Düsseldorf, Köln, Duisburg, Bochum, Essen, Herten, Geislingen, Stuttgart – und nun auch Aschaffenburg: Meist türkische Hochzeitskorsos geraten offenbar im Überschwang immer häufiger außer Kontrolle. Große Hochzeitsgesellschaften in teuren Limousinen oder Sportwägen, oft mit türkischen Fahnen, blockieren Straßen und Autobahnen, fahren über rote Ampeln, liefern sich illegale Autorennen, ballern mit Schreckschusspistolen in die Luft und provozieren dabei Unfälle. Dabei brechen sie nicht nur Gesetze, sondern gefährden letztlich Menschenleben.
Erstmals macht ein Fall aus Bayern größere Schlagzeilen, genauer aus dem Landkreis Aschaffenburg: Eine Hochzeitsgesellschaft mit etwa 40 Autos war im Februar auf der A3 bei Aschaffenburg durch riskante Fahrmanöver und mehrere Schüsse aus einer Schreckschusspistole aufgefallen. Im Autobahntunnel Hösbach verlangsamten die Autos ihre Fahrt. Die Fahrer unternahmen riskante Bremsmanöver und fuhren nebeneinander. Nach aktuellem Ermittlungsstand wurde der Verkehr im Autobahntunnel sogar völlig blockiert.
Unbeteiligten Autofahrer in den Graben gedrängt
Bereits zuvor hatte ein unbeteiligter Autofahrer an einem Kreisverkehr in den Graben ausweichen müssen, um nicht mit einem entgegenkommenden Wagen aus dem Autokorso zusammenzustoßen. In Aschaffenburg angekommen, paradierte der Hochzeitskonvoi vor der City-Galerie. Dort wurde wieder in die Luft geschossen, außerdem wurden Passanten beleidigt. Die Mitglieder der Hochzeitsgesellschaft blockierten den Kreisverkehr Goldbacher Straße, das Brautfahrzeug drehte fünf bis sechs Runden im Kreisverkehr. Der Autokorso fuhr weiter über die Platanenallee auf allen Fahrspuren.
Die bayerische Polizei hatte die Lage stets im Griff. Sie hat ein Auge auf die Hochzeitskorsos und schreitet ein, wenn nötig.
Bayerisches Innenministerium
In der Würzburger Straße in Aschaffenburg stoppte allerdings die Polizei den Großteil der eskalierten Hochzeitskolonne inklusive des Brautpaares. In den Fahrzeugen der Hochzeitsgesellschaft stellten die Beamten unter anderem eine Schreckschusspistole samt Munition, nicht zugelassene Feuerwerkskörper sowie einen Schlagring sicher. Wie das Polizeipräsidium Würzburg dem BAYERNKURIER mitteilte, ist bei allen Beteiligten, soweit sie nicht ohnehin türkische Staatsangehörige sind, „von einem türkischen Migrationshintergrund auszugehen“. Dafür spreche auch, „dass an jedem Fahrzeug eine türkische Staatsflagge angebracht war“.
Gegen etwa 40 Beteiligte der Hochzeitsgesellschaft wird ermittelt – unter anderem wegen des Verdachts des schweren Landfriedenbruchs, Verstößen gegen das Waffengesetz, Gefährdung des Straßenverkehrs, gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und Nötigung. 14 Führerscheine wurden nach Gerichtsbeschluss sichergestellt. Zuvor waren neun Wohnungen im Landkreis Aschaffenburg und im benachbarten Hessen durchsucht worden, die Polizei stellte dabei eine Schreckschusspistole samt Munition, mehrere Smartphones und weitere Datenträger als Beweismittel sicher.
Weitere Fälle in Unterfranken und Schwaben
In Bayern sind solche Vorkommnisse bislang relativ selten. In Unterfranken kam es jüngst zu zwei weiteren heftigen Eskalationen bei Hochzeiten, und zwar unabhängig voneinander am 20. Oktober 2018, einmal in Aschaffenburg und einmal in Elsenfeld: Nach Meldungen von Zeugen, dass sich die Fahrer eines Autokorsos nicht an die Verkehrsregeln halten und mit einer Waffe mehrfach in die Luft geschossen worden sei, schritt de Polizei in Aschaffenburg ein. Auf dem Volksfestplatz trafen mehrere Streifen auf die „Festgesellschaft“. Bei einem 27-jährigen Mann fanden die Beamten tatsächlich eine Schreckschusswaffe und dazugehörige Munition. Der Besitzer konnte nicht die erforderliche Erlaubnis vorweisen, woraufhin die Waffe eingezogen und der Mann wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz angezeigt wurde. In Elsenfeld (Kreis Miltenberg) wurden bei einem jungen Mann bei einer Verkehrskontrolle ein verbotener Schlagring, ein Einhandmesser, ein Magazin und Munition für eine Schreckschusswaffe aufgefunden. Laut Zeugen soll aus dem Pkw des Beschuldigten zuvor auf der Bundesstraße 469 geschossen worden sein. Der Pkw gehörte laut Polizei zu einem Autokorso einer größeren Hochzeitsgesellschaft.
