Erdkabelverlegung bei Leer in Ostfriesland. Der Graben für „Südostlink“ in Bayern soll 15 Meter breit werden. (Foto: Imago/Jürgen Schwarz)
Südostlink

Proteste gegen Planung

Nach der Vorstellung der Planung für die Südostlink-Hochspannungsleitung protestieren Abgeordnete und Kommunalpolitiker. Betreiber Tennet favorisiert die östlichste der möglichen Varianten über Hof, Wunsiedel, Tirschenreuth und Neustadt/Waldnaab.

Der Stromnetzbetreiber Tennet hat seine neuesten Planungen für den Abschnitt C der geplanten unterirdischen Höchstspannungs-Gleichstromleitung von Sachsen-Anhalt zum Umspannwerk Isar nahe Ohu bei Landshut vorgestellt. Abschnitt C der „Südostlink“-Trasse erstreckt sich von der thüringisch-bayerischen Landesgrenze bis nach Pfreimd im Landkreis Schwandorf. Tennet favorisiert dabei die östlichste der Mitte 2017 vorgestellten Planungsvarianten, genannt „C08c“. Sie durchschneidet die Landkreise Hof und Wunsiedel in Oberfranken sowie Tirschenreuth und Neustadt/Waldnaab in der Oberpfalz komplett von Nord nach Süd. Außerdem sind kleinere Teile des Stadtgebiets Weiden und des Landkreises Schwandorf betroffen.

Die von Tennet vorgelegte Planung berücksichtigt nicht ausreichend das Ziel der Bündelung der Gleichstromtrasse mit bereits vorhandener Infrastruktur.

Hans-Peter Friedrich (CSU), Bundestagsvizepräsident aus Hof

Netzbetreiber Tennet informierte in mehreren Veranstaltungen die Bundesnetzagentur und die Bundestagsabgeordneten, die Landtagsabgeordneten sowie die Bürgermeister, Bürgerinitiativen und Naturschutzverbände in Schwandorf, Hof, Bayreuth, Wunsiedel, Tirschenreuth und Weiden. Als abschließender Teil D soll im Frühjahr 2019 die Planung des Abschnitts Pfreimd-Landshut vorgelegt werden. Die Trassenplanung umfasst eine Breite von 1000 Metern. Der eigentliche Graben, in dem letztlich die Kabel verlegt werden, soll allerdings nur maximal 15 Meter breit sein und nach der Verlegung zugeschüttet und rekultiviert werden.

Nach der Bauphase kann der Schutzstreifen erneut landwirtschaftlich genutzt oder begrünt werden. Der Schutzstreifen muss allerdings von tiefwurzelnden Gehölzen wie Bäumen, Hopfen oder Weinstöcken freigehalten werden. Der genaue Verlauf dieses 15-Meter-Grabens innerhalb der 1000 Meter Planungsbreite – genannt „trassenscharfe Planung“ – wird erst in zwei bis drei Jahren bestimmt. Grundsätzlich werden Erdkabel in 1,5 bis 2 Metern Tiefe verlegt. Bei der östlichen Variante ist die Landschaft weniger besiedelt, weniger bewaldet und nicht so sehr von Tälern durchschnitten wie in den beiden westlicheren Vatianten.

Massive Kritik an der Planung

Aus den verschonten Regionen hört man Erleichterung, aus den betroffenen Landkreisen kommt dagegen massive Kritik. Der aus Hof stammende Bundestagsvizepräsident Hans-Peter Friedrich (CSU) zeigte sich enttäuscht. „Die von Tennet vorgelegte Planung berücksichtigt nicht ausreichend das Ziel der Bündelung der Gleichstromtrasse mit bereits vorhandener Infrastruktur“, sagt er – unter Hinweis auf die bestehende Stromleitung „Ostbayernring“ und bestehende Straßen, etwa die Autobahnen A9 oder A93. „Sowohl unter ökologischen Gesichtspunkten als auch unter dem Aspekt des Landschaftsschutzes müssen unvermeidbare Eingriffe in die Natur gebündelt werden.“ Wo eine Bündelung schwierig oder unmöglich erscheint, müsse man aber auch ernsthaft über die kostengünstigeren Freileitungen nachdenken, erklärt Friedrich in der Frankenpost.

Wieso wurde, um die Belastung für Mensch, Natur und Umwelt möglichst gering zu halten, nicht eine starke Bündelung durch einen Verlauf entlang des Seitenstreifens der Autobahn A93 viel intensiver und detaillierter untersucht und geprüft?

