Immer standhaft und unbeugsam in den Grundsätzen: Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). (Foto: Imago/IPON)
70 Jahre

Ein unbeugsamer Einzelkämpfer

Am 4. Juli wird Horst Seehofer 70 Jahre alt. In vielen Ämtern diente er Deutschland und dem Freistaat Bayern. Dabei lagen ihm das christlich-soziale Element der CSU, die Innere Sicherheit und die Zukunft Bayerns immer besonders am Herzen.

Ein Unbeugsamer, ein Unbequemer, ein Unikat der deutschen Politik wird 70: Horst Seehofer. Bundestagsabgeordneter, Bundesgesundheitsminister, Bundesagrarminister, Ministerpräsident, CSU-Vorsitzender, Landtagsabgeordneter, jetzt Bundesinnenminister und Ehrenvorsitzender der CSU.

Ganz zurückgezogen will er seinen Geburtstag begehen, verriet er der Bild am Sonntag: „Keine Feier, keinen Empfang, gar nichts“. Sondern er werde „an einen unbekannten Ort verschwinden und den Tag mit meiner Frau und unseren Kindern verbringen“, so Seehofer. Er wünsche sich, „dass mir der Herrgott noch für einige Jährchen die Gesundheit schenkt. Ansonsten bin ich wunschlos glücklich.“

Nicht durch Reden, sondern durch Handeln überzeugen.

Horst Seehofer

Der Widerwille gegen große Festakte zu seinen Ehren, das Eigenwillige – manche sagen auch: das Eigenbrötlerische – ist in gewisser Weise typisch für ihn. Nie galt Seehofer als Teil einer politischen Seilschaft oder eines bestimmten Zirkels (mit Ausnahme der CSA), sondern immer als Einzelkämpfer, der sich aus einfachen Verhältnissen von ganz unten nach ganz oben durchgebissen hat. Für ihn ist die CSU eine Herzensangelegenheit, sagte er sehr oft, und wohl ebenso oft nannte er sich „Überzeugungstäter“, vor allem wenn es um die Zukunft Bayerns, den sozialen Ausgleich und die Innere Sicherheit ging.

Migration und Asyl neu geordnet

„Nicht durch Reden, sondern durch Handeln überzeugen“, so lautet ein wichtiger politischer Leitsatz Horst Seehofers. Zuletzt setzte er in Berlin das Paket aus sieben Gesetzen zur Migration durch. Einerseits konsequente und rasche Abschiebungen, schnellere Abschiebehaft, aber auch erstmals ein klares Regelwerk für legale Arbeitsmigration von Fachkräften nach Deutschland.

Nur mit einer Begrenzung von Zuwanderung kann auch eine erfolgreiche Integration gelingen.

Horst Seehofer

Seehofer nannte das Gesetz eine „Zäsur in der Migrationspolitik“: „Die Herausforderungen der weltweiten Migration erfordern ein System der Ordnung“, sagte er. „Nur mit einer Begrenzung von Zuwanderung kann auch eine erfolgreiche Integration gelingen.“

Erster Einsatz: Feuerwehrmann im BAMF

Ordnung, Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung, damit Integration gelingen kann: Spätestens seit Spätsommer 2015 verfolgt Seehofer dieses Thema – insofern war es folgerichtig, dass er nach einer langwierigen Regierungsbildung im März 2018 das Bundesministerium für Inneres, Bau und Heimat selbst übernahm. Er sitzt nun selbst an den Schalthebeln, um Ordnung in das Thema Zuwanderung zu bringen. Gleich zu Beginn seiner Tätigkeit musste er wie ein Feuerwehrmann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nach dem Skandal um unberechtigte Asylanerkennungen in Bremen neu ordnen.

Mit dem ehemaligen bayerischen Spitzenbeamten Hans-Eckhard Sommer fand er die ideale Besetzung des Präsidentenpostens – seither funktioniert das BAMF reibungslos, der Rückstau von hunderttausenden Anträgen wurde abgearbeitet. Ankerzentren sind eingerichtet. Die Asylbewerberzahlen liegen deutlich unter dem von der CSU durchgesetzten Obergrenzen-Bereich von 180.000 bis 220.000 pro Jahr. Der Bereich Asyl und Migration darf mithin – dank Seehofer – als geordnet gelten.