Wie das Polizeipräsidium Augsburg dem BAYERNKURIER mitteilt, ist im Juli 2018 eine türkische Hochzeit im Landkreis Günzburg aufgefallen: „Im Rahmen eines Hochzeitkorsos, der an sich eigentlich oft schon unzulässig ist, kam es aus Gründen des Brauchtums zu einem Verkehrsunfall. Ein Teilnehmer wollte das Brautauto zum Anhalten bewegen um einen traditionellen Wegzoll einzufordern. Ein Auto dahinter kam es zu einem Auffahrunfall und mehrere Mitfahrer wurden leicht verletzt“, erklärte ein Sprecher auf Anfrage. Zum Strafrahmen sagt er: „So nichtig und fröhlich der Anlass erscheinen mag, so kam es doch zu umfassenden Ermittlungen gegen zwei Unfallbeteiligte wegen der Straftaten eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und der Unfallflucht nebst der fahrlässigen Körperverletzung. Zudem stehen natürlich noch sämtliche Ordnungswidrigkeiten rund um das sinnlose Bremsen, das gefährliche Einscheren und das Hupen auf der Anzeige. Folge sind hierbei empfindliche Geldstrafen.“ Einen vergleichbaren Fall habe es vor einigen Jahren in Kempten gegeben, als Hochzeits-Teilnehmer direkt vor der Basilika in die Luft schossen und „Schleuderübungen“ mit dem Auto machten.
Herten: Radfahrer stürzt und verletzt sich
Das Phänomen der gefährlichen türkischen oder arabischen Hochzeitskorsos grassiert seit einiger Zeit – vorzugsweise in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, einige Fälle gab es auch in anderen Bundesländern. Meist schwenken die Teilnehmer türkische Fahnen oder die Autos sind mit türkischen Fahnen geschmückt. Im Einzelfall, vor allem offenbar in NRW, handelt es sich auch um Hochzeiten aus dem arabischen Raum, etwa Syrien oder dem Libanon.
Besonders heftig entwickelte sich ein Fall in Herten in NRW im April: Gäste einer Hochzeitsgesellschaft fuhren laut Polizeibericht mit zehn bis 15 Fahrzeugen eine Straße entlang, wobei die einzelnen Autofahrer sich unter ständigem Hupen immer wieder gegenseitig überholten. Ein 18-jähriger Radfahrer war dadurch gezwungen, eine Vollbremsung hinzulegen, wobei er stürzte und sich verletzte. Der Unfallverursacher hielt jedoch nicht an, sondern flüchtete von der Unfallstelle. Auch kein anderes Fahrzeug hielt an. Wenig später wurde aus der Auto-Kolonne außerdem noch ein Schuss abgegeben. Die Polizei fahndete daraufhin „mit massiven Kräften“ nach der Gruppe, bis sie die Autofahrer schließlich stellten. Das führende Kolonnenfahrzeug, sowie der Unfallverursacher konnten ermittelt werden. Es wurde Anzeige erstattet.
Autobahnblockaden in NRW und bei Stuttgart
Ebenfalls im April hatte in Geislingen in Baden-Württemberg ein Teilnehmer eines eskalierten Hochzeitskorsos mit plötzlichem Bremsen einen Auffahrunfall mit zwei Leichtverletzten verursacht. Nach Auskunft der Polizei war der Korso mit etwa 30 Fahrzeugen unterwegs, als einer der Teilnehmer der türkischen Hochzeitsgesellschaft abbremste. Drei hinter dem Mann fahrende Teilnehmer schafften es noch auszuweichen und anzuhalten. Einem vierten Fahrer gelang dies nicht mehr: Der 21-Jährige fuhr mit seinem Fahrzeug auf das Auto einer 27-Jährigen auf. Ihr Fahrzeug wurde auf das Auto eines 63-jährigen Mannes geschoben.
Das Blockieren der Autobahn ist ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr und kann unter Umständen auch zu einer Haftstrafe führen.
