Die Regensburger Altstadt mit der Steinernen Brücke. (Foto: picture alliance/dpa)
Sudetendeutsche

Brückenbauer zwischen Deutschen und Tschechen

Der 70. Sudetendeutsche Tag – erstmals in Regensburg – steht unter dem Motto „Ja zur Heimat im Herzen Europas“. Die Sudetendeutschen stemmen sich gegen den Ungeist der Vertreibung und den Nationalismus in Europa, betont Volksgruppensprecher Posselt.

Unter dem Motto „Ja zur Heimat im Herzen Europas“ steht der 70. Sudetendeutsche Tag, der heuer erstmals in Regensburg stattfinden wird. Zu der dreitägigen Veranstaltung werden bis zu 10.000 Besucher erwartet, darunter Ministerpräsident Markus Söder, Innenminister Horst Seehofer (beide CSU) und zahlreiche prominente Gäste und Diplomaten aus der Tschechischen Republik.

Die geschichtsträchtige Weltkulturerbestadt, eine Metropole mit europäischer Strahlkraft, verbindet seit Jahrhunderten unser Schirmland Bayern mit unserer Heimat in den Böhmischen Ländern.

Bernd Posselt (CSU), Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe

Regensburg ist seit Jahrzehnten die Patenstadt der Sudetendeutschen. So nah an der tschechischen Grenze – rund 70 Kilometer entfernt – haben die Sudetendeutschen ihr Pfingsttreffen noch nie begangen. Die Annäherung, sie ist aber nicht nur eine geographische Angelegenheit. Seit Jahren nähern sich Sudetendeutsche und Tschechen an, etliche Besucher des Sudetendeutschen Tages kommen auch aus dem Nachbarland.

Vorbild Steinerne Brücke

„Die geschichtsträchtige Weltkulturerbestadt, eine Metropole mit europäischer Strahlkraft, verbindet seit Jahrhunderten unser Schirmland Bayern mit unserer Heimat in den Böhmischen Ländern. Diese historischen, kulturellen und politischen Bindungen bilden gerade für uns Sudetendeutsche eine lebendige Brücke der Verständigung im Herzen Europas“, erklärt Bernd Posselt, Präsident der Sudetendeutschen Landsmannschaft und Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe, in seinem Grußwort in der Sudetendeutschen Zeitung.

Wir stemmen uns energisch der Gefahr entgegen, daß Europa dreißig Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wieder in Ost und West auseinanderdriftet.

Bernd Posselt

Posselt, langjähriger CSU-Europaparlamentarier und seit der jüngsten Europawahl erster Nachrücker ins Straßburger Parlament, erinnert daran, dass die Karlsbrücke in Prag nach dem Vorbild der damals einzigartigen Steinernen Brücke in Regensburg gebaut wurde. „Unser 70. Sudetendeutscher Tag soll dem Ziel dienen, die menschlichen Brücken noch fester und unzerstörbarer zu machen als die aus Stein.“

Von Regensburg aus missioniert

Viele weitere Berührungspunkte zwischen Regensburg und Böhmen gibt es, wie Posselt aufzählt: „Von der Taufe der böhmischen Fürsten im frühen Mittelalter bis zur Übernahme der Patenschaft über unsere vertriebene Volksgruppe nach dem Zweiten Weltkrieg, von der Errichtung des Bistums Prag durch den heiligen Bischof Wolfgang bis hin zur Schaffung eines modernen Kompetenzzentrums für Mittel- und Osteuropa an der Universität reicht die Rolle Regensburgs für unsere gemeinsame Geschichte.“

Ja zur Heimat im Herzen Europas.

Motto des Sudetendeutschen Tages

Wichtig sei auch die kulturelle Nähe zwischen Sudetendeutschen und Oberpfälzern, so Posselt. „Wichtiger ist aber das politische Signal. Mit unserem Donau- Moldau-Fest machen wir deutlich, daß wir uns energisch der Gefahr entgegenstemmen, daß Europa dreißig Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wieder in Ost und West auseinanderdriftet. Die alte Reichsstadt steht für die EU-Donauraumstrategie und für einen Mitteleuropa-Gedanken, der die Gemeinschaft freier Europäer auf dem ganzen Kontinent zusammenhalten will. Deshalb beginnen wir unseren Veranstaltungsreigen im historischen Sitzungssaal des Immerwährenden Reichstages, also des Vorläufers des Europaparlamentes, im übernational ausgerichteten Heiligen Römischen Reich, zu dem als besonders wichtiger Bestandteil die Böhmischen Länder gehörten.“

