Einsatz der Finanzkontrolle Schwarzarbeit auf einer Grossbaustelle in Frankfurt am Main. (Bild: Imago/photothek/Janine Schmitz)
Soziales

Mehr Kontrollen, weniger Missbrauch

Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf "gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch" vorgelegt. Damit sollen Arbeitnehmer geschützt und Kindergeld-Missbrauch verhindert werden.

Die Bundesregierung hat den Gesetzentwurf „gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch“ vorgelegt und nun im Bundestag in erster Lesung beraten lassen. Darin geht es zum einen darum, Arbeitnehmer besser vor illegalen Lohnpraktiken zu schützen und zum anderen darum, die rechtlichen Möglichkeiten gegen unberechtigten Kindergeldbezug zu verbessern.

Vor Ausbeutung schützen

„Mit diesem Gesetz werden Arbeitnehmer besser gegen illegale Lohnpraktiken und Arbeitsausbeutung geschützt“, erklärten die finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Antje Tillmann sowie der zuständige Berichterstatter Thomas de Maizière. Dazu werden die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Prüfungen und Ermittlungen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) beim Zoll weiter verbessert. Allein im Baugewerbe wurden laut Handelsblatt 2018 wegen Verstößen gegen den Branchenmindestlohn Geldbußen in Höhe von 19,5 Millionen Euro verhängt – im Vorjahr seien es 30,6 Millionen gewesen. Die Schwarzarbeit hat zugleich gravierende Beitragsausfälle in der Sozialversicherung und Ausfälle bei den Steuereinnahmen zur Folge. Außerdem wird dem fairen Wettbewerb geschadet.

Die FKS erhält hierfür neue Zuständigkeiten im Bereich der Bekämpfung von Menschen­­handel und Arbeitsausbeutung. So kann sie zukünftig beispielsweise bereits bei der Anbahnung illegaler Beschäftigung auf Tagelöhnerbörsen (dem sogenannten „Arbeitsstrich“) tätig werden, das Anbieten von Schwarzarbeit in Zeitungen und Online-Plattformen verfolgen und die Familienkassen bei der Bekämpfung von Kindergeldmissbrauch unterstützen und entsprechende Erkenntnisse behördenübergreifend austauschen. Die personelle Ausstattung der FKS wird hierzu deutlich ausgebaut: Der Zoll erhält bis 2030 insgesamt 4360 zusätzliche Arbeitsstellen.

Kindergeldmissbrauch reduzieren

Der zweite Schwerpunkt liegt beim unberechtigten Kindergeldbezug. Damit sind nicht die legalen Zahlungen von Kindergeld ins Ausland für deutsche oder ausländische Kinder gemeint. Es geht vielmehr um Fälle, in denen durch Vorlage gefälschter Dokumente und Scheinarbeitsverträge unberechtigt Kindergeld erschwindelt wird. Darüber hatten zuletzt mehrere Kommunalpolitiker berichtet, insbesondere Rumänen und Bulgaren sollen diese illegale Praxis angewendet haben. Diese Zahlungen kommen dabei nicht den Kindern zugute, sondern meist kriminellen Banden.

Wir wollen das Kindergeld an die Lebenshaltungskosten im jeweiligen Wohnsitzland des Kindes anpassen.

Kerstin Schreyer

„In der Vergangenheit haben wir und auch die Behörden vor Ort schon einiges getan, um diesen Missbrauch zu verhindern“, erklärten Tillmann und de Maizière. „Erinnert sei hier an den verbesserten Informationsaustausch zwischen den Familien­kassen und den Meldebehörden, aber auch an die Einschränkung der rückwirkenden Antragsmöglichkeit des Kindergeldes auf sechs Monate.“ Nunmehr gehe man aber noch einen Schritt weiter, so die Unionspolitiker: Mit dem neuen Gesetz werde eine stärkere Verknüpfung des Kindergeldanspruchs mit dem EU-Freizügigkeitsrecht geregelt. Zudem soll eine eigene Prüfungskompetenz der Familienkassen für die Frage der Freizügigkeitsberechtigung eingeführt werden. Bisher machen das die Ausländerbehörden. Auch wird ein möglicher Leistungsausschluss für neu zugezogene Unionsbürger in den ersten drei Monaten möglich, wenn begründete Zweifel an einem Kindergeldanspruch bestehen. Diese bereits im Bereich der Arbeitsförderung vorhandene Verfahrensweise der Beweislastumkehr wird auf das Kindergeldrecht übertragen.