Verhältnis von CDU und CSU ist befriedet

Gleichzeitig hat er zuletzt viel zur Befriedung des Verhältnisses zwischen CDU und CSU beigetragen. Drohte er noch im Juli 2018 im Streit um sein Migrationspaket mit Kanzlerin Merkel mit Rücktritt, so hat sich seither vieles geändert im Binnenverhältnis der Unionsschwestern. „Am schlimmsten ist in der Politik die Kontinuität im Irrtum“, das ist eines seiner Lieblingszitate. Ob Seehofer sein lange angespanntes Verhältnis zur CDU nachträglich als Irrtum sieht, ist nicht bekannt. Die Union arbeitet in Berlin jetzt jedenfalls reibungslos zusammen, und auch das Verhältnis zum krisengeschüttelten Koalitionspartner SPD ist produktiv und sachorientiert.

In den fast zehn Jahren als Ministerpräsident war spürbar, wie sehr ihm der Freistaat am Herzen liegt.

Markus Söder

Erstmals ist mit Seehofer auch ein Bundesheimatminister im Amt. Die Heimatstrategie der CSU, die 2013 zur Gründung des bundesweit ersten Landesheimatministeriums in Nürnberg geführt hat, hat sich Seehofer ausgedacht. Dabei geht es um die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Stadt und Land. Auf Bundesebene gestaltet sich das ungleich schwieriger als innerhalb des prosperierenden Freistaats. Beispiel: Die Arbeitslosigkeit ist sogar in den strukturschwächsten Gegenden Bayerns niedriger als in Berlin und im Ruhrgebiet.

Hervorragende Bilanz als Ministerpräsident

Die Verhältnisse zwischen Ost- und Westdeutschland, zwischen Nordsee und Alpenrand, zwischen Ruhrgebiet und Bayerischem Wald sind dermaßen unterschiedlich, dass das Bundesheimatministerium sinnvollerweise erst einmal die Ausgangslage überprüft und kartographiert, ehe es zu konkreten Maßnahmen schreitet. Noch vor der Sommerpause soll allerdings ein Bericht kommen, erste Gesetze sollen noch in dieser Legislaturperiode folgen.

In Sachen Innere Sicherheit müht sich Seehofer bereits jetzt um gleichwertige Lebensverhältnisse: Er kündigte an, in den Kriminalitätsschwerpunkten Sachsens – entlang der polnischen und tschechischen Grenze – die Bundespolizei um 500 Mann zu verstärken.

Er wirkt wie ein alter weiser König, sein graues Haupt überragt alle.

„Der Spiegel“ über Seehofer

Seehofers Amtsnachfolger als Ministerpräsident und CSU-Chef, Markus Söder, formuliert seine Würdigung zum 70. Geburtstag so: „Horst Seehofer hat Bayern entscheidend vorangebracht und kann auf ein eindrucksvolles Lebenswerk zurückblicken. In den fast zehn Jahren als Ministerpräsident war spürbar, wie sehr ihm der Freistaat am Herzen liegt“.

In der Tat: Asylwende und Obergrenze durchgesetzt, Heimatstrategie entworfen und bundesweit etabliert, Versöhnung Bayerns mit der Tschechischen Republik, die CSU erfolgreich vom Linkskurs der CDU abgekoppelt und damit die AfD in Schach gehalten, Bayern beim Länderfinanzausgleich entlastet, die Schuldenfreiheit Bayerns bis 2030 als Ziel, das neunjährige Gymnasium wiedereingeführt, die Spitzenstellung Bayerns bei Wirtschaftsdynamik, Investitionen, Innovationen, Arbeitsplätzen, Bildung und Innerer Sicherheit ausgebaut. Die Erfolgsbilanz Horst Seehofers als Bayerischer Ministerpräsident liest sich nicht nur gut, sondern hervorragend.

40 Jahre aktive Politik machen gelassen

Auf den ersten Blick beeindrucken vor allem Seehofers Körpergröße und seine Gelassenheit, schrieb einst der „Spiegel“ in einem Porträt: „Seine Bewegungen sind gravitätisch und kontrolliert, die Beamten wirbeln, aber Seehofer bleibt ruhig. Er wirkt wie ein alter weiser König, sein graues Haupt überragt alle.“ Auch wenn es heiß wird, bleibt Seehofer cool. Kein Wunder: Er kann auf 50 Jahre – 1969 trat er in die Junge Union ein – aktiver Politik zurückblicken, war schon unter Helmut Kohl Gesundheitsminister und boxte 1993, 1996 und 1997 gegen massive Lobby-Widerstände drei große Kostensenkungs-Reformen durch: Seehofer weiß insbesondere, wie im Bund Debatten verlaufen, wie Meinungen und Mehrheiten sich bilden, wie Gesetze entstehen.

