehnte umgehend diesen Vorstoß ab, weil auch Frauenvereine betroffen wären und viele dieser Vereine sehr wohl gemeinnützig arbeiten würden. „Vereine steuerlich zu benachteiligen, weil sie sich mit ihrem Angebot nur an Frauen oder nur an Männer wenden, ist grundfalsch“, sagte CSU-Generalsekretär Markus Blume der Deutschen Presse-Agentur.

Es ist absurd, unsere Vereine nach Genderaspekten in Gut und Schlecht einzuteilen.

Markus Blume

Weiter führte der CSU-Landtagsabgeordnete aus: „Ich frage mich: Hat Olaf Scholz schon mal etwas gehört von Männergesangsvereinen, dem Katholischen Frauenbund, Burschenvereinen oder Frauenselbsthilfegruppen? Es ist absurd, unsere Vereine nach Genderaspekten in Gut und Schlecht einzuteilen.“ Blume betonte, wer so Politik mache, ignoriere die kulturelle Vielfalt der Vereine. „Gleichberechtigung ist ein wichtiges Anliegen, dieser Vorstoß hilft dabei nicht.“

Sollen zum Beispiel Frauenselbsthilfegruppen gezwungen werden, Männer aufzunehmen?

Albert Füracker

Auch Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU) erklärte: „Natürlich bin ich auch für Gleichberechtigung, aber es kann für Vereine gute sachliche Gründe geben, nur Frauen oder nur Männer aufzunehmen.“ Füracker fragte: „Sollen zum Beispiel Frauenselbsthilfegruppen gezwungen werden, Männer aufzunehmen?“ Es gebe seit Jahrzehnten bestehende reine Frauen- oder Männervereine, die vor allem zu Gunsten der Allgemeinheit arbeiteten, etwa bestimmte Vereine zur Brauchtumspflege, Männergesangsvereine oder Frauenchöre. „Von deren Engagement profitieren alle, egal ob Männer oder Frauen. Ich halte es für absolut überzogen, solchen Vereinen die steuerlichen Vorteile der Gemeinnützigkeit zu nehmen“, sagte Füracker und betonte: „Eine gesetzliche Änderung zulasten dieser Vereine lehne ich ab.“

Kritik auch von Vereinen

In Deutschland gibt es Hunderte Vereine, die nur Männer als Mitglieder aufnehmen. Allerdings auch sehr viele Vereine, die nur Frauen aufnehmen – auch sie wären dann vom Verlust der Gemeinnützigkeit betroffen. In Bayern könnte die Aberkennung der Gemeinnützigkeit auch eine Vielzahl an katholischen Männervereinen treffen, zu dessen bekanntesten sicher der „Katholische Männerverein Tuntenhausen“ zählt. Er hat den Zweck, „in der Öffentlichkeit für die Vertiefung des katholischen Glaubenslebens zu wirken und die katholischen Grundsätze zur Geltung zu bringen“ und engagiert sich daher in Kirche, Tradition und Politik. Aktueller Vorsitzender ist der frühere bayerische Umweltminister Marcel Huber.

Einen gerichtlichen Streit um die Zulassung von Frauen gibt es derzeit etwa beim Memminger Fischertagsverein. Ein weibliches Vereinsmitglied klagt, weil sie ebenfalls an dem bisher laut Satzung nur für Männer zugelassenen, traditionellen Stadtbach-Ausfischen („Fischertag“; geht auf das Jahr 1597 zurück) teilnehmen will. Frauen halten bisher an dem Tag nur am Ufer die Eimer für die gefangenen Fische bereit, dürfen aber Mitglied im Verein sein. Verhandlung sollte nicht vor November sein, so das Amtsgericht im Sommer. Mit entsprechenden Anträgen zur Satzungsänderung war die Frau zwei Mal in der Delegiertenversammlung gescheitert. Nach dem Ausfischen wird der Fänger der schwersten Forelle zum „Fischerkönig“ ernannt und der Stadtbach abgelassen und gereinigt. Bei der Verhandlung steht auch die Gemeinnützigkeit des Vereins infrage. Der Vorstand des Fischertagsvereins dagegen pocht auf das Recht zur Selbstbestimmung.

Wenn diese Summe geringer ausfiele, hätten wir ein Problem. Dann müssten wir die Mitgliedsbeiträge erhöhen.

