Ein Polizeiwagen steht vor einem Wandgemälde, das ein in Berlin erschossenes mutmaßliches Clanmitglied zeigt. (Bild: picture alliance)
Arabische Clans

Raub und Diebstahl als Beruf

In einem aufrüttelnden Buch schreibt der Migrationsforscher und Islamwissenschaftler Ralph Ghadban, wie kriminelle Clans den Staat zu ihrer Beute machen – und die Staatsgewalt aus ihren Revieren vertreiben. Aus dem BAYERNKURIER-Magazin.

Im Jahr 1999 kostete eine Braut 70.000 DM. Nicht irgendwo in der afrikanischen oder arabischen dritten Welt, sondern in Deutschland, in der Hauptstadt Berlin. Vorausgesetzt das Mädchen hatte einen deutschen Aufenthaltstitel mit Recht auf Ehegattennachzug. Dann war das Mädchen wertvoll. Der Preis der Morgengabe, die der Bräutigam oder seine Familie zu entrichten hatte, schoss in die Höhe. Kassiert hat das Geld immer der arabische Brautvater. Und der versteigerte seine Tochter an den Meistbietenden. Und das Bitterste an der Geschichte: So funktioniert es auch heute noch. Jetzt halt in Euro.

Todesdrohungen aus dem Clan-Milieu

Das berichtet Ralph Ghadban in seinem Buch über „Arabische Clans. Die unterschätzte Gefahr.“ Ghadban, Migrationsforscher und Islamwissenschaftler, ist im Libanon geboren. Seit 1972 lebt er in Deutschland. Ab Mitte der 70er Jahre war er etwa 15 Jahre lang in Berlin in der Sozialarbeit mit arabischen Libanon-Flüchtlingen tätig. Da hat er intensiv mit palästinensischen und anderen arabischen Clans zu tun gehabt. Er weiß alles über sie und hat viel über sie geschrieben. Anfang des Jahres hat er dem libanesischen Fernsehen ein Interview zum Thema gegeben – auf Arabisch. Prompt erhielt er Todesdrohungen aus dem Clan-Milieu. Seither lebt er in der deutschen Hauptstadt unter Polizeischutz.

Die Großfamilien, bei denen die Verachtung für uns und unsere Werte besonders groß ist, haben die Clankriminalität entwickelt.

Ralph Gadban

Die Versteigerungen arabischer Bräute in Berlin und anderswo in Deutschland sind das Ergebnis vierzig Jahre alter, völlig aus dem Ruder gelaufener Regeln für den Familiennachzug. Genauso wie die arabischen Clans in Berlin, Bremen oder Essen. Auf 200.000 bezifferte 2015 das Bundeskriminalamt „das Personenpotential der Clanfamilien“. Von über 100.000 Angehörigen der sogenannten Mhallami-Clans in Deutschland schreibt Ghadban. Ihnen vor allen gilt sein Buch.

Die Berliner Mauer war offen …

Die Mhallami und ihre Clankriminalität sind sozusagen eine späte Rache Erich Honeckers. Aber der Reihe nach: Anders als oft geschrieben sind die Mhallami weder Libanesen noch Kurden – auch wenn sie seit 1994 fast alle libanesische Staatsbürger sind. Sie sind Wüstenaraber, die zu tief-osmanischer Zeit in 40 bis 50 Dörfern im kurdischen Süden der heutigen Türkei sesshaft wurden.

Nach dem Ersten Weltkrieg gerieten sie in blutige Kurdenkriege des türkischen Staatsgründers Kemal Atatürk. Wie viele Kurden flüchteten auch die meisten Mhallami über Syrien in den Libanon. Wo sie als die ärmsten der analphabetischen Armen nie einen Fuß auf den Boden bekamen. Im konfessionell zerrissenen Libanon verfolgten die Mhallami ausschließlich ihre Clan-Interessen und sonst keine politische Linie, schreibt Ghadban. Außer einer: gegen die Christen. Als 1975 der Bürgerkrieg im Libanon ausbrach, überzogen sie Beirut derart mit Gewalt und Plünderung, dass die PLO eingreifen musste.

… für die Libanon-Flüchtlinge

Der Bürgerkrieg brachte schließlich Zehntausende Palästinenser und eben auch Mhallami sozusagen als Libanon-Flüchtlinge nach Deutschland – über Honeckers Ostberlin. Die Flüchtlinge mussten nur in einem Beiruter Reisebüro ein Ticket der DDR-Fluglinie Interflug nach Berlin-Schönefeld kaufen. Für ein Transitvisum von 5 Mark wurden sie von dort per Bus zum Grenzübergang Friedrichstraße chauffiert. Dann ging es mit S- und U-Bahn weiter nach Westberlin. Ohne Visum, völlig unkontrolliert. Weil die Westmächte ganz Berlin als einheitliches Besatzungsgebiet betrachteten und nicht kontrollierten. Die deutschen Behörden in Westberlin waren nicht befugt, an den Sektorengrenzen Kontrollen vorzunehmen.