Albert Rupprecht (CSU), Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Weiden

Der CSU-Bundestagsabgeordnete für Tirschenreuth, Neustadt/Waldnaab und Weiden, Albert Rupprecht, kritisiert insbesondere, dass „Südostlink“ nicht in einem Streifen unmittelbar neben der A93 verlaufen soll. In der Tat liegt der vorgesehene Endpunkt des Abschnitts C, Pfreimd, in der Nähe des Autobahnkreuzes „Oberpfälzer Wald“ und damit neben der A93. Eine solche Bündelung neben der bestehenden Autobahn würde wohl die geringste „Belastung für Mensch, Natur und Umwelt“ bedeuten, mutmaßt Rupprecht. „Über Monate“ habe er sich mit dieser Frage an den Präsidenten der Bundesnetzagentur, Jochen Homann, und Tennet gewandt. Zudem müsse dringend geklärt werden, ob Leitungen mit 525 Kilovolt (kV) Spannung zum Einsatz kommen könnten statt der bisher vorgesehenen 320-kV-Leitungen. Die höhere Spannung erlaube „eine wesentlich geringere Trassenbreite“ und könnte „auch einen anderen Verlauf ergeben“. Der CSU-Forschungspolitiker Rupprecht fordert: „Deshalb sollten zunächst die Ergebnisse der laufenden Tests über den Einsatz von 525-kV-Leitungen abgewartet werden.“

Sogar die Art der Leitung ist unklar: 320 oder 525 Kilovolt?

Der Wunsiedler CSU-Landtagsabgeordnete Martin Schöffel ärgert sich aus ganz ähnlichen Gründen über Tennet: „Damit kann ich nicht leben, das ist eine völlige Augenwischerei.“ Schöffel hält es für „unmöglich“, dass sich Tennet auf eine Trasse festlege, obwohl noch nicht einmal klar sei, ob eine Leitung mit einer Spannungsebene von 320 oder 525 kV verlegt werde. In einem persönlichen Brief an den zuständigen Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) will Schöffel darauf hinweisen, dass es nicht zusammenpasse, „wenn ein Minister einerseits in Oberfranken den Bürgerdialog sucht, um andererseits in Berlin eine Verfahrensbeschleunigung anzustoßen und die Kapazitätserweiterung fordert“, sagte Schöffel in der Frankenpost.

Weshalb geht man jetzt ins Verfahren, wenn man später die Technik gegebenenfalls ändert oder anpasst?

Oliver Bär (CSU), Landrat des Landkreises Hof

Ganz genau so sieht es der Hofer Landrat Oliver Bär (CSU). Er fordert im BR sogar einen Planungsstopp, bis die Art der Leitung geklärt sei, also 320 oder 525 kV Spannung. Bei Tennet laufen derzeit Untersuchungen, ob bei 525 kV Spannung zwei statt vier Kabel ausreichen könnten, dann würde sich die nötige Grabenbreite von 15 Metern etwa halbieren, so Bär. „Vor allem käme mit dieser Variante auch die Möglichkeit einer Verlegung entlang der Bundesfernstraßen leichter in Betracht“, sagte Bär dem BR. Der Frankenpost sagte Bär, die Ermittlung der technischen Grundlage solle wohl Anfang bis Mitte 2019 beendet sein. „Dann macht es Sinn, in das Verfahren zu gehen. Dieses halbe Jahr Zeit müssen sich Tennet und die Vorhabensträger nehmen“, so der Hofer Landrat. Insofern stelle sich schon die Frage: „Weshalb werden jetzt die Pläne ausgelegt? Weshalb geht man jetzt ins Verfahren, wenn man später die Technik gegebenenfalls ändert oder anpasst?“, formulierte Bär.

Kreis Wunsiedel prüft bereits jetzt eine Klage

Am deutlichsten in seiner Kritik wird der Wunsiedler Landrat Landrat Karl Döhler (CSU). Er sei „tief erschüttert, mit welcher Kaltschnäuzigkeit dieses Verfahren gegen alle begründeten Einwendungen durchgezogen wird“, sagte der CSU-Politiker ebenfalls in der Frankenpost. Es sei „ein purer Wahnsinn“, dass man sich jetzt schon in der Linienführung festlege, ohne die technischen Anforderungen zu kennen. Döhler wörtlich: „Das zeigt, dass man aus dem Hambacher Forst nichts gelernt hat. Ich frage mich, ob man daraus jemals etwas lernen wird.“ Das Vorgehen zeige ihm, dass es den Verantwortlichen „allein darum gehe, das Verfahren durchzuziehen“. Die Inhalte kämen an zweiter Stelle. Der Landkreis Wunsiedel werde mit seinen Anwälten nun prüfen, ob er schon vor dem in drei Jahren zu erwartenden Planfeststellungsverfahren den Weg an die Gerichte gehen könne.