Was ist der Unterschied zwischen einem Knochen und dem Parteivize? Der Knochen ist für den Hund und der Parteivize für die Katz.

Horst Seehofer, damals selbst Parteivize

Seine Gelassenheit, führte Seehofer öfters an, komme auch von der schweren Krankheit im Januar 2002, einer Herzmuskelentzündung, als er dem Tod gerade noch so von der Schippe gesprungen war. Fünf Wochen Krankenhaus, drei davon auf der Intensivstation, danach lange Reha. Neun Prozent Herzleistung habe er damals noch gehabt, erzählt Seehofer gelegentlich auch vor Journalisten. Das mache demütig und rücke einige Dinge im Leben klar – unter anderem schärfe es den Blick dafür, was erstrangig und was zweitrangig sei.

Furchtlosigkeit und Unbedingtheit

Seitdem, so sagen politische Beobachter, ging Seehofer furchtloser in politische Auseinandersetzungen – eben wie jemand, der den Tod vor Augen hatte, aber dann quasi eine unerwartete Nachspielzeit geschenkt bekam. Sein Rücktritt 2004 vom Amt des Unions-Vizefraktionschefs aus Protest gegen die CDU-Pläne, eine sozial unausgewogene Kopfpauschale in der Krankenversicherung einzuführen, wird so erklärt. Er wollte sich einfach nicht beugen und einem Projekt zustimmen, das er aus tiefster Überzeugung für falsch hielt.

Horst Seehofer strebte zum Ende der Ära Stoiber den CSU-Vorsitz an, unterlag aber auf dem Parteitag im September 2007 seinem Konkurrenten Erwin Huber mit 39 zu 58 Prozent. Er reagierte auf diese persönliche Niederlage aber nicht mit Rückzug, sondern entschloss sich, weiter seine Chance zu suchen und ließ sich als stellvertretender Parteivorsitzender wiederwählen. Und das, obwohl er – wiederum typisch Seehofer – öfters seine Witze über das Vize-Amt riss, das er 18 Jahre lang bekleidete: „Was ist der Unterschied zwischen einem Knochen und dem Parteivize? Der Knochen ist für den Hund und der Parteivize ist für die Katz.“

Authentisch und geradeheraus

Das Augenzwinkernde, die Ironie, die sich bis zum Spott steigern konnte – für die Zielpersonen durchaus manchmal verletzend – ist gewissermaßen ein unveränderliches Erkennungsmerkmal des CSU-Ehrenvorsitzenden. Gespräche oder Pressekonferenzen mit ihm sind auch deshalb nie langweilig, weil er oft Dinge spontan und aus dem Bauch heraus kommentiert. „Das können Sie alles senden“, ist mittlerweile fast ein geflügeltes Wort unter Journalisten.

Nach der Wahlniederlage der CSU bei der Landtagswahl 2008 – dem Sturz auf 43,4 Prozent und der notwendigen Koalition mit der FDP – setzte die CSU tatsächlich auf Seehofer, als Retter in der Not. Mit über 90 Prozent wählte ihn der CSU-Sonderparteitag Ende Oktober 2008 zum Vorsitzenden. „Die letzte Patrone im Lauf der CSU“, nannte ihn der Passauer Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter damals. Und diese Patrone traf zielgenau: Mit Seehofer ging es wieder aufwärts mit der CSU, er holte sie, wie ein Kommentator schrieb, aus dem „Tal der Tränen“ – zumal er gleichzeitig das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten übernahm, das er ursprünglich gar nicht angestrebt hatte.

Amtsantritt in der Krise

Seehofers Amtszeit als CSU-Chef und Ministerpräsident begann 2008 turbulent, mit den regionalen Folgen der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise: Tausende Arbeitsplätze in hunderten vor allem exportabhängigen Firmen standen auf der Kippe. Dazu kam noch die Schieflage der Bayerischen Landesbank. Ein Krisentreffen jagte in dieser Zeit das andere – so dass Seehofer mehr als einmal seufzte, er wisse gar nicht, wie Franz Josef Strauß eigentlich zu dem Ausspruch gekommen sei, dass das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten das schönste der Welt sei.

