Saubere Hände oder Abkehr von der Demokratie? Daimler will vorerst nicht mehr für Parteien spenden. (Bild: imago images/Sergei Bobylev/TASS)
Parteispenden

Flucht aus der Verantwortung

CSU-Schatzmeister Thomas Bauer hat großen Firmen, die auf Parteispenden verzichten, eine Schwächung der Demokratie vorgeworfen. Der Anlass seiner Kritik: Der Autokonzern Daimler hat alle Parteispenden für dieses Jahr gestrichen.

„Sich um die Demokratie zu kümmern, ist eine Bürgerpflicht“, warnt CSU-Schatzmeister Thomas Bauer in der Tageszeitung Die Welt. Am Wochenende war bekannt geworden, dass der Autokonzern Daimler für dieses Jahr alle Parteispenden gestrichen hat. Und das ausgerechnet in einem Superwahljahr mit vier Landtagswahlen und einer Europawahl.

Daimlers Verzicht

Ein Daimler-Sprecher sagte der Zeitung Bild am Sonntag: „Wir haben beschlossen, in diesem Jahr den Schwerpunkt bei Projekten aus den Bereichen Bildung, Naturschutz, Wissenschaft, Kunst und Kultur zu setzen.“ Allerdings berichtet der Tagesspiegel: „Intern wird aber damit gerechnet, dass der Beschluss für ein Ende der Parteispenden nicht auf dieses Jahr beschränkt bleibt.“ Im Jahr 2018 hatte das Unternehmen Daimler an CDU und SPD jeweils 100.000 Euro gespendet, an die Grünen, CSU und FDP gingen je 40.000 Euro. „Mit Spenden unterstützen wir die politische Arbeit der Parteien, wie es unser Grundgesetz vorsieht“, hieß es noch 2017 bei Daimler zur Begründung.

Nun leistet die Firma einen Beitrag zur Schwächung der Demokratie und tut nicht etwa eine gute Tat. Man stiehlt sich aus der Verantwortung.

Thomas Bauer

Daimler sei wie eine Art Bürger, so Bauer weiter. „Nun leistet die Firma einen Beitrag zur Schwächung der Demokratie und tut nicht etwa eine gute Tat. Man stiehlt sich aus der Verantwortung.“ Auch andere große Firmen kritisierte Bauer: „Siemens gibt seit vielen Jahren nichts mehr, BMW, VW, jetzt Daimler. All diese großen Firmen kommen ihrer demokratischen Verpflichtung nicht mehr nach.“

Nur noch Staatsparteien?

Für CSU-Schatzmeister Bauer ist das ein Trend, der das Funktionieren des Staatswesens gefährdet. „Uns tut eine solche Entscheidung weh. Auch weil sie für andere Firmen ein guter Grund ist zu sagen, dann spenden wir auch nichts mehr“, äußerte er seine Sorgen über mögliche Folgen.

Es ist das falsche Zeichen in einer Zeit, in der demokratische Prinzipien unter Druck geraten.

FAZ

Eine allein oder weitgehend durch den Staat finanzierte Partei wäre eine „Staatspartei im sozialistischen Sinn“ und nicht mehr unabhängig, so Bauer im Welt-Interview. Die staatliche Parteienfinanzierung sei lediglich eine Zusatzfinanzierung, die auch immer „sauber begründet“ sein müsse. Die Oppositionsfraktionen klagen derzeit vor dem Verfassungsgericht gegen die aktuell gültige Regelung.

Grundlegenden Aufgaben in Gefahr

Es sei aber auch „zu einfach und auch falsch“ zu fordern, dass diese Finanzierung über die Parteimitglieder kommen solle. „Parteimitglieder sind viele kleine Leute, in einer Partei wie der CSU bezahlen die um die 70 Euro pro Jahr. Damit kann man keine große Partei finanzieren. Man braucht Geld von Spendern, von Bürgern und Unternehmen.“ Die CSU etwa habe 5000 kleinere Einheiten bis hinunter zu den Ortsverbänden. „Da bleibt dann pro Einheit ein Betrag um die 5000 Euro übrig“, erklärte Bauer. Wenn es so weitergehe mit sinkenden Spenden und zugleich steigenden Ausgaben durch „die heutigen Formen zeitgemäßer Kommunikation“ in den digitalen Medien – neben den etablierten Wahlkampfmitteln –, dann würden die Parteien so viel einsparen müssen, dass sie ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen könnten.

