Ein Bundeswehrhubschrauber im Einsatz. In Afghanistan muss die Bundeswehr allerdings gelegentlich zivile Hubschrauber anmieten. (Foto: Imago/Hartenfelser)
Bundeswehr

Zu viel Bürokratie, zu wenig Ausrüstung

Zu viel Bürokratie, nicht einsatzbereites Gerät, zu langsame Beschaffung, zu wenig Personal: Der Wehrbeauftragte des Bundestages beklagt fehlende Fortschritte bei altbekannten Problemen. CSU-Verteidigungspolitiker Brandl verlangt einen langen Atem.

Der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) kritisiert in seinem Bericht zur Lage der Bundeswehr 2019 schwere Ausrüstungsmängel, eine lähmende Verwaltung sowie einen historischen Tiefstand bei der Anwerbung neuer Soldaten. Für den dringend nötigen Anstieg der Personalzahlen sorge derzeit vor allem die Verlängerung bestehender Zeitverträge, stellte Bartels in Berlin fest. Ein Hauptkritikpunkt der Soldaten bleibe fehlende Ausrüstung.

Das System der Mangelbewirtschaftung besteht in allen Bereichen fort.

Hans-Peter Bartels, Wehrbeauftragter

„Das System der Mangelbewirtschaftung besteht in allen Bereichen fort“, so Bartels. In den Augen vieler Soldaten stecke hinter vielen Problemen das „Bürokratiemonster Bundeswehr“. Insbesondere die geringere Zahl neuer Soldaten macht Bartels Sorge. „Obwohl die Bundeswehr im Berichtsjahr ein Plus von 4000 Zeit- und Berufssoldaten meldet, ist im Gegensatz dazu die Zahl der neu in die Bundeswehr eingetretenen Soldatinnen und Soldaten um 3000 auf nur noch 20.000 Neueintritte gesunken (2017: 23.000), der niedrigste Stand in ihrer Geschichte“, erklärte Bartels. „Das heißt, die Bundeswehr wächst, aber sie gewinnt immer weniger neues Personal.“

Sofortprogramm gefordert

Wehrbeauftragter Bartels fordert ein Sofortprogramm, um zumindest die dringlichen Mängel bei der persönlichen Ausstattung der Soldaten zu beheben. Ob Helme, Stiefel, Schutzwesten, von diesen „Basics“ sei immer „noch viel zu wenig da, um jeden Soldaten gleichermaßen zu versorgen.“ Deshalb solle Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ihr langfristiges Ziel der Vollausstattung bis 2031 um „ein kleines Sofortprogramm“ ergänzen, wie Bartels ausführte. Dies könne auch ein „Befreiungsschlag“ sein.

Jahrzehntelang ist die Bundeswehr immer weiter geschrumpft, bis wir aufgrund der veränderten Sicherheitslage vor vier Jahren das Ruder wieder herumgerissen haben. Aber so schnell bewegt sich ein Tanker wie die Bundeswehr nicht.

Reinhard Brandl (CSU), verteidigungspolitischer Sprecher der CSU im Bundestag

Verantwortung müsse zurechenbar sei und dürfe nicht in einem Labyrinth verzweigter Zuständigkeiten verschwinden. „Ein absolutes Muss ist die Beschleunigung der Beschaffung. So steht es auch im Koalitionsvertrag“, so Bartels. Die Bundeswehr soll von derzeit etwa 180.000 Soldatinnen und Soldaten bis 2025 auf 203.000 Soldaten wachsen. Fraglich ist langfristig, wie die Bundeswehr neue Posten angesichts des allgemeinen Fachkräftemangels besetzen will. Für das Jahr 2025 werden aus demografischen Gründen 11 Prozent weniger Schulabgänger erwartet als noch zehn Jahre zuvor.

Vor vier Jahren das Ruder herumgerissen

Für den außen- und sicherheitspolitischen Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Reinhard Brandl, ist die heutige Lage der Bundeswehr eine Folge des früheren Sparkurses. „Jahrzehntelang ist die Bundeswehr immer weiter geschrumpft, bis wir aufgrund der veränderten Sicherheitslage vor vier Jahren das Ruder wieder herumgerissen haben. Aber so schnell bewegt sich ein Tanker wie die Bundeswehr nicht.“ Die höheren Investitionen in Ausstattung und Personal bräuchten Zeit, bis sie sich spürbar auswirkten, so Brandl: „Die Mehrinvestitionen der letzten Jahre beim Material werden nur langsam spürbar. Zusätzliches Personal steckt erst einmal über Jahre in der Ausbildung, bevor es zur Verfügung steht.“

Die Situation wird nur besser werden, wenn wir in der Politik einen langen Atem beweisen und die Bundeswehr langfristig und stetig für ihre Aufgaben ausstatten. Sonst wird aus den Trendwenden ein Strohfeuer.

Reinhard Brandl

Die höheren Investitionen in die Bundeswehr sind dringend notwendig, findet der CSU-Verteidigungspolitiker, denn: „ Die Aufgaben im Einsatz und im Bündnis sind aber schon heute da und müssen erfüllt werden.“ Im Grunde gibt Brandl dem Wehrbeauftragten Bartels recht: „Der Wehrbeauftragte kritisiert zu Recht die alltägliche Mangelverwaltung.“ Strohfeuerprogramme lehnt Brandl indes ab. „Eines ist aber auch klar: Die Situation wird nur besser werden, wenn wir in der Politik einen langen Atem beweisen und die Bundeswehr langfristig und stetig für ihre Aufgaben ausstatten. Sonst wird aus den Trendwenden ein Strohfeuer.“

Bundeswehr mietet in Afghanistan zivile Hubschrauber an

Er kritisierte auch den ausufernden Transport deutscher Soldaten mit zivilen Hubschraubern in Afghanistan. Tatsächlich finde ein Großteil der Flüge für die deutschen Soldaten innerhalb Afghanistans mit zivilen angemieteten Hubschraubern statt. „Das ist nicht ideal. Deutschland sollte in der Lage sein, seine Soldaten sowohl selbst in die Einsätze zu fliegen als auch in den Einsätzen zu transportieren – am Boden wie in der Luft“, sagte Bartels.

Der Wehrbeauftragte des Bundestages gilt als „Anwalt der Soldaten“. Er besucht Standorte im In- und Ausland. Zusammen mit seinem Team kümmert er sich um Eingaben aus der Truppe. Einmal jährlich legt er seinen Jahresbericht vor. Soldaten dürfen sich ausschließlich bei ihm über Missstände beschweren.

Die Bundeswehr ist, gemessen am Auftrag, im schlechtesten Zustand seit 1990.

André Wüstner, Vorsitzender des Bundeswehrverbandes

Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbands, André Wüstner, forderte die Verteidigungsministerin zu mehr Tempo auf. „Es ist 5 nach 12“, sagte Wüstner im ZDF. „Die Bundeswehr ist, gemessen am Auftrag, nach wie vor im schlechtesten Zustand seit 1990.“ Die Truppe leide nach wie vor unter einem „Bürokratiemonster“ und den Fehlern alter Reformen. Trotz offener Stellen sieht Generalinspekteur Eberhard Zorn keinen Grund zur Panik. „Im Schnitt sind 15 Prozent der Dienstposten nicht besetzt“, sagte Zorn dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Es gebe „etwas größere Lücken“ bei der IT, bei Ärzten, im Personalmanagement und in der Logistik – aber „keinen Anlass zur Panik, weder von der Zahl her noch von der Qualität unserer Bewerber“.