Zwischen der krisenhaften Lage 2008 und dem legendären Seehofer-Ausspruch „Bayern ist das Paradies, oder zumindest die Vorstufe zum Paradies“ lag viel Arbeit. Vor allem zunächst die Erkenntnis, dass die Instabilität vieler öffentlicher Haushalte in der EU von deren Überschuldung herrührt – was auch die nachfolgenden Generationen belastet. Seehofer gab das Ziel aus, die Haushaltsüberschüsse müssten in Bayern dazu genutzt werden, Altschulden zurückzuzahlen und den Freistaat bis 2030 komplett schuldenfrei zu machen. Seitdem läuft die Bayern-Schuldenuhr des Bundes der Steuerzahler rückwärts.

Versöhnung mit Tschechien

Bei der Versöhnung mit der Tschechischen Republik durchschlug Seehofer den Gordischen Knoten und besuchte 2010 als erster bayerischer Ministerpräsident offiziell Prag – und das gemeinsam mit dem Präsidenten der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Bernd Posselt, der den Kontakt überhaupt erst eingefädelt hatte. Noch Ende der 1990er Jahre schien ein solcher Durchbruch in den bayerisch-sudetendeutsch-tschechischen Beziehungen undenkbar. 2014 eröffnete der Freistaat Bayern sogar eine offizielle Repräsentanz in der Prager Altstadt.

Mein Verbündeter ist das Volk.

Horst Seehofer

Im Bund trug Seehofer sowohl die Aussetzung der Wehrpflicht durch Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg als auch die Euro-Rettungspolitik der Kanzlerin mit, und auch den von Merkel initiierten Ausstieg aus der Kernenergie. Nicht mit Begeisterung, aber aus dem Verständnis für politische Notwendigkeiten.

Koalition mit den Bürgern

„Mein Verbündeter ist das Volk“, sagte er schon häufig, als er noch einfacher Abgeordneter in Berlin war, schrieb der „Spiegel“. Und Seehofer verwendete den Satz immer wieder, vor allem nach seinen beiden größten Triumphen: der Wiedereroberung der absoluten Mehrheit in Bayern im September 2013 mit 47,7 Prozent und dem hervorragenden Ergebnis von 49,3 Prozent bei der Bundestagswahl eine Woche darauf.

In Bayern von der parlamentarischen Koalition mit der FDP befreit, erklärte Seehofer die neuerliche CSU-Alleinherrschaft zu einer Art Meta-Koalition: Die „Koalition mit dem Volk“, das sollte fortan sein Herzensbündnis und seine Machtbasis sein.

Massive Investitionen in Bayerns Zukunft

Weil die CSU die guten Steuererträge am liebsten für die Zukunft Bayerns investiert, führte die Staatsregierung frühzeitig ein umfassendes Förderprogramm für Digitalisierung und Breitbandausbau im ganzen Land ein: Eine volle „Digitalisierungs-Milliarde“ pro Jahr fließt in diesen Bereich. Vergleich: NRW setzte unter Rot-Grün für das schnelle Internet nur 700.000 Euro ein, das sind nur 0,07 Prozent der bayerischen Investitionen in diesem Bereich. Deutlicher als an solchen Beispielen kann man kaum zeigen, wie gute Politik Zukunftschancen kreiert, schlechte Politik Zukunftschancen zerstört.

Wendepunkt war 2015, das Flüchtlings-Jahr. Schon ab dem Winter 2014/15 war es zu einem großen Ansturm von zehntausenden Asylbewerbern aus dem Kosovo und Albanien nach Bayern gekommen. Schlepper hatten Gerüchte verbreitet, Deutschland suche dringend Zuwanderer. Ein Besuch von Europaministerin Beate Merk in der Kosovo-Hauptstadt Pristina stoppte diesen ungebetenen Zuzug vom Balkan. Aber eines lernten die Schlepper aus der Sache: Die Südostgrenze der EU ist relativ leicht zu überwinden.

Die Krise begann mit der Grenzöffnung 2015

Als dann der türkische Diktator Erdogan im Frühsommer seine Grenzen für ausreisende Syrien-Flüchtlinge und andere Araber öffnete, um die EU und Deutschland unter Druck zu setzen, wurden hunderttausende Migranten über den Balkan nach Bayern geschleust.

Sie alle kamen zunächst einmal nach Bayern, geographisches Erstankunftsland. Verwaltung, Kommunen, Kirchengemeinden, private Helfer und humanitäre Vereine leisteten eine Großtat in Sachen Nächstenliebe, indem sie alle diese Immigranten registrierten, nährten, kleideten und menschenwürdig unterbrachten. Jedes andere Bundesland hätte das nicht geschafft, da waren sich später fast alle einig.