Polizei Ludwigsburg
Ende März hatte es die Polizei Ludwigsburg mit einem Fall zu tun, der ebenfalls Menschenleben gefährdete: Mitglieder einer Hochzeitsgesellschaft blockierten mit mindestens vier teuren Autos auf der Autobahn A81 bei Stuttgart den Verkehr und filmten den entstehenden Stau. Der Verkehr kam komplett zum Erliegen. Hochzeitsgäste lehnten sich demnach zum Filmen des Staus aus den Autofenstern. Auf der Rastanlage Sindelfinger Wald stoppte die Polizei die Beteiligten und kontrollierte sie. Ein Polizeisprecher sagte dazu: „Das Blockieren der Autobahn ist ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr und kann unter Umständen auch zu einer Haftstrafe führen.“
Drei Autobahnblockaden binnen weniger Stunden
In NRW kam es Ende April binnen weniger Stunden gleich zu drei Autobahnblockaden durch Hochzeitskorsos: einmal auf der A4 in der Nähe des Kerpener Kreuzes, einmal auf der A2 bei Kamen und einmal auf der A52 bei Marl. Auf der A4 zwischen Düren und Köln bremste ein von einer weißen Limousine angeführte Autokorso einer türkischen Hochzeitsgesellschaft den Verkehr ab. „Die Fahrer fuhren mit eingeschaltetem Warnblinklicht sehr langsam nebeneinander her und verursachten einen Stau“, heißt es im Bericht der Autobahnpolizei Köln. Autobahnpolizisten stoppten die Kolonne und lotsten die Fahrzeuge mit Hilfe weiterer Streifenteams bei Elsdorf von der Autobahn. Dort setzten die Beamten eine Kontrolle von Fahrern und Fahrzeugen an. Gegen zwölf Männer im Alter zwischen 22 und 54 Jahren wurden Strafverfahren eingeleitet wegen Gefährdung des Straßenverkehrs, Nötigung und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr.
Wenige Stunden zuvor hatten Zeugen auf der A2 beim Kamener Kreuz laut Polizei „knapp ein Dutzend hochwertige Fahrzeuge“ gemeldet, die alle drei Spuren Richtung Hannover blockierten. „Die Fahrer überholten zum Teil rechts unbeteiligte Fahrzeuge und bremsten diese aus. Diese geistig umnachtete Aktion dauerte laut Zeugenaussagen mehrere Minuten, bevor der Konvoi dann an der Anschlussstelle Hamm die Autobahn verließ“, so die Polizei. Beamte hätten die Fahrzeuge danach bei Hamm stoppen können. Zeugen meldeten auf der A52 bei Marl noch eine weitere Blockade, für die zehn bis zwölf Fahrzeuge den Verkehr ausbremsten.
Köln-Ehrenfeld: Schüsse vor der Polizeiwache
Anfang Mai fuhr ein türkischer Hochzeitskorso vor der Polizeiwache im Kölner Stadtteil Ehrenfeld vorbei. Laut Zeugenberichten feuerte mindestens einer der Teilnehmer Schüsse in die Luft ab. Dann ließen die Autofahrer die Motoren ihrer Fahrzeuge aufheulen und fuhren hupend sowie mit quietschenden Reifen an der Polizeiwache vorbei. Als die Polizei ausrückte, löste sich der Korso auf, und die Fahrer versuchten, sich in die dortigen Seitenstraßen zu flüchten. Bei der Polizeikontrolle von elf Wagen stellte sich dann heraus, dass die Kolonne eine Hochzeitsfeier zum Ziel hatte. Die Beamten fanden mehrere Patronenhülsen. Ermittelt wird hier unter anderem wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz.
Das ist rücksichtsloses Verhalten, für das mir jedes Verständnis fehlt und das wir nicht hinnehmen.
Herbert Reul (CDU), Innenminister von NRW
Mehrere Autofahrer blockierten Ende März mit teuren Sportwagen die Autobahn A3 bei Düsseldorf – vermutlich, um auf der Fahrbahn Hochzeitsfotos zu schießen. Einer Zivilstreife sind laut Polizei drei Autos aufgefallen, die mit Warnblinklicht auf allen Spuren hin und her pendelten, so den Verkehr hinter sich ausbremsten und schließlich stoppten. Ein weiterer Fahrer habe die Reifen qualmen lassen und sich angeschickt, mit seinem Auto über die gesperrte Fahrbahn zu driften. Ein Beifahrer, der sich der Polizei als Hochzeitsfotograf zu erkennen gab, habe die Situation im Bild festgehalten. Als die Hochzeitsgesellschaft die Polizei bemerkte, seien alle Teilnehmer umgehend wieder angefahren. Laut NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sind die Staatsangehörigkeiten der Tatverdächtigen: türkisch, deutsch-marokkanisch, marokkanisch, deutsch-polnisch, deutsch-kosovarisch und tunesisch. „Autobahnen und Innenstädte sind keine privaten Festsäle“, sagte Reul und betonte: „Das ist rücksichtsloses Verhalten, für das mir jedes Verständnis fehlt und das wir nicht hinnehmen.“
Brennpunkt Ruhrgebiet
Besonders schlimm eskalierten türkische Hochzeiten im Ruhrgebiet, auch außer dem bereits genannten Fall in Herten: Ende März stoppte die Polizei in Essen mehrere Autos einer türkischen Hochzeitsgesellschaft. Zwei Wagen einer Kolonne hatten stark beschleunigt, abgebremst und die Spuren gewechselt. Die beiden Fahrer im Alter von 25 und 26 Jahren mussten laut Polizei ihren Führerschein abgeben, verletzt wurde niemand. Der Bräutigam, der das Brautauto steuerte, konnte sich nicht ausweisen und wurde deshalb zur Wache gebracht.
