Zugpferd des Südens: München. (Bild: imago Images/imagebroker/Moritz Wolf)
Kommunen

Das Fundament ist stark

Die bayerischen Kommunen haben auch in den Jahren 2017 und 2018 hohe Überschüsse erwirtschaftet. Von den zehn stärksten Städten liegen acht in Bayern, das auch das einzige Land ist, in dem die Investitionen die Sozialausgaben deutlich übertreffen.

In den Jahren 2017 und 2018 erreichten die Kommunen bundesweit einen Überschuss von 18 Milliarden Euro, das ergibt der Kommunale Finanzreport 2019 der Bertelsmann Stiftung. Selbst in den langjährigen Krisenländern NRW, Rheinland-Pfalz und dem Saarland verbesserten sich die Zahlen deutlich. Bayern aber steht besonders gut da.

Schulden sinken

Die kommunale Verschuldung erreichte im Jahr 2015 ihren Höhepunkt und ist seitdem leicht gesunken. Rund 70 Prozent der Schulden sind investiv, sie schaffen also langfristig nutzbare Wirtschaftsgüter wie Straßen, Kliniken oder Gewerbegebiete. Gut ein Viertel der Schulden entfällt auf die Kassenkredite. Die geringste Gesamtverschuldung weisen die Kommunen Sachsens auf (693 Euro je Einwohner), die höchste jene im Saarland (3.522 Euro je Einwohner).

Grundsätzlich sind Bayerns Kommunen für die Zukunft gerüstet. Das Fundament ist stark.

Bertelsmann-Report

Der finanzielle Erfolg basiert auf einer außergewöhnlichen Konjunktur und umfangreichen Hilfen des Bundes, wie Bertelsmann klarstellte. In schwachen Kommunen sind die Haushalte auch weiterhin fragil. „Eine Eintrübung der Wirtschaftslage wird dort die Erfolge zunichtemachen“, warnt der Report überdeutlich. Die Länder seien gefordert, im aktuell günstigen Umfeld das finanzielle Fundament der Kommunen zu stärken, neue Lasten zu vermeiden und Lösungen für die noch bestehenden Kassenkredite zu finden.

Trendwende bei Kassenkrediten

Diese Kassenkredite, für Experten das sicherste Anzeichen für eine Überschuldung von Kommunen, sanken erstmals seit Jahrzehnten bundesweit deutlich. Der Report spricht sogar von einer „Trendwende“. Kassenkredite werden immer mit dem Dispo von Privatkunden verglichen. Eigentlich dienen sie lediglich der kurzfristigen Überbrückung von Liquiditätsengpässen. In vielen Kommunen sind sie jedoch zum dauerhaften und wachsenden Finanzierungsinstrument geworden. Gute Politik zahlt sich aus, schlechte Politik sorgt für Schulden: Von den 20 Kommunen mit den höchsten Kassenkrediten 2017 liegen 19 in den lange rot regierten Ländern Rheinland-Pfalz und NRW.

Ein Rückgang der Ausgaben ist in keinem Land festzustellen.

Bertelsmann-Report

Sie gehen zudem im Regelfall einher mit hohen Sozialausgaben und Steuersätzen, niedrigen Investitionen und allgemein geringen lokalen Handlungsspielräumen. Bundesweit erreichten diese Kredite 2015 ihren Höchststand mit rund 50 Milliarden Euro. Nach über 20 Jahren des kontinuierlichen Anstiegs sanken die Kassenkredite ab 2016 auf aktuell 36 Milliarden Euro.

In Bayern kommen sie hingegen so gut wie nicht vor. Nur vier der 71 bayerischen Landkreise und 25 kreisfreien Städte überschritten hier 2017 die Grenze von 100 Euro je Einwohner. In der bundesweiten Spitze wurden zum Beispiel in Pirmasens in Rheinland-Pfalz Werte von 8239 Euro je Einwohner erreicht. „Bayern hat es geschafft, die wenigen im bundesweiten Vergleich eher kleinen Krisen in den Städten Weiden und Fürth oder im Kreis Wunsiedel in den zurückliegenden Jahren zu lösen“, erklärt René Geißler, Experte für Kommunalfinanzen der Bertelsmann Stiftung. Deutlicher kann man die Arbeit der bayerischen Staatsregierung kaum loben.