Die Flüchtlinge kauften im Libanon ein Flugticket und flogen mit der DDR-Fluglinie Interflug von Beirut nach Berlin-Schönefeld.

Ralph Ghadban

So verrückt es klingt: Die Mauer war 15 Jahre lang völlig offen. Halt nicht für die DDR-Bürger, aber für Palästinenser und andere Libanon-Flüchtlinge. Die nutzten die DDR-Route kräftig: Noch 1986 wurde ein Drittel aller Asylanträge in Deutschland in Berlin gestellt. Nach dem Fall der Mauer wurde es anarchisch: In dem einem Jahr, bis Bonn im wiedervereinigten Deutschland die Grenzkontrollen übernahm, kamen 20.000 Flüchtlinge aus dem Libanon nach Berlin.

Der deutsche Sozialstaat genügte ihnen

Für die Mhallami waren Großfamilie und Clan stets der Kern ihrer Identität – in Kurdistan, im Libanon und nun in Berlin. Bei den Palästinensern war es wenig anders. Ergebnis: Die arabischen Libanon-Flüchtlinge schotteten sich fast vollständig ab von der Mehrheitsgesellschaft in Berlin.

Libanonflüchtlinge, die mehrheitlich keine Arbeit suchten.

Ralph Gadban

Die arabischen Clans wurden in die Kriminalität gezwungen, sagen manche Beobachter. Weil Asylbewerber ab 1980 nicht mehr sofort Arbeit aufnehmen durften. Das ist jedoch nicht richtig. Bis spätestens 1997 hatten die meisten Libanon-Flüchtlinge Aufenthaltsstatus oder waren eingebürgert worden. Und durften dann arbeiten. 1980 standen bundesweit etwa 70 Prozent der Asylbewerber in Arbeit oder erhielten Arbeitslosengeld. Nicht jedoch die Libanon-Flüchtlinge – Palästinenser und Mhallami – die, so Ghadban, „mehrheitlich keine Arbeit suchten“.

Der Staat ist der Versorger – selbst die vermögenden Kriminellen unter ihnen bleiben Hartz-IV-Empfänger.

Ralph Gadban

Dazu fehlten ihnen Qualifikationen und Motivation. Der deutsche Sozialstaat genügte ihnen. Palästinenser und Mhallami ging es in Berlin plötzlich so gut wie gutsituierter Mittelschicht im Libanon. Kein unqualifizierter Arbeitsplätz hätte gereicht, so Ghadban, „um die staatlichen Sozialleistungen für eine Großfamilie, manchmal mit 16 Personen, spürbar zu übersteigen“. Ghadban: Gastarbeiter waren schlechter gestellt als die Flüchtlinge, „die von der Wohlfahrt verwöhnt und nicht in die Pflicht genommen wurden, für sich selber zu sorgen“.

Zu Kriminellen erzogen

Was ihnen fehlte, beschafften sich viele der Libanon-Flüchtlinge auf kriminellem Wege: organisierter Diebstahl, Raub, Drogenhandel. Ghadban: „Unter palästinensischen Migranten war Kriminalität sehr verbreitet. Eigentum bedeutete ihnen wenig.“ Bei den Mhallami, so Ghadban, „wurden Raub und Diebstahl zu einem Beruf“.

Ihre Kinder wurden und werden regelrecht darauf getrimmt, zitiert Ghadban den ehemaligen Neuköllner SPD-Bürgermeister Heinz Buschkowsky: „Leider haben wir den Eindruck, dass in verschiedenen Familien Kinder planmäßig zur Kriminalität erzogen und ausgebildet werden.“ Manche Kriminelle sind eben nicht Opfer ungünstiger Verhältnisse, sondern bewusste Täter, erläutert Ghadban: „Das gilt vor allem für diejenigen, die in der Gesellschaft der Mhallami aufgewachsen sind, sowie für manche (andere) arabische Clans.“

Beutegesellschaft

Schon 1986 prägte Ghadban den Begriff der „Beutegesellschaft“. Denn genau so sehen die Araberclans den Rest der Gesellschaft. Ghadban: „Die Clans verhalten sich in ihrer deutschen Umgebung wie die Stämme in der Wüste: Alles, was außerhalb des Clans liegt, ist Feindesland und frei zu erobern.“ Beute eben.

Vielmehr sehen Clans im öffentlichen Raum ein Gebiet für ihre Raubzüge.