Für die, die das machen, ist es Imponiergehabe mit Autos.
Michael Mertens, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP)
Am Karsamstag mussten die Beamten allein in Duisburg gleich zu sechs eskalierten Hochzeiten ausrücken, weil sich Bürger über Autokorsos, blockierte Straßen und das Abfeuern von Schreckschusswaffen beschwert hatten. Im Duisburger Stadtteil Hochfeld besetzten laut Polizei rund 100 Hochzeitsteilnehmer eine Kreuzung, schwenkten türkische Fahnen, zündeten bengalische Fackeln und feuerten Schüsse in die Luft, bis die Polizei eingriff. Die Polizei sprach Platzverweise aus und erstattete Anzeigen. Schreckschusswaffen wurden sichergestellt. In Bochum erschreckten Schüsse bei einer türkischen Hochzeit am Ostersonntag die Anwohner. Die Ermittlungen ergaben, dass ein 53-Jähriger die Schüsse abgefeuert hatte, um das Brautpaar zu feiern. In seinem Fahrzeug fanden die Beamten zwei Schreckschusswaffen, Munition und ein Messer.
Im April dieses Jahres verringerte eine türkische Hochzeitsgesellschaft auf der A255 im Bereich Kreuz Hamburg-Süd in Fahrtrichtung Hamburg das Tempo. Mehrere der Fahrzeuge waren mit türkischen Fahnen geschmückt. Nach Angaben der Polizei waren insgesamt 25 Autos an dem Korso beteiligt. Auf der Brücke über den Müggenburger Kanal sollen die Autos sogar komplett gestoppt und so den Verkehr kurze Zeit lahmgelegt haben. Die Polizei beendete die Fahrt und nahm in Höhe der Abfahrt Veddel/Hafen bei einer Kontrolle aller Autofahrer die Personalien auf. Bereits im Frühjahr 2018 war eine türkische Hochzeitsgesellschaft unweit von Lübeck eskaliert: 26 Fahrzeuge leiteten die Beamten auf einen Parkplatz, durchsuchten sie und fanden sechs Schusswaffen. „Eigentlich ist gar nichts passiert. Das war eine ganz normale Hochzeit“, sagte einer der Beteiligten dem NDR. Was auch zeigt, dass das Schuldbewusstsein recht gering ist.
Eskalierte Hochzeitskonvois immer häufiger
Die Polizei in Deutschland hat augenscheinlich immer öfter mit derart ausufernden Feiern von türkischen Hochzeitsgesellschaften und strafbarem Verhalten der Gäste zu tun – eine eigene Statistik für eskalierende Hochzeitskorsos gibt es allerdings nicht. „Für die, die das machen, ist es Imponiergehabe mit Autos, die ihnen möglicherweise auch gar nicht gehören. Damit will man zeigen, was man hat und wer man ist“, sagt der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Michael Mertens. Die betreffenden jungen Männer definierten sich über dicke Autos und schlügen über die Stränge. „Wir müssen dem richtig konsequent den Riegel vorschieben und deutlich machen, dass dieses Verhalten auch zum Entzug des Führerscheins führen kann“, betont Mertens.
Ähnlich sieht das das bayerische Innenministerium. Der Fall in Aschaffenburg zeige ja gerade, dass die Polizei eskalierende Hochzeitskorsos genau im Auge habe und wenn nötig durchgreife, erklärte ein Ministeriumssprecher dem BAYERNKURIER – nötigenfalls auch mit Führerscheinentzügen und strafrechtlichen Konsequenzen. „Die bayerische Polizei hat die Lage stets im Griff. Sie hat ein Auge auf die Hochzeitskorsos und schreitet ein, wenn nötig“, so der Sprecher.