Hohe Ausgaben

Mit dem Jahr 2018 erreichten die Kommunen bundesweit das siebte Jahr in Folge einen positiven Saldo, in Bayern das achte Mal. Im langfristigen Vergleich ist die Finanzlage also außerordentlich stabil. Die Ursachen dieser positiven Entwicklung liegen aber im konjunkturbedingten Anstieg der Steuern und den Änderungen der föderalen Finanzverteilung, so der Report.

Ein weiteres Warnzeichen wird genannt: „Ein Rückgang der Ausgaben ist in keinem Land festzustellen.“ Im Gegenteil, sie stiegen überall deutlich: Im fünfjährigen Vergleich zu 2013 summiert sich das Ausgabenwachstum auf beachtliche 27 Prozent. Größte Ausgabenkategorie sind traditionell die Personalausgaben (22 Prozent), gefolgt von Sozialleistungen (19 Prozent), laufendem Sachaufwand (19 Prozent), laufenden Zuweisungen (13 Prozent) und Investitionen (12 Prozent). Alle Ausgabenarten sind im Jahresvergleich gestiegen; am stärksten jene für Personal und Investitionen. Insbesondere die Sozialausgaben entwickelten sich über viele Jahre sehr dynamisch und waren eine zentrale Ursache verbreiteter Haushaltskrisen. In den Jahren 2015 und 2016 war der Anstieg in Folge der Migrationskrise besonders groß. In den Jahren 2017 und 2018 stagnierten die Ausgaben, allerdings auf erhöhtem Niveau. Bei den sozialen Leistungen treten besonders große Ausgabendifferenzen zwischen den Ländern auf. Pro Einwohner sind diese in den Kommunen NRWs mehr als doppelt so hoch wie in den Kommunen Sachsen-Anhalts.

Der bundesweit positive Trend wird primär durch die Kommunen in Bayern getragen.

Bertelsmann-Report

Die kommunalen Investitionen im Jahr 2018 stiegen um fast 13 Prozent. Hier hält der Report Erstaunliches fest: „Der bundesweit positive Trend wird primär durch die Kommunen in Bayern getragen. Sie erreichen pro Einwohner mehr als das Dreifache Investitionsvolumen der Kommunen des Saarlandes.“ Diese regionale Verteilung bestehe bereits seit vielen Jahren und habe zwangsläufig auch Auswirkungen auf die Qualität der Infrastruktur. Die wichtigsten Investitionsfelder seien Straßen und Schulen.

Wesentliche Ursache für die gute Lage im Freistaat war ebenfalls das starke Wachstum seit 2012, welches in den Boom-Regionen Bayerns umso stärker ausfiel. Auch Investitionen und Rücklagen verzeichneten deshalb neue Rekordwerte. Der Report stellt fest: Die Haushaltsstruktur der weiß-blauen Kommunen stellte sich ausgesprochen positiv dar. Und besonders wichtig: „Bayern ist das einzige Land, in dem die Investitionen die Sozialausgaben deutlich übertrafen.“

Schwankende Einnahmen

Zwar stiegen auch die Einnahmen 2018 abermals um gut vier Prozent, doch das deckt die gestiegenen Ausgaben gerade so ab. Wichtigste kommunale Einnahmearten sind im bundesweiten Durchschnitt die Steuern (31 Prozent), gefolgt von den aufgabenbezogenen Zuweisungen (24 Prozent) und allgemeinen Zuweisungen (15 Prozent). Die ostdeutschen Kommunen erreichen in Folge der noch immer geringeren Wirtschaftskraft lediglich 61 Prozent der westdeutschen Steuereinnahmen.

Von den zehn bundesweit steuerstärksten Kommunen lagen 2017 sechs in Bayern.

Bertelsmann-Report

„Haushaltskrisen sind unbekannt“, so der Report über Bayern. Seit 2011 konnten hier die Kreise und Gemeinden Haushaltsüberschüsse in Höhe von insgesamt fast zwölf Milliarden Euro erzielen, Platz eins im bundesweiten Vergleich. Die Steuereinnahmen der Gemeinden im Freistaat sind landesweit seit 2012 um 43 Prozent angestiegen. Bayern liegt damit im Wachstum noch einmal über dem Bundesdurchschnitt. Die Handlungsfreiheit der bayerischen Kommunen ist daher im bundesweiten Vergleich sehr groß. Von den zehn bundesweit steuerstärksten Kommunen lagen 2017 sechs in Bayern. Der Landkreis München als bundesweit stärkster Kreis erzielte pro Einwohner das siebenfache Steueraufkommen des schwächsten Kreises Mansfeld-Südharz (Sachsen-Anhalt).