Streit um die Migrationspolitik

Besonders problematisch war damals Sicht Seehofers und der CSU das „Verharren im Irrtum“ von Seiten der Bundespolitik, speziell der Kanzlerin und ihres Innenministers de Maizière: Statt die Grenzen nach einigen Tagen wieder zu schließen und effektive Grenzkontrollen einzuführen, hielt der Zustand des ungeregelten Zustroms von bis zu 10.000 Menschen pro Tag nach Bayern mehrere Monate lang an – bis Ungarn die Balkanroute schloss und die EU danach mit Erdogan vereinbarte, dass er im Gegenzug für die Zahlung von sechs Milliarden Euro die Flüchtlinge fortan wieder im Lande behielt.

Zwar setzten Seehofer und die CSU in Berlin wichtige Kurskorrekturen durch, darunter die Einführung von Grenzkontrollen zu Österreich, zwei Asylrechtsverschärfungen, der Ausweisung des gesamten Westbalkans und weiterer Staaten als sichere Herkunftsländer sowie die schnellere Abschiebung von Straftätern unter den Asylbewerbern. Doch die Kanzlerin weigerte sich, diese Kurskorrekturen auch öffentlich zu kommunizieren.

Dies trieb gleich mehrere Keile in die Anhängerschaft der CSU: Ein Teil der Christsozialen und Kirchennahen forderte eine freundlichere Position zur Zuwanderung. Die meisten CSU-Anhänger waren inhaltlich auf Seiten Seehofers, sahen aber auch, dass Bayern allein die Grenzen nicht schließen konnte. Und alle Unionsanhänger zusammen wollen vor allem eines nicht: Streit im eigenen Lager. So lässt sich ein Teil der Wählerverluste der CSU bei der Bundestagswahl 2017 erklären: Die CSU sackte auf 38,8 Prozent ab, während die AfD in Bayern auf 12,4 Prozent anstieg.

Bundesweit vorbildliches Integrationspaket

Derweil allerdings hatten Seehofer und seine Staatsregierung im Dezember 2016 ein humanitäres Leitkultur- und Integrationsgesetz geschnürt, das bis heute seinesgleichen sucht. Kein Land leistet so viel für Unterbringung und Integration wie Bayern: Allein von 2015 bis 2018 wurden dafür neun Milliarden Euro ausgegeben – das ist mehr als die Etats für Gesundheit, Umwelt und Wirtschaft zusammen. Im Gegenzug schrieb die CSU die deutsche und bayerische Leitkultur als Ziel der Integration fest. Und: In keinem Land funktioniert Integration so gut, wie in Bayern. Auch das ein Erfolg Seehofers.

Im Sommer 2018, nachdem nach langer Hängepartie im Bund eine neue CDU/CSU-SPD-Koalition gefunden war, legte Seehofer als neuer „Minister des Innern, für Bau und Heimat“ seinen „Masterplan Asyl“ vor. Er hatte im Koalitionsvertrag einen Zuwanderungs-Korridor von 180.000 bis 220.000 pro Jahr durchgesetzt. Neben der Einrichtung der Anker-Zentren sah dieser Masterplan insgesamt 63 Maßnahmen vor, deren 62 die volle Zustimmung der Kanzlerin Merkel fanden. Doch der 63. Punkt, die durchaus legale Zurückweisung von Asylbewerbern an der Grenze, die bereits in einem anderen EU-Land registriert worden waren, diente Merkel als Zankapfel.

Stilfragen wichtiger als Inhalte

Aber nur Seehofer wurde in dieser Zeit von Medien und Opposition als „störrischer, kranker alter Mann“ verunglimpft. Die Folge war der groteske Effekt, dass zwei Drittel bis drei Viertel der Befragten in Umfragen „inhaltlich“ der CSU zustimmten, aber die CSU und Seehofer trotzdem als Bösewicht da standen. Nicht Inhalte und Ergebnisse der Politik zählten, sondern Stilfragen.

Das alles ist Vergangenheit. Was bleibt, ist: Horst Seehofer recht herzlich zu seinem 70 Geburtstag zu gratulieren und ihm zu wünschen, dass neben der Gesundheit auch das in Erfüllung geht, was er sich schon zu seinem 65. Geburtstag vorgenommen hatte: „Endlich einmal ausschlafen.“