Charlotte Knobloch erhält Karlspreis der Sudetendeutschen

Den Europäischen Karlspreis der Sudetendeutschen – benannt nach dem Böhmischen König und Römischen Kaiser Karl IV. – erhält heuer Charlotte Knobloch, die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland und langjährige Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. Posselt würdigt Knobloch als „eine große bayerische Jüdin mit europaweiter Ausstrahlung, die sich noch im hohen Alter mutig an die Spitze des Kampfes gegen rechts- wie linksextreme Nationalisten gestellt hat, der in unserer Zeit leider wieder große Aktualität besitzt“.

Gemeinsam stemmen wir uns dagegen, dass der Ungeist der Vertreibung und des Gegeneinanders sich fortsetzt oder gar zurückkehrt.

Bernd Posselt

Im Mittelpunkt des Sudetendeutschen Tages steht für Posselt aber wieder die „Brückenfunktion zwischen Bayern und Böhmen, zwischen Deutschen und Tschechen, ja zwischen allen Völkern der alten Donaumonarchie, die vor hundert Jahren zerschlagen wurde“. In der Tradition des Heiligen Johann von Nepomuk, der Bayern, Böhmen und Österreich kulturell und religiös miteinander verbinde, drückten die Sudetendeutschen ihr „Ja zur Heimat im Herzen Europas“, betont der Volksgruppensprecher.

„Gemeinsam mit allen Tschechen, die guten Willens sind, stemmen wir uns dagegen, daß der Ungeist der Vertreibung und des Gegeneinanders sich fortsetzt oder gar zurückkehrt. Unsere grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist noch längst nicht unumkehrbar und wird von Nationalisten auf beiden Seiten nach wie vor angefochten. Sie ist aber längst zu einem Vorbild dafür geworden, wie man tiefe Verletzungen und schmerzhafte Konflikte durch Dialog überwinden kann. Dieser Weg ist keinesfalls zu Ende und wird noch erhebliche Anstrengungen erfordern“, so Posselt.

Neuauflage des Brünner Lebensmarsches

Eine Woche vor Pfingsten fand in der Mährischen Hauptstadt Brünn zum vierten Mal der offizielle Versöhnungsmarsch oder „Marsch der Lebenden“ statt, der seit 2015 bewusst dem Brünner Todesmarsch von 1945 entgegengesetzt wird. Mehrere hundert Tschechen und Sudetendeutschen nahmen daran teil – erstmals offiziell auch die Landesgruppe Bayern der Sudetendeutschen Landsmannschaft. Der Marsch in umgekehrter Richtung vom Massengrab in Pohrlitz/Pohořelice nach Brünn wird organisiert vom Brünner Stadtrat und von tschechischen Persönlichkeiten und Organisationen, die an einer Aufarbeitung der Geschichte interessiert sind. Vorbereitet und angekündigt wurde der „Lebensmarsch“ beim Brünner Symposium der sudetendeutsch-katholischen Ackermann-Gemeinde 2015.

Am 31. Mai 1945 hatte der Brünner Todesmarsch begonnen: Die 20.000 damals noch verbliebenen deutschen Brünner – meist Frauen, Kinder und Alte, auch Kleinkinder und Säuglinge – wurden zunächst nachts brutal aus ihren Häusern gejagt und im Innenhof des Augustiner-Klosters in Alt-Brünn zusammengetrieben. Dieses Kloster wird wegen des früheren Abtes und Genetik-Pioniers Gregor Mendel auch „Mendel-Kloster“ genannt. Von dort wurden die 20.000 Brünner anderntags in Richtung niederösterreichische Grenze getrieben, die rund 60 Kilometer entfernt liegt. Viele waren den Strapazen nicht gewachsen. Unterschiedliche Schätzungen gehen von 2000 bis zu 5200 Toten aus. Allein beim Dorf Pohrlitz/Pohořelice, auf halbem Wege, wurden 890 Todesopfer verscharrt.