Ursache: Schlechtes Image

Der CSU-Schatzmeister benennt das schlechte Image als eine Ursache für den Rückgang der Spenden, für den die Parteien in der Vergangenheit mit Skandalen mitverantwortlich gewesen seien. Die Folge: „Wenn man Parteispenden leistet, gibt es öffentlichen Aufruhr dagegen, und diesen auszuhalten, dazu sind immer weniger Firmen bereit. Das passt nicht zum Image“, so Bauer. Er hält das aber nicht für ein überzeugendes Argument, da sich inzwischen die Parteien bemühten, alles korrekt zu machen: „Da sage ich ganz klar, dass man das aushalten muss. Denn Demokratie kann ohne Parteien nicht leben.“

Ich habe es in den 15 Jahren meiner Amtszeit nicht erlebt, dass ein Unternehmen forderte: Ihr kriegt nichts mehr, wenn ihr dieses oder jenes tut oder nicht tut.

Thomas Bauer

Er selbst habe als Unternehmer ebenfalls an Parteien gespendet, so Bauer weiter, „ohne dass damit irgendwelche Gespräche verbunden waren“. Aus seiner Erfahrung als Kassenwart heraus stellte er fest: „Ich habe es in den 15 Jahren meiner Amtszeit nicht erlebt, dass ein Unternehmen forderte: Ihr kriegt nichts mehr, wenn ihr dieses oder jenes tut oder nicht tut.“ Der in §25 Parteiengesetz festgeschriebene Grundsatz gelte: „Parteispenden dürfen nie mit irgendwelchen Versprechungen oder Gegenleistungen zu tun haben.“

Auch die Süddeutsche Zeitung (SZ) schreibt dazu, dass der Vorwurf der Käuflichkeit von Politikern „auf das Gros der Politiker“ nicht zutreffe. Die Zeitung erinnerte zudem an die Dimension der Parteispenden: „Konzerne wie Daimler erwirtschaften Milliarden Euro jährlich an Gewinn, zahlen Millionengehälter an ihre Chefs. Dagegen nehmen sich 100.000 Euro Spende an die CDU oder 40.000 Euro an die Grünen vergleichsweise läppisch aus.“

Kritik an der Daimler-Entscheidung

Der baden-württembergische CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, kritisierte Daimler auf Twitter deutlich. „Parteispenden ‚wegen anderer Schwerpunkte‘ aber generell zu stoppen ist (vielleicht populär) aber letztendlich verantwortungslos, Demokratie gefährdend, dumm.“

Auch die SZ kommentierte die Entscheidung kritisch: „Deutlicher kann man das Misstrauensvotum nicht formulieren: Ihr könnt uns mal.“ Und die FAZ meinte: „Es ist das falsche Zeichen in einer Zeit, in der demokratische Prinzipien unter Druck geraten.“ Die Rolle der Medien wird ebenfalls kritisch gesehen: „Lobende Worte für den Beitrag von Unternehmern für eine lebendige Parteien-Demokratie sind jedenfalls selten.“

Aus unserer Sicht ist jede Spende an eine Partei des demokratischen Spektrums zugleich eine Spende für Demokratie.

Sprecher der Firma Evonik

Mehrere Unternehmen und Verbände haben jedoch angekündigt, weiter spenden zu wollen, darunter der Verband der Chemischen Industrie, der Evonik-Konzern und die Firma Dr. Oetker. „Aus unserer Sicht ist jede Spende an eine Partei des demokratischen Spektrums zugleich eine Spende für Demokratie“, sagte ein Evonik-Sprecher. Man profitiere schließlich von Rechtsstaatlichkeit und sozialer Marktwirtschaft. „Die Parteien der Mitte sind Garanten dieser stabilen Grundlagen, die den Standort Deutschland so erfolgreich machen.“

Parteispenden in der Praxis

Die CDU erhielt um Bundestagswahljahr 2017 Spenden über insgesamt rund 35 Millionen Euro (22 Prozent der Gesamteinnahmen), davon mehr als ein Drittel (12,7 Millionen) von juristischen Personen, also Firmen oder Verbänden. Die staatliche Parteienfinanzierung lag bei 31 Prozent Anteil an den Einnahmen. Ähnlich die CSU: Sie hatte 2017 mit knapp 10 Millionen Euro einen Spendenanteil von 22,7 Prozent. Sie hatte zugleich mit 27 Prozent den geringsten Anteil an Staatsfinanzierung.

Bei der SPD betrug der Spendenanteil 2017 mehr als 14 Millionen Euro oder knapp 9 Prozent der Gesamteinnahmen, die staatlichen Mittel 49 Millionen Euro oder 29,5 Prozent. Die FDP erhielt 2017 mehr als 15 Millionen Euro durch Spenden, rund 39 Prozent ihrer Gesamteinnahmen, ihr Staatsanteil lag bei 30 Prozent. Auch für die AfD machten die 2017 erhaltenen 6,8 Millionen Euro einen Spendenanteil am Etat von fast 37 Prozent aus – der Staatsanteil lag bei 41 Prozent. Die Grünen erhielten im Bundestagswahljahr rund sechs Millionen Euro aus Spenden (13 Prozent), die Linke 2,7 Millionen Euro oder 8,5 Prozent Spenden.