Allerdings gibt es natürlich auch in Bayern einige schwächere Regionen. So erreichte der Kreis Freyung-Grafenau nur ein Viertel des Münchener Wertes. Die allgemein gute Finanzlage erlaubte es aber dem Freistaat, diese Kommunen etwa über den Kommunalen Finanzausgleich oder Behördenverlagerungen in hohem Maße zu fördern. Der Report warnt jedoch: Die sich abzeichnende Abkühlung der Konjunktur werde Bayern infolge seiner Abhängigkeit von exportierender Industrie härter treffen. Deshalb müssten sich auch die bayerischen Städte zukünftig auf stärker schwankende Steuereinnahmen einstellen. „Grundsätzlich sind Bayerns Kommunen aber für die Zukunft gerüstet. Das Fundament ist stark“, betont Geißler.

Regionale Unterschiede

Steuern stehen im engen Zusammenhang zur lokalen Wirtschaftsstruktur. In Folge dessen treten auch hier große regionale Unterschiede auf. Insbesondere der Freistaat Bayern steht auf deutlich stärkeren Füßen als die anderen Bundesländer. „Die Stadt München erzielte 2018 allein drei Mal höhere Gewerbesteuern als alle Thüringer Gemeinden zusammen“, so Geißler. Infolge ihrer hohen Wirtschaftskraft berechnen die bayerischen Gemeinden zudem nur geringe Steuersätze. Bei der Gewerbesteuer liegt Bayern im Durchschnitt rund 80 Punkte unter Nordrhein-Westfalen.

Erstmals untersuchte der Kommunale Finanzreport auch die Bar- und Sichteinlagen der Kommunen – also das Vermögen – und erlaubte damit einen noch besseren Blick auf die Finanzlage. Im Zuge hoher Überschüsse stiegen diese Einlagen in Bayern zwischen 2012 und 2017 von rund neun auf rund 15 Milliarden Euro. Damit besitzen die bayerischen Kommunen im bundesweiten Vergleich seit Jahren die höchsten Rücklagen. Je Einwohner erreichen sie den neunfachen Wert des Saarlandes.

„Der Blick auf die Rücklagen deckt die tatsächlichen Differenzen zwischen starken und schwachen Regionen überhaupt erst auf. Sie sind noch größer als angenommen“, betont Geißler. Damit verfügten die Kommunen auch über einen starken Puffer für etwaige Einnahmerückgänge.

Starke und schwache Städte

Generell gelte: Die wirtschaftliche Lage der Kommunen und damit die Lebenschancen vieler Menschen bewegten sich seit vielen Jahren auseinander. Um diese Unterschiede greifbar zu machen, vergleicht der Kommunale Finanzreport wichtige Haushaltszahlen der jeweils zehn stärksten und schwächsten Städte (gemessen an der Hartz-IV-Quote der Bevölkerung). Von den zehn stärksten Städten liegen acht in Bayern.

Die Ergebnisse ergeben ein eindeutiges Bild: Die starken Städte weisen weit höhere Steuereinnahmen, geringere Sozialausgaben, langjährige Überschüsse und hohe Rücklagen auf. Eine wirtschaftliche Aufholjagd werde finanzschwachen Städten so unmöglich, meint Burkhard Jung, Präsident des Deutschen Städtetages und Leipziger Oberbürgermeister – jedenfalls ohne Hilfe von Bund und Ländern. Es brauche „eine nachhaltige Lösung des Altschuldenproblems“, die auch an den Ursachen ansetze – etwa eine höhere Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft für Langzeitarbeitslose, höhere Mittel zur regionalen Wirtschaftsförderung oder Hilfen des Bundes bei Zins- und Tilgungslasten. Was der SPD-Politiker Jung nicht sagte: Ursache ist aber eben leider auch eine verfehlte Landes- oder Kommunalpolitik.

Der Kommunale Finanzreport

der Bertelsmann Stiftung erscheint alle zwei Jahre. Er basiert auf den jeweils aktuellsten amtlichen Finanzstatistiken und untersucht die Finanzentwicklung aller 397 kreisfreien Städte und Landkreise (einschließlich ihrer kreisangehörigen Gemeinden und Gemeindeverbände).