Wenn eine Stromtrasse gebaut werden muss, dann muss die Variante gewählt werden, die den Menschen vor Ort auch erklärt werden kann.

Emmi Zeulner (CSU), Bundestagsabgeordnete aus Kulmbach

Der Bayerische Bauernverband ist grundsätzlich nicht glücklich mit der Erdverkabelung. „Die Bedenken der Anwohner werden dabei auf dem Rücken der Bauern ausgeräumt. Im Vergleich zur Freileitung sind bei einer Erdverkabelung im Höchstspannungsbereich erhebliche Eingriffe in den Boden und seine Struktur zu erwarten und die Eingriffe in das Eigentum sowie die Nutzung noch gravierender“, erklärt der Bauernverband gegenüber dem BAYERNKURIER. Erstens strahle das Erdkabel Wärme ab, was auch den Boden erwärme und zu höherer Verdunstung und Austrocknung führe. „Daraus ergeben sich nicht nur übergangsweise, sondern dauerhaft erhebliche Beeinträchtigungen auf landwirtschaftlichen Flächen“, so der Bauernverband. Für Wald und bestimmte tiefwurzelnde Sonderkulturen wie Wein oder Hopfen falle die Kabeltrasse komplett aus. „Hinzu kommt ein weiterer enormer Flächenverbrauch für die Übergangsbauwerke zwischen Freileitung und Erdkabel. Der bisher zusätzlich fällige naturschutzrechtliche Ausgleich geht häufig ebenfalls zu Lasten der Nutzflächen“, befürchtet der Bauernverband. Auch in betriebswirtschaftlicher Hinsicht befürchten die Landwirte große Einschränkungen: „Belastung des Eigentums (Grundbuch) durch Eintragung einer Grunddienstbarkeit. Einschränkung der Verfügbarkeit über das Eigentum“, formuliert der Verband.

Zeulner fordert Planungstransparenz

Mit der östlichen Trassenvariante sind die Landkreise Kulmbach und Bayreuth in Oberfranken nicht mehr betroffen. Entsprechend erleichtert reagierten die dortigen Abgeordneten und Kommunalpolitiker. „Ich begrüße es sehr, dass der Netzbetreiber Tennet hier nun Klarheit schafft und somit die Menschen vor Ort auch wissen, was auf sie zukommt“, lobt die Kulmbacher CSU-Bundestagsabgeordnete Emmi Zeulner in einer Erklärung. So seien die Aspekte Raumwiderstände, Hochwassergefahr und Schutzgüter wie Mensch und Natur berücksichtigt worden. „Wenn eine Stromtrasse gebaut werden muss, dann muss die Variante gewählt werden, die den Menschen vor Ort auch erklärt werden kann“, so Zeulner. Erleichtert zeigte sich auch Bürgermeister Gerhard Schneider (CSU) aus Himmelkron an der Autobahn A9. „Ich freue mich für die Menschen in unserer Gemeinde, die betroffen gewesen wären, dass die Leitung nun weiter östlich verläuft“, sagte Schneider dem Fränkischen Tag.

Bundesregierung, Bundesnetzagentur und Tennet argumentieren, die Südostlink-Leitung werde benötigt, um im Rahmen der Energiewende den Überschuss vor allem an Windstrom, der im Norden Deutschlands produziert werde, in den hochindustrialisierten Süden Deutschlands zu bringen. Auch die bayerische Staatsregierung und die CSU als Berliner Koalitionspartei waren nach anfänglicher Ablehnung nach dem Erdkabel-Kompromiss im Sommer 2015 auf diese Linie eingeschwenkt. Allerdings steht die Südostlink-Verbindung jenseits von Planungsdetails auch grundsätzlich in der Kritik, weil sie eben nicht Windstrom von der Küste, sondern vor allem Braunkohlestrom aus Sachsen-Anhalt transportieren soll.