Wolfgang Rolshoven, Präsident „Düsseldorfer Jonges“

Verärgert über die Scholz-Pläne zeigte sich auch der mit über 3200 Mitgliedern größte Heimatverein Deutschlands, die „Düsseldorfer Jonges“. Der nordrhein-westfälische Verein nimmt per Satzung keine Frauen auf und will das auch nicht ändern. Zweck ist neben der Brauchtums- und Mundartpflege unter anderem auch die Unterstützung von Frauenorganisationen, Landschafts- und Umweltschutz, Religionsgemeinschaften und der Integration. Hinzu kommt soziales Engagement sowie der Schutz und die Gestaltung der Stadt- und Heimatlandschaft und der Erhalt charakteristischer Bauten, Denkmäler und Brunnen. Wichtige Beiträge für die Allgemeinheit also. Im Jahr bekommt der Verein nach eigenen Angaben rund 160.000 Euro an Spenden. „Wenn diese Summe geringer ausfiele, hätten wir ein Problem. Dann müssten wir die Mitgliedsbeiträge erhöhen“, so Baas (Präsident) Wolfgang Rolshoven. Er hielt den Scholz-Plänen in der Rheinischen Post ebenfalls entgegen, dass es in Düsseldorf auch einige Clubs gebe, die nur Frauen aufnehmen, wie die Düsseldorfer Weiter (mundartlich für Mädchen, Anm. d. Red.), den Venetien-Club oder die Soroptimisten. Er hält den Vorstoß von Scholz daher für ein Wahlkampfmanöver, um bei Frauen zu punkten, da Scholz derzeit für den SPD-Parteivorsitz kandidiert.

Ein Urteil des Bundesfinanzhofes

Ganz einfach dürfte es aber für Männer- wie für Frauenvereine auch dann nicht werden, wenn die Scholz-Pläne nicht Wirklichkeit werden. Mit dem Thema hatte sich nämlich auch schon der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung im Jahr 2017 befasst: Demnach war eine Freimaurerloge, die Frauen von der Mitgliedschaft ausgeschlossen hatte, nicht gemeinnützig. Die Loge habe keine zwingenden sachlichen Gründe für den Ausschluss von Frauen anführen können, teilte das Gericht damals mit. Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags kamen damals zu dem Ergebnis, die Entscheidung könne sich auch auf ähnliche Vereine auswirken.

Der Leitsatz des Urteils lautete: „Eine Freimaurerloge, die Frauen von der Mitgliedschaft ausschließt, ist nicht gemeinnützig.“ Die Begründung: Weil Frauen einen bedeutenden Teil der Allgemeinheit ausmachen, dürfte man sie ohne zwingende Sachgründe nicht ausschließen, wenn man die Gemeinnützigkeit behalten wolle. Probleme könnten deshalb neben Schützenvereinen, Burschenschaften und bestimmten Sportvereinen auch reine Frauenvereine bekommen, etwa Landfrauenvereine. Zwingende Sachgründe könnten aber beispielsweise Männergesangsvereine oder Frauenchöre vorbringen, bei denen es auf die passenden Gesangsstimmen ankommt. Ebenso könnten Frauenvereine, die sich für traumatisierte Opfer von Männergewalt einsetzen, solche Gründe anführen.

Gemeinnützigkeit

Paragraf 52 der Abgabenordnung definiert genau, welche Vereinszwecke als gemeinnützig anerkannt sind: „Eine Körperschaft verfolgt gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern.“ Das reicht von der Förderung von Wissenschaft und Forschung über die Unterstützung von Tierschutz und Sport, die Rettung aus Lebensgefahr bis zum Engagement für Heimatpflege und Kultur. So wurden beispielsweise auch Amateurfunken, Hundesport oder Schach als gemeinnützig anerkannt – solange jeder mitmachen darf.

Auch mildtätige (§53 AO) und kirchliche Zwecke (§54 AO) gelten entsprechend: Ein katholischer Orden, der keine Frauen aufnimmt, verfolgt „kirchliche Zwecke“ – hier wird keine Förderung der Allgemeinheit verlangt. Die Freimaurerloge, die auch religiöse Zwecke verfolgt, ist keine Kirche in diesem Sinne.

In den Fällen der umstrittenen Organisationen Attac und Campact wurde die Gemeinnützigkeit jeweils aberkannt, weil sie zu sehr „allgemeinpolitisch“ aktiv waren. Das ist zwar nicht grundsätzlich verboten, aber sie dürfen die Grenze zu politischen Aktivitäten, die nicht mit der Gemeinnützigkeit vereinbar sind, nicht überschreiten. Wer darüber hinausgehe, könne nur ohne Gemeinnützigkeit oder als Partei weiterarbeiten, urteilte der Bundesfinanzhof. Attac hatte sich vor dem BFH darauf berufen, die politische Bildung zu fördern. Das Gericht urteilte aber im Februar, dass sich Attac mit seinen politischen Aktionen nicht auf die vom Gesetz geschützten gemeinnützigen Zwecke beschränkte – die Globalisierungskritiker forderten unter anderem eine Finanztransaktionssteuer, die Zerschlagung der Deutschen Bank und ein Ende der Sparmaßnahmen unter anderem in Griechenland. Damit überschritten sie aber die Grenze der politischen Bildung, so der BFH. Dabei könnten zwar „auch Lösungsvorschläge für Problemfelder der Tagespolitik erarbeitet werden“, das setze allerdings „ein Handeln in geistiger Offenheit voraus“ – was die Richter bei Attac nicht sahen. Schon 1988 urteilte der BFH: Entscheidend sei, dass die Tagespolitik nicht Mittelpunkt der Tätigkeit der Körperschaft ist oder wird, sondern der Vermittlung der steuerbegünstigten Ziele der Körperschaft diene.