Ralph Gadban

Der öffentliche Raum ist für die Clans nicht Lebensraum, sondern „Gebiet für ihre Raubzüge“. Dazu gehört die Plünderung des Sozialstaats. 2010 schätzte die Bremer Polizei, dass der dortige Miri-Clan jährlich 50 Millionen Euro mit Drogen umsetzte – und 6,9 Millionen Euro Transferleistungen vom Staat bezog. Ghadban: „Nicht mitgerechnet sind Wohngeld, Heizungszuschuss, Bekleidungszuschuss, Kosten für Anwälte, Dolmetscher, Kosten für regelmäßige Aufenthalte  im Gefängnis.“

Territorium geht verloren − in der Hauptstadt Berlin

Die Waffe der Clans ist die Großfamilie, der Gruppenauftritt, „die Rudelbildung“ wie Ghadban es nennt. Sie setzen sie sogar gegen die Polizei ein. Wenn Polizei in Berlin-Neukölln oder in Duisburg-Marxloh Mhallami-Angehörige kontrolliert, sind sofort 30, 50 oder 100 Clanmitglieder zur Stelle. Ghadban: „Sie wollen die Staatsgewalt aus ihren Revieren vertreiben.“

Die Segregation der Stadtquartiere ist aus meiner Sicht irreversibel.

Heinz Buschkowsky, ehemaliger Bezirksbürgermeister des Berliner Bezirks Neukölln

Mit Erfolg: Polizisten überlegen sich zweimal, „ob sie dort jemanden wegen einer Ordnungswidrigkeit überprüfen“, sagt ein Kriminalbeamter. So entstehen No-Go-Areas. In denen dann normale Deutsche kaum noch leben können. Was Buschkowsky in Neukölln bestätigt: „Die Segregation der Stadtquartiere ist aus meiner Sicht irreversibel.“ Territorium geht verloren. In Berlin, in der Hauptstadt.

Wie geht es weiter mit den Araberclans in Deutschland und mit ihrer Clankriminalität? Ghadban ist pessimistisch: „Inzwischen sind die Clans der Meinung, die Polizei könne sie nicht mehr besiegen, weil sie zu viele geworden seien.“ Die arabische Flüchtlingswelle seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien habe das Problem verschärft: „Wir erleben eine schnelle Integration von Flüchtlingen in das kriminelle Milieu.“

Missglückte Integration

Ghadbans Buch gilt nicht nur den Araberclans. Sondern auch 40 Jahren deutscher Asylpolitik und Nicht-Integration muslimischer Zuwanderer. Die Schuld gibt der Islamwissenschaftler nicht den Deutschen. Schließlich seien alle Migranten gleichermaßen von deutscher Integrationspolitik betroffen – „aber nur bei den Muslimen ist eine Parallelgesellschaft entstanden.“

Ghadban weiß warum: Die westliche Zivilisation basiert auf dem Individuum. Das islamische Modell hingegen basiert auf der Gruppe – auf der Großfamilie, der Sippe, dem Clan, dem Stamm und auf dem Megastamm der Muslime. Überall in der islamischen Welt. Die beiden Modelle seien nicht kompatibel, sagt Ghadban. Integrieren könne man nur Individuen, nicht Clans und Stämme. „Integration setzt die Befreiung des Individuums voraus.“ Aber die hat in der islamischen Welt nicht stattgefunden. Weil sie die Sprengung von Großfamilie, Clan und Stamm bedeuten würde, also folglich die Sprengung des islamischen Modells.

Grundsätzliche Ablehnung unseres Wertesystems

Ghadban sieht weitere Gründe für das Versagen der Integration: „Zu viele Muslime lehnen aus religiösen Gründen unser Wertesystem zumeist grundsätzlich ab und arbeiten aktiv daran, es auszuhöhlen.“  Er meint damit nicht nur das „radikalisierte islamische Milieu“. Gahdban: „Den Großteil des Problems stellt der Rest der islamischen Parallelgesellschaft dar, der mehr oder weniger friedfertig ist, aber eben unser Wertesystem ablehnt und seine Scharia-Vorstellungen durchzusetzen versucht.“ In eben jene Parallelgesellschaft integrieren sich jetzt „die über eine Million Muslime, die in den letzten fünf Jahren in Deutschland Zuflucht gefunden haben“.

Die pure Anwesenheit einer islamischen Parallelgesellschaft ist eine ständige Bedrohung unserer Gesellschaft.

Ralph Gadban

Den Deutschen macht Gahdban bei alledem keinen Vorwurf. „Die überwiegend negative Haltung dem Islam gegenüber in Deutschland sowie ganz Europa ist kein Ergebnis von Rassismus und Faschismus, sondern resultiert daraus, wie ein Teil der Muslime sich verhält.“