Wer einen Organspendeausweis ausfüllt, wird zum Lebensretter auch nach dem Tod. (Bild: Imago/McPhoto)
Inland

Wer stirbt, kann Leben retten

Die Menschen in Deutschland sollen nach dem Willen mehrerer Abgeordneter zu Lebzeiten über ihre Bereitschaft für eine Organspende entscheiden müssen. So soll dem Mangel an lebensrettenden Spenderorganen begegnet werden.

Am Montag wollen Abgeordnete von Union, SPD und Linken ihren Gesetzentwurf für eine solche sogenannte Widerspruchslösung in Berlin vorstellen. Jeder könne plötzlich auf ein Spenderorgan angewiesen sein, argumentierte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach im Kurznachrichtendienst Twitter. „Will man nicht spenden, sollte man trotzdem zumindest widersprochen haben.“ Spiegel Online hatte zuerst darüber berichtet.

Entscheidung zu Lebzeiten

Vorgesehen ist nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur in dem Entwurf, dass alle Personen ab 16 Jahren ausführlich informiert und als Spender registriert werden – außer sie widersprechen. Sie sollen ihre Entscheidung auch jederzeit revidieren können.

Heute gilt dagegen die sogenannte Entscheidungslösung, nach der jeder zu Lebzeiten die Möglichkeit hat, sich für den Fall eines Hirntods für eine Organspende zu entscheiden und dies etwa in einem Organspendeausweis zu dokumentieren. Eine Pflicht zur Entscheidung besteht bislang nicht.

Ohne Fraktionszwang abstimmen

Der Bundestag will ergebnisoffen und ohne Fraktionszwang über eine Neuregelung zur Organspende abstimmen. Eine Gruppe um Grünen-Chefin Annalena Baerbock will, dass bei der Vergabe eines Ausweises oder Reisepasses die Frage nach einer Organspende-Bereitschaft gestellt wird. Andere sind für die Beibehaltung der jetzigen Regelung. Für die Widerspruchslösung ist auch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU); er will den Gesetzentwurf am Montag mit präsentieren. Spahn handele dabei als Abgeordneter, sagte ein Ministeriumssprecher. Informationen über den Gesetzentwurf wollte der Sprecher nicht bestätigen.

Die Linke-Abgeordnete Petra Sitte, die sich ebenfalls für die Widerspruchslösung einsetzt und dem Entwurf am Montag ebenfalls zustimmen will, sagte der dpa: „Es ist den Menschen zuzumuten, eine solche Frage gestellt zu bekommen und sie zu beantworten.“

Seit Jahren Organmangel

Seit Jahren herrscht ein Mangel an Spenderorganen. In Deutschland standen zuletzt 9400 Patienten auf den Wartelisten für eine Organtransplantation. Erstmals seit 2010 war die Zahl der Organspender im vergangenen Jahr wieder gestiegen. 955 Menschen spendeten nach ihrem Tod ihre Organe für schwerkranke Patienten. Im Vergleich zu 2017 ist dies eine Steigerung von knapp 20 Prozent.

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, wandte sich gegen eine Widerspruchsregelung. Diese setze darauf, dass der Bürger sich mit der Organspende nicht beschäftige und schweige. „Denn über Sterben und Tod nachzudenken, macht Angst“, sagte Brysch der dpa. „Die bewusste Entscheidung für die Organspende wird faktisch abgeschafft.“

(dpa)