Anstieg der Auszahlungen

Die berechtigte Sorge der Bundesregierung ist, dass das Kindergeld immer stärker ein Anreiz für den Zuzug aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union wird – weil in anderen Ländern erheblich geringere Summen bei dieser Sozialleistung gezahlt werden. Tatsächlich wird von den insgesamt 5,6 Milliarden Euro Kindergeld allein in Bayern immer mehr ins Ausland überwiesen, im Vorjahr knapp 23 Millionen Euro. In ganz Deutschland flossen mit 290 Millionen Euro etwa ein Prozent des gesamten Kindergeldes von 37 Milliarden Euro auf ausländische Konten, so die Bundesagentur für Arbeit. Einen Anstieg gab es 2017 besonders bei Beziehern aus Polen, Tschechien und Rumänien.

Mir geht es vor allem darum, nicht die Trennung von Familien zu unterstützen.

Kerstin Schreyer

Denn Kindergeld wird EU-Bürgern aus dem Ausland hierzulande schon dann ausgezahlt, wenn sie nur ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Die Kinder müssen jedoch nicht in Deutschland leben, was bei rund zwei Prozent der Fall ist. Eine weitere Voraussetzung sah allerdings vor, dass der Antragssteller als Arbeitnehmer oder Selbstständiger in Deutschland steuerpflichtig sein muss. Oft handelt es sich bei den Beziehern um Grenzgänger aus den Nachbarstaaten, die hier im grenznahen Raum arbeiten, aber im Heimatland leben. Auch etwa 31.000 deutsche Staatsbürger sind unter den Empfängern. Jedoch kam es hier in der Vergangenheit auch öfter zu Scheinarbeitsverträgen, die Kindergeldzahlungen zur Folge hatten.

EU-Ausländer erhalten Kindergeld aber nach einem aktuellen Urteil des EuGH auch dann, wenn sie keiner Beschäftigung nachgehen und in einem anderen Mitgliedsstaat leben. In dem konkreten Fall ging es um einen Rumänen, der seit 2003 in Irland arbeitete. Er war 2009 arbeitslos geworden und erhielt danach für ein Jahr eine beitragsabhängige Arbeitslosenunterstützung und auch Geld für seine beiden Kinder, die in Rumänien wohnten.

An die Lebenshaltungskosten anpassen

Die Bundesregierung hatte schon in der vergangenen Legislatur eine Initiative gestartet, die Kindergeldzahlung an die Lebenshaltungskosten des Wohnsitzes der Kinder zu koppeln. Aber die Mehrheit der Mitgliedsstaaten ist bisher dagegen. Und die EU-Kommission hält diese Indexierung für einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung. Die Staatsregierung betont aber, dass gerade mit der Anpassung an die Lebensverhältnisse die europarechtlich geforderte Gleichstellung erst erreicht werde. „Ohne die Anpassung an die Kaufkraft würden Eltern in niedrigpreisigeren Ländern überproportional gefördert“, befürchtet Sozialministerin Kerstin Schreyer. „Mir als Sozialministerin geht es vor allem darum, nicht mit einer überproportionalen Förderung die Trennung von Familien zu unterstützen.“ Schreyer betonte: „Wir wollen niemandem das Kindergeld wegnehmen. Aber wir wollen das Kindergeld an die Lebenshaltungskosten im jeweiligen Wohnsitzland des Kindes anpassen. Ziel war und ist eine gleichwertige Förderung aller Kinder. Und zwar gleichwertig in dem Sinne, was das Leben tatsächlich vor Ort kostet.“ Im Einkommenssteuerrecht gebe es bereits eine solche Ländergruppeneinteilung zur Berücksichtigung der unterschiedlichen ausländischen Lebensverhältnisse.