Weitgehend befriedet: Straßenbild aus Damaskus im Juli 2019. (Bild: imago Images/Zuma/Noe Falk Nielsen)
Flüchtlinge

Gängige Praxis: Urlaub in Syrien

Kommentar Syrischen Flüchtlingen, die regelmäßig in Syrien Heimaturlaub machen, soll der Flüchtlingsstatus entzogen werden. Das fordert Innenminister Seehofer. Zuvor hatte die Bild-Zeitung berichtet, dass Heimaturlaube in Syrien schon "gängige Praxis" seien.

Ein Land lässt sich und sein Asylrecht verhöhnen. Von angeblichen syrischen Flüchtlingen in Deutschland, die wochen- und monatelang Urlaub machen − in Syrien. Das berichtete kürzlich die Bild-Zeitung. Die Tageszeitung schreibt von einer gut eingefahrenen, „gängigen Praxis“.

Über Türkei oder Libanon

Etwa 780.000 Syrer sind in den vergangenen Jahren nach Deutschland gekommen – als Flüchtlinge. Jetzt stellt sich heraus, dass es syrische Flüchtlinge gibt, die Urlaub machen – in ihrem Heimatland Syrien, in dem sie angeblich verfolgt werden.

Um Missverständnisse zu vermeiden: Natürlich gibt es viele Syrer, die bei einer Heimreise ins Assad-Land tatsächlich verfolgt werden oder würden. Männliche Rückkehrer werden offenbar grundsätzlich als Regimegegner verdächtigt, wie Medienberichte nahelegen. Einige verschwinden. Andere jedoch bleiben unbehelligt, durch Bestechung oder vielleicht auch, weil sie Assad-Getreue waren (und sind), die nur vor dem IS flohen.

Flüchtlinge machen Urlaub in Syrien

Bild

Bild hat jetzt beschrieben, wie die Urlaube funktionieren: Ziemlich einfach über die Türkei oder den Libanon. Dazu brauchen die Reisekandidaten nur ihren syrischen Reisepass oder ein sogenanntes Übergangspapier. Letzteres beantragen und erhalten sie in der syrischen Botschaft in Berlin oder in einem syrischen Konsulat.

Hin- und Rückreise: 800 Euro

Dann geht es mit dem Flugzeug in den Libanon. Dort beschaffen Reisevermittler eine „Ausnahmegenehmigung für die Einreise nach Syrien“, so die Bild-Zeitung. Mit dem Bus fahren die Heimaturlauber dann vom Flughafen Beirut über die Grenze nach Syrien. Auch die Rückreise ist simpel: Mit dem syrischen Pass reist man wieder in den Libanon oder in die Türkei. Dort besteigt man dann mit den deutschen Asylpapieren den Flieger zurück nach Deutschland. Es ist schon praktisch, nicht nur einen, sondern zwei Pässe oder Ausweispapiere zu haben.

Ich blieb zwei Monate, habe Urlaub gemacht.

Syrerin in Bild-Zeitung

800 Euro kosten Hin- und Rückreise inklusive aller Bestechungsgelder, so die Bild-Zeitung. Was deutsche Sozialleistungen nicht alles möglich machen. Das Berliner Blatt hatte offenbar keine Mühe, Syrer mit Flüchtlingsstatus in Deutschland zu finden, die bereit waren, über ihre Heimaturlaube zu reden. So war etwa eine Syrerin, die derzeit in Bayern lebt, zwei Mal zwei Monate lang zurück in Syrien, um ihre Kinder zu sehen – was ja verständlich ist. Der deutsche Steuerzahler wird aber vermuten: Wahrscheinlich hat sie in diesen Monaten deutsche Sozialleistungen bezogen. Etwa für die Wohnung, die sie kaum verlieren wollte. Hier wäre Raum für Fragen zu einer weiteren interessanten Geschichte.

Entzug des Flüchtlingsstatus

Der Bild-Zeitung zufolge weiß das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) „von den Heimaturlauben“. Zahlen gibt es allerdings nicht. Interessant: Im ersten Halbjahr 2019 hat die Behörde fast 40.000 Entscheidungen über den Widerruf von Asyl- oder Flüchtlingsstatus getroffen, die Syrer betrafen. Womit nicht gesagt ist, dass es dabei um Urlaubsreisen nach Syrien ging.

Wer als syrischer Flüchtling regelmäßig in Syrien Urlaub macht, der kann sich ja nicht ernsthaft darauf berufen, in Syrien verfolgt zu werden.

Horst Seehofer, Bundesinnenminister

Syrische Flüchtlinge, die nach Syrien reisen, um dort Urlaub zu machen, müssen ihren Flüchtlingsstatus verlieren, sagt dazu Bundesinnenminister Horst Seehofer: „Wer als syrischer Flüchtling regelmäßig in Syrien Urlaub macht, der kann sich ja nicht ernsthaft darauf berufen, in Syrien verfolgt zu werden. Dem müssen wir seinen Flüchtlingsstatus entziehen.“

Kaum Kampfhandlungen in Syrien

Die aufschlussreiche Geschichte hat einen weiteren Aspekt: Syrien ist wieder ein Urlaubsland, jedenfalls für viele Syrer. Denn das Land ist wieder sicherer geworden. Schon im vergangenen März hatte das Bamf seine internen Leitsätze für Syrien dementsprechend aktualisiert: Man könne nicht mehr von einem landesweiten bewaffneten Konflikt ausgehen. Kampfhandlungen gebe es nur noch in wenigen Gebieten.

Man beobachte intensiv die Entwicklungen in Syrien, sagt dazu auch Innenminister Seehofer: „Wenn es die Lage erlaubt, werden wir Rückführungen durchführen.“

Auch die Eritreer

Das Phänomen der Heimaturlaube von Flüchtlingen in ihr Heimatland, in dem sie angeblich verfolgt wurden, ist nicht neu. Und betrifft nicht nur Syrer. Die Schweizer Presse berichtet seit Jahren ähnliches von in der Schweiz anerkannten eritreischen Flüchtlingen. Die beantragen in der Schweiz unverdächtige Reise-Erlaubnisse und fliegen dann über den Sudan oder über Äthiopien – nach Eritrea. Offenbar in beachtlich großer Zahl.

Viele Eritreer fliegen regelmäßig zurück in das Land, in dem sie ‚an Leib und Leben bedroht‘ sind.

Baseler Zeitung

Die Neue Zürcher Zeitung am Sonntag deckte schon 2014 auf, dass die eritreische Vertretung in der Schweiz sogar solche Reisen organisierte. Amüsant: Für die Reise benutzen die eritreischen Flüchtlinge dann ihre eritreischen Pässe. Obwohl sie die für das Asylverfahren in der Schweiz gar nicht hatten, weil angeblich verloren. Nicht nur die Deutschen lassen sich offenbar an der Nase herumführen.